Botanik: der gewöhnliche Wasserdost - Eupatorium cannabinum *

Begonnen von BioExplorer, August 21, 2024, 22:26:12 NACHMITTAGS

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BioExplorer

Hallo liebe Mikroskopiker,
nachdem mein erster Versuch mit dem Histowachs gründlich schiefgegangen ist, musste ich mir erst ein neues kleines Projekt suchen, um es hier vorzustellen.
In diesem Post möchte ich den gewöhnlichen Wasserdost, Eupatorium cannabinum, näher vorstellen.

Der gewöhnliche Wasserdost, auch als gemeiner Wasserdost, Wasserhanf und Kunigundenkraut bekannt, ist eine sommergrüne, krautige Pflanze, die Wuchshöhen bis maximal 175cm erreichen kann.
Er blüht von Juli bis September, ausreichend große Pflanzen stehen also aktuell in voller Blüte, so auch mein Exemplar, welches mit etwa 110cm schon als "relativ groß" angesehen werden kann.

180px-Koninginnenkruid2-blätter.jpg

Die Blätter sind gegenständig und über die gesamte Sprossachse verteilt, das erste Paar befindet sich knapp über dem Boden. Am Nodus des Blattes befinden sich zwei weitere kleinere Blätter. Später entwickelt sich dort dann ein Seitentrieb, jedoch nur bei den oberen Blättern.


Der allgemeine Aufbau ist aus den folgenden Bildern ersichtlich:

330px-Eupatorium_cannabinum_nf-aufbau.jpg
Eupatorium_cannabinum-pflanze.jpg

Allerdings wächst er selten allein, realistischer wäre ein solches Bild:
Eupatorium_cannabinum3-strauch.jpg

Der gewöhnliche Wasserdost ist eine äußerst widerstandsfähige Pflanze, die sich, ursprünglich in Europa und und Teilen von Asien verbreitet, inzwischen in Nordamerika, Afrika und weiten Teilen von Asien verbreitet hat.

Die Blütenstände bestehen aus vielen Einzelblüten. Er ist ein Korbblütler.
Eupatorium_cannabinum_blütenstand.jpg
Eupatorium_cannabinum_blütenkorb.jpg
Eupatorium_cannabinum_einzelblüten.jpg

Aus den Blüten entwickeln sich Achänen mit einer Länge von 2-3 Millimetern.

180px-Eupatorium_cannabinum_früchte.jpg
Koninginnenkruid3-früchte.jpg

Diese Bilder stammen allesamt von Wikipedia.

Für gewöhnlich wächst der Wasserdost, wie der Name schon sagt, in feuchten Habitaten, Waldränder, Fluss- und Seeufern oder auch auf feuchten Wiesen.

Neben seltener Selbstbestäubung wird er für gewöhnlich durch Insekten bestäubt, besonders Schmetterlinge und Schwebfliegen sind dafür relevant. Für erstere bildet der Wasserdost in einigen Fällen eine wichtige Nahrungsquelle, beispielsweise im Spätsommer für den russischen Bären.

In Wasserdost ist eine Vielzahl psychoaktiver Stoffe enthalten. Unter anderem Polysaccharide, Xylane, Eupatoriopikrin, Euparin, Lactucerol sowie ätherisches Öl, Gerbstoffe und Saponine.
Daher wurde er bereits von vorchristlichen Kulturen als Heilkraut verwendet.

Es soll gegen Leiden von Leber, Herz, Galle und Milz helfen.
Ironischerweise kann er in gewissen Mengen der Leber sogar schaden.
Im Mittelalter spielte er in der christlichen Medizin eine spirituelle Rolle. Er galt als Sitz der Hausgeister, sodass er rund um mittelalterliche Bauernhöfe häufig in großen Mengen anzutreffen ist.

Im antiken Griechenland wurde er verwendet, um Insekten-, Skorpion- und Spinnenbisse bzw. -Stiche zu lindern.

Noch heutzutage wird er in vielen Pflanzenarzneien eingesetzt, allgemein anerkannte, aber teilweise nicht zweifelsfrei nachgewiesene Effekte sind unter anderem Schmerzlinderung, Förderung der Wundheilung, Desinfizierung, Fiebersenkend und Appetitanregung.
Der Wasserdost ist ein natürliches antivirales Heilmittel.

