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Viren

Begonnen von liftboy, Februar 03, 2022, 11:56:56 VORMITTAG

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smashIt

und die sternderlgucker haben noch einen großen vorteil beim beobachten:
kein dreck am firmament :D
MfG,
Chris

Bildung ist das was uns vom Tier unterscheidet.

Funtech.org

liftboy

Hallo Cris,

bist Du Dir da sicher....  Weltraumschrott und so?

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

3nzo

Hallo Chris,
Amateure sind schlechter dran als wir, ihre Beobachtungen werden von atmosphärischen Bedingungen beeinflusst  :)
Mit freundlichen Grüßen.

Enzo

MikroManni

Hallo an Alle im Virenthema,

ich möchte zuallerst den Punkt machen, dass man Viren, Bakteriophagen nur mit Elektronenmkikroskopie gut abbilden kann. Sei es Transmissions-EM (TEM), Raster-EM (FE (Feldemission)SEM, SEM) oder Heliumraster-EM (https://www.jyu.fi/en/news/archive/2017/07/tiedote-2017-07-04-12-52-53-710327; link zu einem Bakteriophagenbild mit Helium-Raster-EM, unten rechts).

Bedingt durch die winzige Größe benötigt man einfach das sehr gute Auflösungsvermögen, was ein Lichtmikroskop mit seinen Abkömmlingen wie Konfokal, STEM, 2Photonen, TIRF etc nicht hergibt. Die neuen hochaufgelösten Lichtmikroskope arbeiten mit Fluoreszenzfarbstoffen, die man nachweist und somit indirekt das Vorhandensein des Objektes in der Probe zeigt. Wenn man so will, sieht man Farbe in einem dunklen Hintergrund. Dieser Hintergrund kann nachträglich durch zB eine DIK-Aufnahme einer Zelle aufgefüllt werden, in der man dann erkennen kann, wo das Objekt in der Zelle vorliegt, wenn man beide Bilder "merged".

Oft verwendet man Antikörper mit gebundenen Fluoreszenzfarbstoffen, um die Objekte darzustellen. Dadurch vergrößert man das Objekt aber auch gleichzeitig, da der Antikörper etwa 12 nm groß ist und oft mehr als ein Antikörper bindet. Dann hat man das Problem, dass durch die Fluoreszenzfarbstoffe dem Objekt noch ein "Heiligenschein" mitgegeben wird, da die Fluoreszenz über einen wesentlich größeren Bereich erstrahlt, als dies der Größe des gesuchten Objektes entspricht.

Der im Bild von Enzo gezeigte Punkt kann alles sein- NUR KEIN CORONAVIRUS. Leider hat man in der Wissenschaft mit dem Problem zu kämpfen, dass vielen Gutachtern von wissenschaftlichen Arbeiten/Veröffentlichungen das Verständnis für das was man in einer lichtmikroskopischen oder elektronenmikroskopischen Aufnahme sieht, abhanden gekommen ist. In manchen Veröffentlichungen sieht man akzeptierte Bilder, da dreht sich mir der Magen um. Jedwede Struktur wird dort oft als Virus, Enzymkomplex oder Bakteriophage bezeichnet.

Heute werden Viren fast nur noch ausschließlich durch Cry-Tomographie im TEM dargestellt (siehe die überall gezeigten Bilder des Coronavirus, wäre ohne Cryo-Tomographie nicht so in allen Einzelheiten darstellbar). Eingefrorene Proben werden in Relation zum Elektronenstrahl gekippt +/- 60°. Dann werden die erhaltenen Bilder zu einem Bild zusammengerechnet. Cryo-TEMs beginnen etwa bei 3 Millionen Euronen mit allem Zubehör!!!!

Mit Bakteriophagen habe ich jahrelang mikroskopisch gearbeitet und möchte Euch in den folgenden Bildern zeigen wie faszinierend diese aussehen können---- im TEM und FESEM. Wir haben auch mit fluoreszenz-markierten Bakteriophagen experimentiert, sind aber letzlich immer bei der Elektronenmikroskopie gelandet.

1 Bild  Zusammenstellung verschiedener Phagentypen, negtaiv-stain TEM
2 Bild  angeheftete Pagen an einem Bakterium, Acinetobacter baumannii, nach 15 min Inkubation, FESEM
3 Bild  wie Bild 2 nur in etwa 150000facher Vergrößerung; man erkennt Kopf, Schwanz, FESEM
4 Bild  anderer Bakteriophagentyp an einem Bakterium, FESEM
5 Bild  Bakteriophagen sitzend an Staphylococcus aureus, FESEM

Schönen Abend

Manfred
Axiophot und Axioskop mit Fluoreszenz, Zeiss Standards

3nzo

Hallo Manfred,
faszinierende Bilder, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Arbeit.
Dieser Granulationsaspekt bei Phagen und Bakterien (letztes Foto) sind tatsächliche Kapsid- und Membranunregelmäßigkeiten, Präparationsartefakte oder FSEM-Auflösungsgrenzen?
Danke und viele Grüße.

