Kurze Frage zu einem R. Winkel Fluorit-System Objektiv 8,5 mm und E-Leitz 3F P

Begonnen von GW, Januar 05, 2025, 13:00:39 NACHMITTAGS

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GW

Hallo zusammen,

darf ich mal wieder eine Frage and die Experten stellen? Wie ihr vielleicht aus meinen anderen Beiträgen wisst, bin ich eigentlich in der Welt der astronomischen Teleskope zuhause, es erreichen mich aber aus der weiteren Verwandtschaft immer mal wieder ältere Stücke.
Auf diesem Wege ist ein R.Winkel Mikroskop zu mir gekommen. Mit dabei war ein Set an Objektiven, das ich so noch nicht kannte - was jetzt allerdings auch nicht viel heisst:
- ein Ernst Leitz Nr.3 mit Linsen-Logo
- ein Ernst Leitz Nr.7 ohne Linsen-Logo
- ein wertig verarbeitetes, aber unbenanntes Nr.4
- ein Otto Seibert Nr.1
- ein Ernst Leitz 3F 12x und P
- ein R.Winkel Fluorit-System 8,5 

Schon mal herzlichen Dank für ein bisschen Licht im Dunkel.
Beste Grüße
Gerhard 

purkinje

Hallo Gerhard,
Nr 1 entspricht einer Vergrößerung von ca 3,5:1;
Nr 3 ≈ 10:1
Nr 4 ≈ 20:1
Nr 7 ≈ 60-63:1 (alle Durchlicht)
Beste Grüße Stefan

Peter_le

Hallo Gerhard,

Schöner Fang. Insbesondere beim Fluorit-System kann man schon neidisch werden.

Was ist denn deine Frage?

Grüße
Peter

GW

Hallo Stefan,

vielen Dank für deine hilfreichen Erläuterungen & Einstufung. Mit dieser Abstufung
der Vergrößerungen ist das R. Winkel dann sicherlich gut ausgestattet gewesen.

Die beiden anderen Objektive haben daher wahrscheinlich entweder nicht dazu gehört
oder waren für eine ganz andere Anwendung gedacht.

Herzliche Grüße
Gerhard 

GW

Hallo Peter,

vielen Dank und zum einen dachte ich laienhaft Fluorit-Systeme würden eher zu Mikroskopen aus neuerer Zeit gehören und habe so ein "antikes" Objektiv noch nie gesehen - daher ist wahrscheinlich mehr ein Fragezeichen wozu es zu diesen Zeiten mit einem einfachen Kondensor verwendet werden konnte als schon eine präzise Frage  ;)

Das andere Objektiv F 12x P sagt mir noch viel weniger, da kann ich nicht mal die Kürzel zuordnen.

Beste Grüße
Gerhard   

GW

Meine weitere Verwandtschaft schickt mir immer wieder mal (meist aufgrund eines traurigen Anlasses) antike Stücke, die irgendwie etwas mit Optik zu tun haben, getreu dem Motto der macht doch was mit Teleskopen :) Was mich dann aber manchmal ratlos sein lässt, zumindest wandern die schönen Stücke aber nicht in eine Haushaltauflösung und sind im schlimmsten Fall verloren.   

Peter_le

Meines Wissens stammen die ersten Fluorit-Systeme überhaupt von R. Winkel Göttingen.

Mit ein paar Bildern mehr, insbesondere vom Objektiv, können hier Experten sogar das Alter eingrenzen.  Steht nichts von Zeiss drauf, ist es von VOR 1930.

Wie ist eigentlich der Zustand? Am Anfang gab es wohl Probleme, weil der natürliche Fluorit, Haltbarkeitsprobleme.

Ich habe zwei Winkel-Zeiss Göttingen Objektive, von denen das mit höherem Abbildungsmaßstab Nebel/Tröpfchen o.ä. hat, die wohl aus unsachgemäßer Behandlung über die Jahrzehnte mit ihren Herausforderungen stammen.

