Yellow dots – was der Farb-Laserdrucker über uns verrät!

Begonnen von Horst Wörmann, Mai 04, 2025, 19:22:20 NACHMITTAGS

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Horst Wörmann


Abb. 1: Farblaser-Ausdruck mit gelber Markierung (,,Yellow Dot") in der Bildmitte. Obj. 20x

Den wenigsten Benutzern eines Farb-Laserdruckers ist bekannt, dass sein Drucker einen unsichtbaren, geheimen Code auf jedes Blatt druckt. In diesem Code sind in verschlüsselter Form mindestens die Drucker-Seriennummer, meist auch das Druckdatum enthalten: Der ,,Machine Identification Code", MIC. Die Markierung ist für das bloße Auge praktisch nicht zu erkennen, aber mit einigem Aufwand sichtbar zu machen.
Anhand der so im Dokument eingebetteten Geräte-Seriennummer ist ein Ausdruck eindeutig bis zum Drucker, auf dem er ausgedruckt wurde, zurückverfolgbar. Für Behörden oder Forensiker ist damit eindeutig nachzuweisen, wer einen bestimmten Ausdruck angefertigt hat.
In Betriebsanleitungen oder Kaufunterlagen ist die Codierung nicht erwähnt, es ist also dem Anwender nicht bekannt, dass er verfolgbar ist. Die Verschlüsselungsmethoden werden geheim gehalten, sie sind von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Das Verfahren ist somit völlig intransparent, und es ist auch unklar, wer wirklich dafür verantwortlich ist und wer die Möglichkeiten des Zugriffs besitzt. Weil fast alle Laser-Farbdrucker betroffen sind, liegt der Schluss nahe, dass gewisse Regierungsbehörden den Herstellern diese relativ kostenträchtige Methode ,,nahegelegt" haben.
Es gibt hier wie immer zwei Seiten: Einerseits können Fälschungen forensisch leicht nachgewiesen werden. Im konkreten, hier untersuchten Fall ging es um ein per Farblaser gedrucktes amerikanisches Testament (was in USA anscheinend anerkannt wird). Es sollte bewiesen werden, dass alle Seiten mit demselben Drucker am selben Tag  angefertigt wurden, somit keine Seite nachträglich ausgetauscht wurde.
Andererseits werden persönliche Daten ohne Wissen des Anwenders weitergegeben, was nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zumindest sehr fraglich ist.
Wie zur Zeit in den USA zu erleben, können in kurzer Zeit alle rechtsstaatlichen Garantien zusammenbrechen und in Folge persönliche Daten aller Art missbraucht werden – Vorsicht ist also angebracht.

Wie funktioniert die Codierung?
Sehr kleine gelbe Punkte – die ,,Yellow Dots" - werden auf das Papier gedruckt, die wegen des geringen Kontrasts (gelb auf weißes Papier) und der geringen Größe von 180 bis 25 µm mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind: Abb. 1 und 2, zum Vergleich in Abb. 3 eine Markierung (links) und rechts einen Punkt in der kleinstmöglichen Schriftgröße 8 pt.


Abb. 2: Bei geringerer Vergrößerung wird eine Gruppe von fünf Punkten erkennbar. Obj. 2,5x


Abb. 3: Größenvergleich: Codierungspunkt (links) und Satzzeichen ,,Punkt" in Schriftgröße 8 pt.

Mikroskopisch sind diese Markierungen wegen ihrer Kleinheit nur schwer zu finden;  es gelingt am besten im weißen Durchlicht mit niedriger Vergrößerung.
Die Punkte sind in einem bestimmten Raster angeordnet, und die Verteilung der Punkte in einer Art Matrix bildet die Codierungsinformation. Diese Matrix wird auf der gesamten Druckseite in regelmäßigen Abständen wiederholt. Damit ist sichergestellt, dass irgendwo auf dem Blatt mindestens ein vollständiges, decodierbares Muster zu finden ist, ungestört durch bedruckte Stellen. Die gelbe Farbe ist mit Absicht gewählt: durch entsprechende Filterung eines Scans kann Gelb leicht ,,extrahiert" und so ein kontrastreiches, weitgehend ungestörtes Bild erhalten werden.
Nachweis des MIC
Die Druckseite wird eingescannt, um einen mit Bildbearbeitungsprogrammen auswertbaren Datensatz zu erhalten. Die Datei wird dann mit einem Bildbearbeitungsprogramm wie Photoshop oder ImageJ bearbeitet.
Zweckmäßig schneidet man einen scheinbar weißen Ausschnitt heraus (als ROI, Region of Interest), Abb. 4. Im ersten Schritt wird über ,,Color Channel" das RGB-Bild in HSV umgewandelt und der S-Kanal selektiv extrahiert. Das resultierende Bild erscheint meist schwarz (Abb. 5), aber durch passende Einstellung von Helligkeit, Kontrast und Gamma wird nach einigem Probieren plötzlich ein Punktmuster erkennbar. Das Bild wird durch Filterung wesentlich verbessert: z.B. mit Gauss-Filterung und morphologische Filter (,,Dilate"). Dann sollte ein Bild wie in Abb. 6 entstehen: Die Matrix ist deutlich erkennbar, die Wiederholungen des Musters fallen sofort ins Auge.