Enzo

Dr. Jekyll

Moin,

eines sollte man auch immer im Hinterkopf behalten: Sehen ist nicht automatisch auch Erkennen!
Selbst wenn ich Bakterien oder in Sonderfällen vielleicht auch Riesenvieren im Lichtmikroskop sehen kann, kann ich sie noch lange nicht erkennen. Es ist hier im Forum ja schon oft die Frage aufgetaucht: Kann ich Bakterien/Viren im Lichtmikroskop sehen?
Da stellt sich mir die Frage: Wozu? Erkennen bedeutet für mich bestimmen oder bestimmbar zu sehen. Das wiederum macht man nicht mit dem Lichtmikroskop. Also sehen alleine ist für mich nutzlos.
Beste Grüße
Harald

MikroManni

Hallo Enzo,

in diesem Vergrößerungsbereich (150 000fach - 200.000 fach) spielen natürlich auch schon Bedampfungsartefakte durch die Belegung der Proben mit Gold-Palladium zur Leitfähigkeit eine Rolle. Beim "Sputtern" lagern sich erst einige Metallatome an, die sich mit der Zeit zu kleineren Inselchen ausbauen. Hier kann man mit anderen Materialien spielen und z.B. Platin anstelle von Gold/Palladium nehmen. Leider kann man solche Platin bedampften Proben nur kurze Zeit aufheben, da es aufoxodiert. Meist werden mehrere Zeiten "gesputtert" und man nimmt die Zeit, in der der Hintergrund neben den Proben homogen erscheint. Dann kann man relativ sicher sein, dass auf den Objekten gesehene Strukturen keine Artefakte zeigen.

Ja, man kann die Kapside auf den Phagen erkennen und auch eine gewisse Struktur auf der Aussenseite der pathogenen Bakterien, die durch äußere Membranproteine hervorgerufen werden. So zeigen Staphylokokken meist eine homogene glatte Oberfläche, wohingegen Streptokokken immer Strukturen auf der Oberfläche zeigen.

Die Auflösung der FESEM Raster-Mikroskope ist wesentlich besser als man für die hier gezeigten biologischen Proben erreichen kann. In der Materialforschung kann man z.B mit Röntgenanalyse Bereiche von 2 nm (0,002 µm) oder weniger analysieren. Hier geht man aber auch oft an Rechtsanschlag der Geräte, also volle Power bei 30 kV Beschleunigungsspannung und ausgeheizter Kathode. Wäre ein Traum für Biologen!  Leider können sich unsere Proben durch den enormen Elektronenbeschuss verändern, aufheizen oder Aufladungen erzeugen, welche oftmals mit einer minimalen Wanderung der Probe während der Aufnahme einhergeht. Als Biologe ist man immer auf einer Gratwanderung, wieviel Elektronenbeschuss kann man riskieren, um ein gutes Bild zu erhalten (guter Kontrast und Auflösung) oder der Zerstörung der Proben.
Aber für biologische Höchstauflösungen haben wir ja jetzt seit einiger Zeit unsere Cryo-Tomographie Experten. Cryo funktioniert ebenfalls für die FESEM Raster-EM ebenfalls (siehe Bild aufgebrochener Bäckerhefen).

Habe auch noch ein Bild eines Influenzavirus A angehängt (in Ergänzung zur gestrigen Antwort), TEM mit Negativ-Kontrastierung mit wässrigem Uranylazetat.

Beste Grüße
Manfred
Axiophot und Axioskop mit Fluoreszenz, Zeiss Standards

jcs

Hallo Manfred,

sehr eindrucksvolle Bilder und äußerst interessante Erklärungen ! Da steckt sicher sehr viel Präparationsaufwand dahinter.

Danke jedenfalls für's Zeigen.

Jürgen

3nzo

Hallo Manfred,
danke für die vollständige erklärung.
Um meine vorherige Frage zu klären: Welche Details kennzeichne ich mit einem Pfeil auf Ihren Fotos? Artefakte oder Moleküle?
Es ist etwas, das in vielen SEM-Bildern zu finden ist, und da ich mich mit dem Thema nicht auskenne, habe ich mich immer gefragt, was das sein könnte.
Danke und viele Grüße.