GW


Hallo Peter,
vielen Dank und das war mir nicht bewusst, dass R.Winkel hier die ersten bei Fluorit Systemen waren. damit macht es natürlich absolut Sinn, dass es beim Mikroskop dabei war oder es der Onkel später dazu erworben hatte.

Ich habe mal versucht ein paar Bilder zu machen und hoffe man kann etwas darauf erkennen. Zum Zustand des Objektives trage ich mir keine Aussage zu, ich habe es nur mal vor mein Notebook gehalten und versucht durch zu fotografiert. 

Beste Grüße
Gerhard

purkinje

Hallo,
Fluorite sind ja Halb-Apochromate, diese wurden bei Winkel wohl ab 1893 gebaut (Q: Labormikroskop Winkel 1893), da hatte Zeiss Jena im Katalog v. 1889 bereits Apochromate. Also früh dran waren sie bei Winkel (Leitz hatte ab ca 1913 welche), aber nicht die Ersten.
Beste Grüße Stefan

GW

Hallo Stefan,

nochmals vielen Dank für die Erläuterungen und den Link, das ist alles super interessant.
Die Anwendungen waren dann wahrscheinlich ähnlich die der Halb-Apochromaten.

Beste Grüße
Gerhard 

beamish

Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

beamish

Über die Grundlagen der Verwendung von Fluorit in der Optik hat Ernst Abbe 1890 geschrieben (siehe Anhang).
Aus dem Artikel geht hervor, daß bei Zeiss in Jena bereits 1884 die ersten Mikroskopobjektive mit Fluoritlinsen gebaut wurden.

Grüße
Martin

Abbe_1890_Fluorit.pdf
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

GW

Guten Abend Martin,

herzlichen Dank für die umfassenden Informationen und dann werde ich mich gleich mal einlesen.

Ich muss immer wieder feststellen, dass bei allen Grundkenntnissen der Optik, ohne die man natürlich auch in der Astronomie nicht sehr weit kommt, die Mikroskopie mit ihren verschiedenen Formen der Kontraststeigerung schon nochmal eine ganz andere und deutlich komplexere Welt darstellt.

Daher ganz besonderen Dank für die Expertise und die Bereitschaft diese immer wieder zu teilen.
Ich werde die schönen Stücke, soweit es mir möglich ist, gut bewahren und sollte jemand Interesse daran haben, lasst es mich bitte gerne wissen - ich werde sie mangels einer profunden Kenntnis leider nicht in ihrem eigentlichen Sinne nutzen können.

Herzlichen Grüße
Gerhard

purkinje

Hallo Martin,
Dank Dir auch für die Informationen, sehr schön fand ich dass Mikroskopiker auch damals schon zu den Jägern, Sammlern und Rettern vor dem Verfall gezählt werden mussten:
"...darunter einige theilweise kopfgrosse, wasserklare Krystalle (Würfel), aus Kellern und Ställen hervorgesucht, hat Verfasser im vorigen Jahr noch von Enkeln der ursprünglichen Finder erstanden und für die Optik gerettet."  ;D
Beste Grüße Stefan

Peter_le

Zitat von: purkinje in Januar 05, 2025, 16:15:21 NACHMITTAGSHallo,
Fluorite sind ja Halb-Apochromate, diese wurden bei Winkel wohl ab 1893 gebaut[...] da hatte Zeiss-Jena bereits Apochromate. Also früh dran waren sie bei Winkel (Leitz hatte ab ca 1913 welche), aber nicht die Ersten.

Abend Stefan, Martin,

Danke für die Datierung & Quellen. Aber es ändert nichts daran, dass Winkel die ersten Semi-Apochromaten verkauft habe.

Nur weil Zeiss die ersten Apochromaten hatte und auch vermutlich früher einen Semi-Apochromaten auf den Markt gebracht hätte können, ist es trotzdem eine Leistung von R. Winkel.

Ist auch witzig, dass Apos nicht als Fluorit-Systeme bezeichnet werden, obwohl es welche sind. Klar, Abgrenzung und so.


Disperse Grüße
Peter