Ich habe Schnitte eines Exemplars angefertigt, von der Sprossachse und einem Seitentrieb.
IMG_9667.jpeg
Nach dem Schnitt auf dem Haga Kastenmikrotom wurden die Schnitte für 20 Minuten in 70%igem Ethanol fixiert.
Anschließend wurden sie über Alkoholstufen von 50% und 30% in Ethanol hydriert.
Nun habe ich eine neue Färbung ausprobiert. Nämlich eine Safranin-Astrablau Doppelfärbung.
Als erster Schritt wurde 7 Minuten mit Safranin gefärbt, anschließend wurde mehrfach in destilliertem Wasser gespült und mit 70%igem, salzsauren Isopropanol differenziert.
Anschließend wurde einige weitere Male gespült.
Nun erfolgte die Gegenfärbung mit 1 Minuten Astrablau, das nicht differenziert wurde, sondern nur, wer hätte es gedacht, einige Male ausgespült wurde.
Entwässert wurde in reinem Isopropanol.
Dabei wurde es 3 Mal schnell gewechselt und anschließend verblieben die Schnitte 2 Mal 2 Minuten und 2 Mal 5 Minuten im Isopropanol.
Danach wurde in Euparal eingedeckt.

Zur mikroskopischen Technik:
Die nachfolgenden Aufnahmen entstanden durch eine 5mp Swiftcam am Swift SW 380-T.
Die Bilder wurden leicht bearbeitet, nämlich gestackt und etwas geschärft.

Die Anatomie der Pflanze folgt im nächsten Post.

BioExplorer

#1
Zur Anatomie des gewöhnlichen Wasserdosts.

Hier nun die Sprossachse:

sprossachse.jpg

In der Mitte befindet sich, wie immer das Markparenchym, daran schließt sich der Sklerenchymring an, der hier, wie bei vielen krautigen Pflanzen durchgängig ist und nur von den Leitbündeln unterbrochen wird. Die Kennzeichnung derselben kann hier getrost ignoriert werden, gleich gibt es noch einen Ausschnitt mit besser erkennbarer Beschriftung des Leitgewebes.
Weiter nach außen folgt das Rindenparenchym.
Noch etwas weiter außen folgt der Kollenchymring. Ganz außen dann die Epidermis mit aufliegender Cuticula.

Zu den Leitbündeln:
leitgewebe2.jpg

Das ist ein Ausschnitt aus dem Schnitt durch den Nebenspross, da man hier, wie ich finde, unter anderem durch den besseren Farbeindruck, die einzelnen Strukturen besser differenzieren kann.
Ganz unten findet sich das primäre Xylem inklusive einiger Tracheen. Darüber schließt sich das (sklerifizierte) sekundäre Xylem an.
Darüber wiederum befindet sich das Cambium, anschließend das Phloem und zuletzt etwas Sklerenchym.

Da hätte ich mal eine Frage: zwischen den Leitbündeln sind einige Zellen, die denselben Farbeindruck haben wie Bestandteile der Leitbündel. Zum Beispiel das Cambium.
Bilden diese Bestandteile dann auch einen Ring? Einen Cambium- oder Xylemring beispielweise?

Jetzt zum Querschnitt des Seitensprosses.
Da er sehr ähnlich wie die Sprossachse aufgebaut ist, verzichte ich hier auf weiterführende Erklärungen der Strukturen.
Hier möchte ich anmerken, dass die "unschöne Stelle" ganz links im Bild daher rührt, dass dort ein Blatt befestigt war.


result.jpg

Dieses Bild wurde etwas nachgeschärft und ist aus 10 Einzelbildern gestackt.

Allerdings sind hier noch einige Trichome enthalten, die, wie einigen vielleicht aufgefallen ist, teilweise durchnummeriert sind.
Nach einiger Recherche konnte ich die abgebildeten Arten von Trichomen identifizieren.

Trichome 1 & 9 sind die primitivste Art von Trichom. Ein einfaches oder auch simples Trichom. Es ist ein einfaches Haar, das was wir auch als Behaarung wahrnehmen, und bietet, neben dem gewissen mechanischen Schutz keine besondere Funktion.
Die Trichome 2 & 3 waren ebenfalls noch recht einfach zu bestimmen. Bei ihnen handelt es sich um papilläre Trichome, deren Zweck darin besteht, die Oberfläche der Pflanze zu vergrößern. Daher sind sie recht groß und besitzen meist eine verzweigte, krumme Struktur.
Bei den Trichomen 4,5 & 6 bin ich mir nicht ganz sicher. Es sind entweder kollumnäre oder borstenartige Trichome. Bei beiden besteht der Zweck in Abwehr diverser natürlicher Faktoren (z.B. Sonnenstrahlung) und Vergrößerung der Oberfläche. Borstenartige Trichome produzieren oder speichern manchmal Abwehrstoffe. Beispielsweise sind die Nesselhärchen bei Brennnesseln borstenartige Trichome.
Trichom 8 halte ich für ein glanduläres Trichom, genauer ein Einzelzellen-Trichom.
Maßgeblich für diesen Schluss ist der auffallende Farbeindruck: die Basiszelle rot, die apikale Zelle blau; was darauf hinweist, dass die chemischen Eigenschaften unterschiedlich sind. Das ist ein Hinweis darauf, dass es sich bei der oberen Zelle um eine Drüse handelt, die ein Sekret absondert, das durch Astrablau, nicht aber von Safranin angefärbt wird. Ein Beispiel dafür wäre Harz, was natürlich bei Wasserdost nicht so populär ist.
Hier muss ich aber anmerken, dass das nur Vermutungen sind. Sollte ich Fehler gemacht haben, bitte ich, diese zu korrigieren.