Enzo

MikroManni

Hallo Enzo,

da stellst Du die Frage aller Fragen. Ich muss jetzt etwas weiter ausholen und dies versuchen zu erklären.

zur Probenvorbereitung:
Alle biologischen Proben, Bakterien, Bakteriophagen oder Zellkulturen, werden in Nährlösungen angezogen. Dies ist eine dicke Brühe von Proteinen, Zuckern und Salzen. Vor der Präparation müssen die Proben geerntet, meist zentrifugiert werden, nachdem diese chemisch meist mit Formaldehyd und/oder Glutaraldehyd fixiert wurden, um die natürliche Struktur festzulegen.
Danach erfolgt das Auswaschen der Fixierlösung mit Puffern, die Salze enthalten. Dies Lösungen werden durch einen 0,2 µm Filter gepresst, um Verunreinigungen zu entfernen. Ein Auswaschen mit reinstem Dest-Wasser geht nicht, da dadurch trotz Fixierung noch Substanzen aus den Proben herausgelöst werden können.
Danach muss ein Wasserentzug erfolgen, da wir im FESEM in einem Hochvakuum arbeiten (im Probenbereich um die 10-7, im Kathodenbereich 10-10). Wasser muss entzogen werden, da sonst etwas wässrige Proben im Hochvakuum durch den Elektronenstrahl gekocht würden. Man verwendet aufsteigende Reihen von Azeton oder Äthanol zum Wasserentzug (10, 30, 50, 70, 90, mehrmals 100% für jeweils 10-30 min pro Schritt).
Nun ist man mit dem Problem der Oberflächenspannung konfrontiert. Lässt man z.B. eine 100% Azetonlösung bei Raumtemperatur stehen, verdampft das Azeton über die Zeit. Leider treten beim Übergang von flüssig zum gasförmigen Zustand Oberflächenspannungen auf, die biologische Proben zerstören, bis kg/mm2. Deshalb muss eine sogenannte kritische Punkt Trocknung mit flüssigem CO2 durchgeführt werden. Dies kann leider nicht mit 0,2 µm Filtern gereinigt werden. Die Firmen haben nur Filter mit 50-100 µm Ausschlussgrenze in ihren Geräten. Daher trägt man mit diesem Schritt Verunreinigungen ein, da Co2 in Stahlflaschen geliefert wird, die an der inneren Stahlwand meist ankorrodiert sind.
Nach diesem Schritt kann man die jetzt staubtrockenen Proben auf Objektträger aufkleben und mit dem entsprechenden Metall zur Leitfähigkeit bedampfen. Dies geschieht auch nicht in einer Reinbank (clean bench), sondern in einem normalen Labor. Das kann wieder Verunreinigungen bewirken.
Die Schichtdicke beträgt etwa um die 5 nm.

Nach diesen 5-7 Stunden Präparation kann man die Proben in das FESEM Raster-EM einschleusen und mit der Mikroskopie beginnen.

Kurz zur Bildentstehung im Raster-EM. Die heutigen Geräte haben alle mehrere Detektoren, die unterschiedliche Elektronen, die von der Probe abstammen, detektieren können. Deshalb liefert jeder Detektor ein  ANDERES BILD DER PROBE (siehe Bild 1). Der gebräuchlichste Detektor ist der SE- Detektor (Sekundärelektronendetektor). Im Prinzip bildet das Raster-EM nicht mit den eingestrahlten Elektronen ab, sondern detektiert die Elektronen, die mit der Probe in Wechselwirkung getreten sind. Dies sind in erste Linie die Sekundärelektronen, auch werden z.B. Röntgenstrahlen emittziert, die zur Elementbestimmung genutzt werden. Diese SE-Elektronen werden durch ein Kollektorgrid/Netz eingefangen, gehen über einen Szintillator in einen Lichtleiter und werden durch einen ausserhalb der Probenkammer angebrachten Photomultiplier (PMT) weiterverarbeitet und letztlich auf dem Monitor dargestellt.
Der Kontrast schwarz-weiss entsteht durch die unterschiedliche Rückstreuung der Sekundärelektronen aus unterschiedlichen Bereichen der Proben. Unsere biologischen Proben sind nicht eben, sondern morphologisch sehr divers. Strukturen, die höher stehen reflektieren mehr Sekundärelektronen, das Bild wird hier hell erscheinen. Strukturen in einer Vertiefung reflektieren weniger, daher wird das Bild dort dunkler. So entsteht der Kontrast von hell und dunkel im Bild.
Als nächster Faktor kommt hinzu, dass unterschiedliche Elemente die Sekundärelektronen besser oder schlechter reflektieren, obwohl die Probe mit z.B. einem homogenem Gold/Palladiumfilm bedampft wurde, da Raster-EM nicht nur die direkte Oberfläche abbildet, sondern auch Informationen unterhalb der Oberfläche detektieren wird. Dies hängt von der sogenannten Beschleunigungsspannung ab, also wie tief dringen die eingestrahlten Elektronen in die Probe ein. Wenige kV (Kilovolt), wie etwa 0.5-1 kV, ergeben ein fast ausschließliches Abbild der Oberfläche der Probe, höhere kV entsprechend eine Mischung aus Oberflächenbild und Bildinformationen aus tieferen Schichten der Probe (Bild 2, in den beiden oberen Bildern erkennt man noch etwas im HIntergrund, auf den beiden unteren wird dies nicht mehr detektiert, da der Elektronenstrahl diese Strukturen durchdringt und keien SE-Elektronen erezugt, erst in den tieferen Schichten).

