Rädertierplankton im Vorfrühling

[Ole Riemann]

Liebe Mikroskopiefreunde,

In den letzten Tagen war ich gelegentlich an meinem bevorzugten Planktonteich, um zu schauen, ob auch dort schon der Vorfrühling Einzug gehalten hat. Die Phytoplanktondichte war aber noch sehr gering, das Wasser klar und farblos.

Gefunden habe ich jedoch zahlreiche interessante Planktonrädertiere (u.a. Synchaeta pectinata und eine weitere Synchaeta-Art, Brachionus calyciflorus, Keratella quadrata, Polyarthra dolichoptera und Notholca squamula).
 
Insbesondere über Notholca squamula habe ich mich gefreut, da mir die eleganten Rädertiere aus dieser Gattung mit dem zarten Dorsal- und Ventralpanzer, ihrer Durchsichtigkeit und ihrer Wendigkeit beim freien Schwimmen besonders gut gefallen. Nach meiner Erfahrung findet man Vertreter von Notholca besonders in der kälteren Jahreszeit, und dies deckt sich mit Literaturangaben, wonach die Arten der Gattung Notholca kaltstenotherm seien.

Die Netzproben habe ich unter einem Stereomikroskop ausgelesen, einzelne Rädertiere abpipettiert und unter einem mit Vaseline abgestützten Deckglas mikroskopiert und dokumentiert.

Notholca squamula, Habitus von dorsal und ventral:



Ein Weibchen mit auffällig orange-rötlich pigmentierter Eizelle:



Details der inneren Organisation bei einem zurückgezogenen Exemplar:



(Kd=Keimdotterstock, Ez=Eizelle, Hb=Harnblase, Mg=Magen, Md=Magendrüse)

Ein anderes Exemplar mit interessanten anatomischen Einzelheiten:



(In=Intestinum, Ma=Mastax, Nu=Nuklei des Keimdotterstocks)

Fokus auf dem vorderen Panzerrand, die dorsalen Vorderranddornen sind markiert, der ventrale Panzerrand zeigt eine mediane Einbuchtung und, beiderseits davon, seichte Einkerbungen:



Mit der Ölimmersion lassen sich bei festgeklemmten Rädertieren zahlreiche Details ihrer inneren Organisation erkennen – das Rechteck markiert Teile des der Exkretion und Osmoregulation dienenden Protonephridialsystems:



Der markierte Bildausschnitt mit Details des Protonephridialsystems in vergrößerter Darstellung. Eine aus mehreren Cilien zusammengesetzte ,,Wimpernflamme" im Terminalorgan erzeugt einen Flüssigkeitsstrom, der Flüssigkeit aus der Leibeshöhle ansaugt und durch die Kanalabschnitte des Protonephridiums hin zur Harnblase treibt. Die eigentlichen Filtrationsstrukturen (extrazelluläre Matrix, feine Spalträume im Terminalorgan) sind nur elektronenmikroskopisch sichtbar:



(To=Terminalorgan, Ka=Kanalabschnitt)

Die ebenfalls in der Probe vorkommende, glashelle Synchaeta pectinata reizt dazu, mit etwas dunklerer Kontrasteinstellung zu experimentieren:



Schöne Grüße

Ole

[SNoK / Stephan Krall]

Lieber Ole,

sehr schöne Bilder. Neu ist für mich, dass Rädertiere eine Harnblase haben. Wieder was gelernt.

Grüße
Stephan

[Mikro-Tom0805]

Hallo Ole,
Starke Bilder top dokumentiert ..... ein Genuss!

Gruß Tom

[Jürgen Boschert]

Lieber Ole,

der reine Wahnsinn, danke !

[KayZed]

Lieber Ole,

wie immer fein aufgelöste Bilder von dir.
Dein graublauer Hintergrund gefällt mit sehr gut.
Du bist ja ein echter Rädertier-Spezialist.

Hast du denn zufällig in deinem Fundus ein Brachionus sp mit Beschriftung der Organe?

Herzliche Grüße
Klaus

[Aljoscha]

Hallo Ole,

Tolle Bilder!

Ein Exemplar der Gattung Notholca habe ich dieser Tage auch in einer Probe gefunden. Das hatte mehrere Kieselalgen im Magen.

Viele Grüße

Alexander

[Ole Riemann]

Liebe Leute,

Danke für Eure netten Rückmeldungen!

Ja, lieber Alexander, auch die von mir beobachteten Notholca-Exemplare hatten Reste von gefressenen Kieselalgen in ihrem Magen.

Lieber Klaus, ja, ich habe in den Proben auch Brachionus calyciflorus gefunden. Hier wie von Dir gewünscht ein beschriftetes Exemplar bei mittlerer Vergrößerung und noch hoher Schichtdicke, das zwar etwas verwaschen ist, aber zumindest die meisten Organe zeigt. Leider war der Fuß mit den Zehen eingezogen, diese Strukturen bleiben bei der Beschriftung daher außen vor.



(Ma=Mastax mit Hartteilen, "Kaumagen", Md=Magendrüse, Hb=Harnblase, In=dünnwandiges Intestinum, Mg=Magen, Rm=Ringmuskeln, Kd=Keimdotterstock, Lm=Längsmuskeln, Ca=Cerebralauge, Gh=Gehirn, Ro=Loben des Räderorgans)

Schöne Grüße

Ole

[KayZed]

Herzlichen Dank Ole,

genau das war mein Wunsch.
Und es ist ja fast beruhigend für mich, dass du mal Bilder nicht in Höchstauflösung hast.

Ich habe zu einem leicht eingeklemmten Brachionus - weiß jetzt nicht ob es calciflorus ist - einen Videoclip gemacht und möchte mal sehen, welche Organe ich zuordnen kann.

Liebe Grüße
Klaus

[Ole Riemann]

Lieber Klaus,

ich habe mich noch etwas weiter mit den Planktonproben befasst und noch einmal Brachionus calyciflorus untersucht. Hier zwei weitere Bilder mit höherer Auflösung in leicht unterschiedlichen Schärfeebenen, die manche der schon gezeigten Organe klarer darstellen.

Hier kann man besonders gut die Epidermispolster (Ep) erkennen, Epidermiszellen mit bauchigen Zellkörpern, die weit in die Leibeshöhle ragen. Diese Zellen tragen die Cilien des Räderorgans, das als eines der wenigen Organe der Rädertiere zellulär und nicht syncytial organisiert ist:



Die folgende Aufnahme zeigt die in den Magenzellen eingelagerten Öltropfen besonders klar:



Schöne Grüße

Ole

[KayZed]

Ja wunderbar, lieber Ole,

jetzt habe einen reichen Fundus zum Identifizieren meines Brachionus.

Schönen Abend
Klaus