Damit wäre ich fertig und hoffe, dass der Beitrag interessant war.
Ideen, Kritik und Anmerkungen sind natürlich herzlich willkommen!
Liebe Grüße
Felix

K. B.

Hallo Felix,

ein schöner und ausführlicher Beitrag!

Die Färbung gefällt mir, muss ich auch mal ausprobieren.
Die Erklärungen sind auch interessant und schön ausführlich.
Zur Benennung kann ich leider nichts sagen, da ich mich damit nicht so gut auskenne.
Für die Anschaulichkeit könntest du noch an einem Zweig einzeichnen wo die Schnitte genau gemacht wurden.

Viele Grüße
Kay
Mikroskop: Olympus BH-2 BHTU/ BHS mit Trino (DL; PH; Fluo; DF; AL)
                  Zeiss GFL Trinokular (DL; PH; Fluo; AL)
                  Olympus CK2 Invers Trino (DL; PH; Fluo)
                  Olympus GB (DL; PH)
Mikroskopkamera: Canon EOS 550D; EOS RP

BioExplorer

Hallo Kay,
ich habe ein entsprechendes Bild hinzugefügt :)
Liebe Grüße
Felix

Lupus

Hallo Felix,

die Bilder sind z.T. unterbelichtet. Eine einfache nachträgliche Nachbearbeitung ist dadurch möglich, dass man durch Verschieben der entsprechenden Regler im Bildbearbeitungsprogramm für das Histogramm den möglichen Helligkeitsbereich besser ausnutzt. Am Beispiel des dritten Schnitt-Bildes sieht man am eingeblendeten Histogramm den Spielraum für die Nachbearbeitung. Ich habe zur Demonstration ohne sonstige weitere Bearbeitung das Bild auf diese Weise etwas aufgehellt.

Original mit Histogramm 2.jpg

Angehobene Helligkeit der Lichter im Histogramm.jpg

Hubert

BioExplorer

Hallo Hubert,
auf das Histogramm hatte ich eigentlich geachtet und fand, dass es gut aussieht, da muss ich wohl noch an meiner Wahrnehmung von "gut" bei Histogrammen arbeiten.
Danke für den Tipp, nächstes Mal belichte ich mehr.
Liebe Grüße
Felix

Fahrenheit

Lieber Felix,

ein schöner und informativer Beitrag, den ich gerne gelistet habe.

Zu den beschrifteten Bildern:
Das Cambium besteht immer nur aus einer Reihe Zellen. Diese sind als Meristem sehr dünnwandig und im besten Falle ziegelförmig, oft aber auch ein wenig deformiert wie in Deinem Bild zu den Leitbündeln.
Das Ca muss also etwas nach aussen. Das Fragezeichen ist die Sklerenchymkappe des Leitbündels. ich nenne die immer "SklK". Sonst passt es.
In der Übersicht des etwas kantigen Seitensprosses: der Sklerenchymring besteht aus verholzten Zellen und die sind hier rot - also etwas weiter innen.

Beste Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

BioExplorer

Hallo Jörg,
danke für die Korrektur, ich werde darauf in Zukunft achten.
Eine Frage:
ist es üblich, dass die Leitbündel so massiv in das Rindenparenchym hineinragen?
Und was ist dieser blaue Ring direkt über dem Sklerenchymring?
Das ist ja nicht Teil des Sklerenchymrings, aber doch auch kein Parenchym (als "Füllmaterial" sozusagen).

Fahrenheit

Lieber Felix,

ja, das ist bei krautigen Pflanzen normal. 

Wenn Du genau hinschaust, kannst Du auch zwischen den Leitbündeln das Cambium erkennen. Ganz grob ist alles ausserhalb Phloemparenchym, alles innerhalb Xylemparenchym oder Sklerenchym.

Hierzu wirst Du am ehesten in der Pflanzenanatomie von Esau fündig.

Beste Grüße
Jörg
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