Für ein gutes FESEM-Bild lässt man den Elektronenstrahl etwa 20 min bei kleiner Vergrößerung auf die Probe einstrahlen, bevor man mit den Aufnahmen beginnt. Hintergrund: man muss eine Art Gleichgewicht zwischen den eintreffenden und reflektierten Elektronen einstellen, um keine Aufladungseffekte während der Bildaufnahme zu bekommen.
Soweit kurz zum technischen Hintergrund.

Das linke und mittlere Bild zeigen Bakteriophagen, die auf Acinetobacter baumannii sitzen, einem Gram-negativem Bakterium. Von diesen ist bekannt, dass sie kleinste Membranvesikel dauerhaft abgeben, sogenanntes "plebbing " der äußeren Membran der Bakterienhülle. Diese werden durch die Fixierung fixiert und stabilisiert, da sie Proteine enthalten und bleiben somit in der Probe sichtbar.  Das rechte Bild zeigt Staphylococcus aureus, der auf einer Agarplatte gewachsen ist, mit Bakteriophagen versetzt wurde und nach 30 min fixiert wurde. Zu dieser Zeit sind schon recht viele Bakterien durch die Bakteriophagen zerstört und das gesamte Bakterieninnere, z.B. Proteine, Membranreste etc (das ist sehr viel Material, siehe Bild 3) ist auf der Agarplatte verteilt. Durch die Fixierung wird auch dies Material durch die Fixerung festgelegt und sichtbar.
Aus diesen "biologischen" Gründen ist zu erwarten, dass man immer irgendwelche anderen Strukturen in den biologischen Proben finden wird, zusammen mit den Verunreinigunegn, die beim Bedampfen leider auch die Tendenz haben als Kristallisationskeime zu dienen und etwas mehr Material anzulagern im Vergelich zu den biologischen Proben und dadurch deutlich im Hintergrund oder auf den Proben sichtbar werden. Weiterhin hat man von dne Puffern meist auch noch kleineste Minikristalle in der Probe, die man bei disen sehr hohen Vergrößerungen, wir reden hier über 150.000 bis 200.000 fach sehen kann. In einer Aufnahme mit 30.000fach würde man dies fast gar nicht erkennen.

Ich habe in die Bilder meine Vermutungen, mehr kann es wirklich nicht sein, eingetragen, was ich für wahrscheinlich halte, was durch die Pfeile gekennzeichnet wurde (Bild4).

Enzo, ich hoffe, dass ich etwas zur Aufklärung Deiner Fragen beitragen konnte. Sollten noch weitere Fragen bestehen, bitte melden-gern auch per PN.

Beste Grüße
Manfred
Axiophot und Axioskop mit Fluoreszenz, Zeiss Standards

3nzo

Hallo Manfred,
Sie haben einen Zweifel beseitigt, den ich seit langem hatte. Ihre Erklärung war umfassend und sehr interessant.
Vielen Dank und schöne Grüße.

Enzo

MikroManni

Hallo Enzo,

Entschuldigung für die Tippfehler in meinen Erläuterungen. Habe leider die noch nicht korrigierte Fassung einkopiert.

Schönen Abend
Manfred
Axiophot und Axioskop mit Fluoreszenz, Zeiss Standards

witweb

Hallo Manfred,

ich bin begeistert und beeindruckt!
Vielen Dank für detaillierten Informationen und Bilder. Echt was gelernt.

Viele Grüße

Michael
Dieser Post wurde aus recycelten Elektronen erstellt
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