Interessante Pilzfunde 61 - Schmalsporiger Samtfußrübling

Begonnen von Bernd Miggel, Januar 09, 2023, 19:09:34 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Allgemeines
Es ist immer wieder ein erfrischender Anblick, im Winter einer Gruppe Samtrüblingen zu begegnen. Der hier vorgestellte Schmalsporige Samtfußrübling ist weit verbreitet und häufig und stellt einen vorzüglichen Speisepilz für die kalte Jahreszeit dar.
Er gleicht dem ,,normalen" Samtfußrübling makroskopisch wie ein Ei dem anderen. Der messbare Unterschied liegt lediglich in der Sporenform, siehe unten.

Lebensweise
Die Art lebt als Schwächeparasit, anschließend als Saprobiont, und zwar auf Laubholz, d.h. er ist lignicol, und ruft im Holz eine Weißfäule hervor. Dabei scheint er das Holz von Weidearten (Salix sp.) zu bevorzugen. Er fruktifiziert vorzugsweise im Winter; dann kann man ihn bei feuchter, nicht zu kalter Witterung oft massenhaft bei Weiden finden. Er wächst büschelig bis gesellig, es kommen natürlich auch einzeln wachsende Exemplare vor.

Bernd Miggel

.
#1
Eckdaten des Fundes
•   Pilzart: Schmalsporiger Samtfußrübling (Flammulina elastica f. longispora (Bas) Redhead & R.H. Petersen 1999).
•   Funddatum: 7. Januar 2023.
•   Naturregion: Nördl. Schwarzwald-Vorland.
•   Fundort: Flächenartiges Naturdenkmal ,,Kuhbrunnenwiesen", Gemeinde Karlsbad, Baden-Württemberg.
•   Substrat: Lebender, aber teilw. vermorschter Salix-Ast am Boden, Optimalphase der Vermorschung, am feuchten Rand eines Grabens (Bild 1).
•   Begleitgehölze: div. Salix sp., Quercus sp., Sambucus sp., Populus x canadensis, Corylus avellana.
•   Wetter bis zum Fundzeitpunkt: Feucht und für die Jahreszeit ungewöhnlich warm.
•   Belegnummer: fnd23021,kuh.


Makromerkmale
Der Hut ist schon früh ausgebreitet, honiggelb, honigorange, gelbbraun oder rotbraun, im Zentrum dunkler, und mit glattem, bei feuchtem Wetter kurz gerieftem Rand (Bild 2). Weiterhin ist der Hut elastisch, glänzend und klebrig, bei feuchter Witterung stark schleimig, meist bis 50 mm, doch manchmal auch bis 80 oder 90 mm im Durchmesser. Die Lamellen sind creme bis ockergelb, stark mit Lamelletten untermischt und sehr elastisch. Der Stiel ist samtig bereift, elastisch, zylindrisch, zuerst creme bis hellocker, bald von unten her in Richtung Dunkelbraun bis Schwarzbraun nachdunkelnd. Die Basis ist meist verjüngt und zum Substrat hin abgebogen. Das Fleisch ist im Hut und oberen Stielbereich weißlich bis creme, im unteren Stielbereich dunkler. Der Geruch ist angenehm, schwach, der Geschmack im Wesentlichen mild.

Bernd Miggel

.
#2
Mikromerkmale
Die Sporen sind lang zylindrisch bis lang ellipsoid, glatt, dünnwandig und hyalin. Die Hochrechnung einer Probe aus 35 repräsentativen Sporen, präpariert in Wasser mit etwas Phloxin, unter Zugrundelegung eines Vertrauensintervalls von 95 %, ergab:
L x B = 7,7-9,9 x 3,0-3,8 µm; Lav x Bav = 8,6-9,0 x 3,4-3,5 µm; Qav = 2,51-2,61; Vav = 51-57 µm3.
Darin sind L Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad = L/B, V Volumen, av average (Mittelwert).

Bernd Miggel

.
#3
Verwechslungsmöglichkeiten
•    Flammulina velutipes (Curt.: Fr.) Sing., der normale Samtfußrübling, unterscheidet sich lediglich durch kompaktere, d.h. weniger schlanke Sporen.
•    Flammulina fennae Bas, der Blasshütige Samtfußrübling, erscheint bereits ab Juni, besitzt einen cremeweißen bis ockerlichen Hut und kürzere, gedrungenere Sporen.
•    Flammulina ononides Arnolds, der Hauhechel-Samtfußrübling, besitzt kleinere Fruchtkörper, größere Sporen und wächst auf abgestorbenen Resten von Hauhechel (Ononis spinosa).
•    Nach BAS, C. et al. (1995) betragen die durchschnittlichen Schlankheitsgrade der Sporen:
o    F. elastica f. longispora: Qav = 2,5-3,05
o    F. velutipes: Qav = (1,8-)2,0-2,3
o    F. fennae: Qav = 1.55-1.70
o    F. ononides: Qav = 1.9-2.3

Literatur
•    BAS, C. et al. (1995): Flora Agaricina Neerlandica Vol. 3: 172-173. 
•    GRÖGER, F. (2006): Bestimmungsschlüssel für Blätterpilze und Röhrlinge in Europa, Teil 1: 248-249.
•    KIBBY, G. (2017): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 1: 94-95.
•    LUDWIG, E. (2001): Pilzkompendium Bd. 1: 137-138. 
•    PETERSEN, R.H. (1999): New species, varieties and combinations in the genus Flammulina. I: 293-294.
https://fundkorb.de/pilze/flammulina-elastica-schmalsporiger-samtfu%C3%9Fr%C3%BCbling


Viel Vergnügen beim Anschauen!
Bernd


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

Gerd Schmahl

Hallo Bernd,
danke für diesen Faden! Da ich diesen Winter noch keine Austernseidlinge gefunden habe, werde ich mal bei den Weiden am Bach schauen... Winterpilze sind eine feine Sache.
Beste Grüße
Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Eckhard F. H.

<Der messbare Unterschied liegt lediglich in der Sporenform, ...>

Hallo Bernd,
vielen Dank für Deinen Beitrag, der sicher viel Mühe und Zeit gekostet hat. Die Artenaufspaltung in Varianten sehe ich zwar eher skeptisch und meine, viel ist Wachstumsbedingungen bzw. Meßverfahren geschuldet. Natürlich wird Dein Beitrag aber meine Aufzeichnungen bereichern, nochmals Dank dafür.
Herzlicher Gruß - EFH

Bernd Miggel


Bernd Miggel

#7
Hallo zusammen,

hier noch ein manueller Tangentialschnitt durch das Holz. Ich habe eine noch relativ unbefallene Stelle ausgesucht, an der das Holz noch gesund = lebend war. Deshalb kann man Pilzhyphen allenfalls erahnen. Bereits der Tangentialschnitt liefert sämtliche Merkmale, die zum Bestimmen der Gattung Salix erforderlich sind:

  • LF Libriformfasern
  • Gefäße (G) mit Einfachen Durchbrechungen (EDB)
  • 1-reihige, heterogene Holzstrahlen (HS)
  • Längsparenchym (PA)