Botanik: Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Juli 28, 2024, 16:28:45 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Eine Duftpflanze – der Wohlgeruch des Gottes.

Die Düfte von Pflanzen begleiteten die Menschen seit alters her. Anfangs brachte man den Göttern Rauchopfer dar, reinigte sich selbst durch Räuchern, Könige wurden gesalbt und beweihräuchert. Spätestens, seit die Menschen auf engstem Raum in Städten wohnten, ohne geregelte Kanalisation und Müllabfuhr, wussten sie die Wohlgerüche von Duftpflanzen zu schätzen. Dabei waren Düfte immer etwas Wertvolles und Kostbares, denn ihre Gewinnung ist aufwendig und nur wenigen Eingeweihten vorbehalten.

Je nach botanischer Lesart unterscheidet man über 70 Arten der Gattung Philadelphus die vor allem in Nordamerika und Ostasien verbreitet sind. Bekannteste Art in Europa ist der Gewöhnliche Pfeifenstrauch, der auch wie manche andere Pflanzenarten Falscher Jasmin genannt wird.
Fossil ist die Gattung seit dem Tertiär (Eozän) nachgewiesen.

Das Tertiär begann am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren und dauerte bis zum Beginn des Quartärs vor 2,6 Millionen Jahren. Das Klima auf der Erde war im Tertiär wesentlich wärmer als heute.
Beim Pfeifenstrauch gibt es zahlreiche Hybriden und Sorten und schwer unterscheidbare Arten.

Bild 01 Habitus, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

Foto: H.-J_Koch

Dieser große Strauch steht in einem Garten in Arrild Dänemark (Juli 2024).
Außerhalb der Blütezeit sind Pfeifensträucher recht leicht mit Deutzien ,,Deutzia" zu verwechseln. Das Zerbrechen eines Zweiges kann weiterhelfen.
Die Zweige der Pfeifensträucher sind innen mit Mark gefüllt, die der Deutzien hohl.
Der Falsche Jasmin Philadelphus coronarius wächst wild in Westasien und Südeuropa in den Südostalpen östlich des Gardasees sowie in der Steiermark.
Häufige Gartenpflanze, seit dem 17. Jahrhundert in Kultur.
Die wildwachsenden Pflanzen Osteuropas werden als Blassblütiger Pfeifenstrauch Philadelphus pallidus bezeichnet, unterscheiden sich wenig vom Falschen Jasmin Philadelphus coronarius.
Der sommergrüner, reich verzweigte, wohlriechende Pfeifenstrauch wird bis zu 5 Meter hoch, viele Hybriden deutlich kleiner. Seine besondere Zierde sind nicht die großen, gegenständigen, ovalen und leicht gezähnten Blätter, sondern die milchig weißen Blüten, die traubig zusammenstehen; sie haben gerundete Kronblätter, viele Staubblätter und strömen einen starken, süßen Duft aus, der dem von Orangenblüten ähnelt.

Bild 02 Blatt mit Blattstiel und die typischen Blattadern auf der Blattspreite, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

Foto: H.-J_Koch
Die Blüten des Pfeifenstrauchs werden ab Ende Mai bis Juni sichtbar und duften wundervoll.

Bild 03 Blatt, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

Foto: H.-J_Koch
Die Blätter sind sehr kurz gestielt (5-10 Millimeter).

Bild 04 Blüten, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

Urheber: Aiwok

Bild 05 Junger Fruchtstand, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

Foto: H.-J_Koch
Fruchtkapseln mit persistierendem Kelch und Griffeln, 4- fächerig, die sich bei der Reife bis zum Grunde spalten und die bis 3 mm langen Samen entlassen.
Die Fruchtreife ist von September bis Oktober.

Der Pfeifenstrauch ist ein Vertreter der Hortensiengewächse Hydrangeaceae, einer Pflanzenfamilie der 17 Gattungen mit 170 Arten, vorwiegend Holzgewächse mit zwittrigen, ansehnlichen Blüten und Kapselfrüchten, angehören.

Die zwittrigen Blüten sind die ursprüngliche Form der Blüte bei den Angiospermen (Bedecktsamer). Hier befinden sich männliche und weibliche Anteile innerhalb einer Blüte, wobei die Staubblätter immer zwischen Kron- und Fruchtblättern sitzen.

Nahezu alle Pflanzen, die vom Menschen verwendet werden, sind Bedecktsamer: Laubbäume, Kräuter, Nutzpflanzen, Süßgräser (wozu auch unsere heimischen Getreidesorten sowie Reis, Mais und Hirse zählen).
Erst in der Kreidezeit (vor 100 bis 66 Millionen Jahren) kamen die sogenannten Bedecktsamer oder Angiospermen hinzu, bei denen die Samenanlagen durch das um sie geschlossene Fruchtblatt (Karpell) geschützt sind.
Die Familie steht den Steinbrechgewächsen verwandtschaftlich sehr nahe und wurde früher als Unterfamilie zu ihnen gezählt.

Systematik:
Ordnung: Hartriegelartige Cornales
Familie: Hortensiengewächse Hydrangeaceae
Gattung: Pfeifensträucher Philadelphus
Art: Europäischer Pfeifenstrauch
Wissenschaftlicher Name: Philadelphus coronarius
Trivialnamen: Blasser Pfeifenstrauch, Falscher Jasmin, Sommerjasmin, Garten-Jasmin oder Bauernjasmin
Englische Bezeichnung: european mock orange, wild jasmin

Der Name Philadelphus leitet sich vom griechischen ,,philein" = lieben und ,,adelphos" = Bruder ab.
Den Beinamen Philadelpho führte Ptolomäus II, König von Ägypten, 285 – 246 v. Chr., er war in zweiter Ehe - damals nicht unüblich - mit seiner eigenen Schwester Arsinoë II. verheiratet.
Das Epitheton coronarius ist lateinisch und bedeutet zum Kranzbinden bestimmt.
In der Botanik wird der zweite Teil des Namens allgemein als ,,Epitheton" bezeichnet.
Linné benannte die Gattung wohl nach Ptolomäus II, der u. a. naturgeschichtlich und botanisch interessiert war-
Carl von Linné, 1707 – 1878, ein schwedischer Naturforscher, der mit der binären Nomenklatur die Grundlagen der modernen botanischen und zoologischen Taxonomie schuf.
 
Warum der Name Pfeifenstrauch ?
Aus den Zweigen schnitzte man früher Flöten. Im 18. Jahrhundert stellte man aus der Basis der Schösslinge auch die Schäfte langer Tabakpfeifen daraus her.

Bild 06 Illustration von Philadelphus satsumanus, ein aus Japan (Honshu, Kyushu) stammender kleiner Strauch.

Bildquelle ist gemeinfrei, ohne Autorenangabe über Wikipedia.Urheber:
Botaniske forening i København.; Dansk botanisk forening.
Marie Thornam (1857–1901).


Teil 1
Spross, Querschnitt
20 Mikrometer

Bild 07 Schnittstellen, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

Foto: H.-J_Koch
Junge Zweige sind braun bis rotbraun, anfangs schwach bis flaumig behaart und verkahlend oder kahl.
Die Rinde löst sich später in länglichen Streifen ab.
Neben normalen, relativ dünnen Zweigen gibt es im Strauch zahlreiche lange, aufrechte. dicke und unverzweigte Zweige.
Die Seitenknospen sind unter den hellen, dreiteiligen Blattnarben verborgen und werden erst bei milder Witterung sichtbar.
Endknospen finden sich nur an jungen Trieben.
Die Sprösslinge werden häufig von Läusen befallen. Hauptschädling ist die Schwarze Bohnen- oder Rübenlaus Aphis fabae.

Bild 08 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 09 Negativaufnahme, ungefärbter Schnitt, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 10 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 11 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 12 Xylem, ungefärbter Schnitt, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 13 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 14 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Autofluoreszenz, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Hans-Jürgen Koch

#1
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf:
1.Pflanzenprobe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 7 Minuten
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.30 Sekunden !!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 1 Minuten
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
Tipp:
Eine schöne Variante erhält man, wenn man in der letzten Färbestufe eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3:1 verwendet. (3 Tropfen Astrablau und 1 Tropfen Acriflavin separat ansetzen und Gemisch mit der Pipette übertragen
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste verbleiben.
9. Entwässern mit 3x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %)
10. Einschluss in Euparal.

Ergebnis:
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Bei der Betrachtung wird eine Kontrastverbesserung bei Verwendung eines BG 38 Filters (blaugrün, 3 mm dick) erreicht.

Fotos: Nikon D5000, Sony alpha 6000

Bild 15 Übersicht, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 16 Detailaufnahme, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 17 Detailaufnahme, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 18 Detailaufnahme, mit Beschriftung, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

MP = Markparenchym, PXY = Protoxylem, MST = primärer Holzstrahl, Markstrahl, XY = Xylem, T = Trachee, PH = Phloem, K = Kambium, J = Jahresringgrenze, RP = Rindenparenchym, PER = Periderm

Bild 19 Detailaufnahme, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 20 Jahresringgrenze, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 21 Phellem, Kork, totes Gewebe, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 22 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius

Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 23 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Europäische Pfeifenstrauch


Phellem (durch Suberin -Einlagerungen – braun); Phellogen - glasig

Teil 2
Spross, Längsschnitt
25 Mikrometer


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 24 Übersicht, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Bild 25 angeschnittene Schraubentracheen im Xylem, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Die wichtigsten Leitelemente des Xylems sind die Tracheen, die eine schraubenförmige Verdickungsleiste besitzen und somit einem Streckungswachstum des umgebenden Gewebes gut folgen können.
Im Frühjahr, wenn der Baum besonders viel Wasser für die Blatt- und Triebentwicklung benötigt, bildet das Kambium sehr weitlumige Gefäße. Diese werden bei den Laubhölzern Tracheen und bei den Nadelhölzern Tracheiden genannt.

Bild 26 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Europäische Pfeifenstrauch Philadelphus coronarius


Verzeichnis der benutzten Literatur:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Bachofer ,,Der Kosmos Baumführer", ISBN: 978-440-14660-6
U. Hecker ,,Bäume und Sträucher", ISBN: 3-8354-0021-7
Peter A. Schmidt ,,Taschenlexikon der Gehölze", ISBN: 978-3-494-01448-7
P. Schütt ,,Lexikon der Bäume und Straucharten", ISBN: 978-3-86820-123-9
P. Schmidt, U. Hecker ,,Die wildwachsenden und kultivierten Laub- und Nadelgehölze Mitteleuropas, ISBN: 978-3-494-01800-3
Bernd Schulz ,,Gehölzbestimmung im Winter", ISBN: 978-3.8166-1138-5
Schmeil ,,Leitfaden der Pflanzenkunde", 1952
,,Welcher Baum ist das?", ISBN: 978-3-440-16449-5
,,Das große illustrierte Pflanzenbuch", 1966
Frances Welland ,,Pflanzen", ISBN: 0-75259-615-2
,,Das Kosmos Wald & Forst – Lexikon" , ISBN: 978-440-15219-5

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen.
Ich recherchiere dann weiter, suche die zugrundeliegenden Studien heraus, werte sie aus und verbinde alles miteinander.
Beim Recherchieren öffnet sich oft nicht nur eine neue Tür, sondern gleich mehrere. Dahinter verbargen sich weitere spannende Informationen.

Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für den informativen Beitrag mit vielen guten Bildern!
Den habe ich natürlich egrne gelistet.

Das Periderm ist nicht so einfach zu lesen. Das Phellem scheint aus mehreren Schichten mit eingelagerten Steinzellen zu bestehen. Phellogen und Phelloderm dürften je nur eine Zelllage dick sein und ganz unten am Übergang zum Rindenparenchym liegen.

Beste Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

#3
Lieber Jörg,

danke.
Zum Bild 23: Ich habe Steinzellen im Periderm gefunden.
Die drei Zellschichten: Phellem, Phellogen und Phelloderm sind schwer zuzuordnen, da das Phellem aus mehreren Schichten besteht.
Ich sehe aber auch Korkzellen.
Du darfst die weißen Pfeile gerne verlängern oder neu platzieren.

Gruß
Hans-Jürgen
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Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

ja, das ist garnicht so einfach. Am Bild bin ich da vorsichtig, das würde ich mir schon gerne im Präparat ansehen. Ich muss mal schauen, ob ich in meiner Sammlung etwas ähnliches habe. Steinzellen im Phellem sind zumindest nicht so selten und bei dieser Art von Periderm ist das Phelloderm in der Regel nur ein bis wenige Zelllagen dick.

Beste Grüße
Jörg 
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