      
Links: Abb. 4. Scan des Ausdrucks: keine Markierungen sichtbar, eine scheinbar weiße Fläche.
Mitte: Abb. 5: S-Kanal aus dem HSV-Datensatz extrahiert, ohne Korrekturen. Die Fläche erscheint schwarz, ohne sichtbare Punkte.
Rechts: Abb. 6: Nach Filterung wie im Text beschrieben tritt das Punktmuster klar hervor.

Decodierung des MIC
Aus dem Punktmuster eine Matrix zu extrahieren ist wegen der Geheimhaltung keine triviale Aufgabe. Richter et al. konnten einen Algorithmus zur Decodierung beschreiben und herausfinden, dass bestimmte Muster bekannten Herstellern zuzuordnen sind. Anhand dieser Daten konnte das Muster aus Abb. 6 einem OKI-Drucker zugeordnet werden. 

   
Abb. 7: links das aus dem Ausdruck von Abb. 6 extrahierte Muster, rechts das einem OKI-Drucker zuzuordnende Muster nach Richter, Pattern 2.
Richter und seine Arbeitsgruppe haben herausgefunden, dass die drei roten Punkte in Abb. 7 wohl eine Startmarkierung darstellen, während die Zeilen 2 bis 5 herstellertypisch für OKI sind, Zeilen 11 und 21 sind Prüfzeilen. Weitergehende Dekodierung ist nicht gelungen. 

Gegenmaßnahmen
Bei einem Verfahren der Uni Dresden werden die Muster auf dem Druckerpapier analysiert und mit der App ,,deda Toolkit" in den freien Feldern weitere Punkte ergänzt, so dass das ursprüngliche Codewort nicht mehr erkenn- und entschlüsselbar ist. Die Software ist aber nicht leicht zu installieren und eignet sich nicht für Computer-Laien.
Schwarz/weiß-Laserdrucker und Tintenstrahldrucker sind zunächst unverdächtig, aber man muß aber davon ausgehen, dass auch diese identifiziert werden können, wie die forensische Fachliteratur lehrt.
Der vollständige Artikel samt Literaturangeben ist auf unserer Bonner Webseite.

Ist leider etwas umfänglich geraten, dachte aber, das wäre eine schöne Anwendung des Mikroskops.

Viele Grüße aus Bonn
Horst Wörmann



Jürgen Boschert

Lieber Horst,

herzlichen Dank für diesen wirklich interessanten Beitrag, kannte ich so noch nicht.
Beste Grüße !

JB

Thomas Böder

Hauptmikroskope: Leitz Panphot, Ortholux, Zeiss Nf u. Technival u. Citoval 2, Reichert Zetopan
Kleinmikroskope: reichlich...

Peter T.

Hallo Horst,

echt ein super interessanter Beitrag (und mal was echt Neues!).
Liebe Grüße
Peter

anne

Lieber Horst,
danke für Deine immer wieder spannenden Beiträge!
lG
anne

witweb

Dieser Post wurde aus recycelten Elektronen erstellt
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Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18 mit Fluoreszenz-Auflichtkondensor IV FL
Lomo Biolam, Motic SMZ-168
Canon EOS 750D
https://mikrokristalle.net
https://www.youtube.com/@Mikrokristalle

Daniel Scheibenstock

Danke für den Bericht! 🙂

Die gelben Punkte sind tatsächlich ziemlich schnell zu finden...
In Zukunft müssen die Erpresserbriefe wohl wieder aus ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben gebastelt werden. 😄
Leica DMRB HC (DL, Pol)
Motic BA310 LED (DL: PH; DF;POL, AL: POL)
Zeiss Universal (DL: Fluo; POL AL: Fluo,POL. DIC)
Zeiss IM35 (DL; PH; Fluo;POL)
Bresser Stereolupe

Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=48126.0

Aljoscha

Zitat von: Daniel Scheibenstock in Mai 05, 2025, 10:10:07 VORMITTAGDie gelben Punkte sind tatsächlich ziemlich schnell zu finden...
In Zukunft müssen die Erpresserbriefe wohl wieder aus ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben gebastelt werden. 😄

Ach was, der kontemporäre Erpresser druckt im Copy Shop oder er verschickt Emails von einem Server in Nigeria.

Gerd Schmahl

Hallo Horst,
wieder mal ein ähnlich fundierter Beitrag wie zu den Sicherheitsmerkmalen der Banknoten. Ein schönes Beitrag, aber irgendwie auch beängstigend, wenn man nicht weiß wer die Druckerbauer dazu "überredet" hat dergleichen zu implementieren. Sehr aufschlussreich auch die Quellenangaben auf der Bonner Webseite zum ausführlichen Artikel, wie z.B. die Anfrage im Deutschen Bundestag.
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Peter V.

Hallo,

Geheimdienste setzen daher schon länger wieder auf die gute alte Schreibmaschine:

https://www.dw.com/de/schreibmaschinen-bremsen-spione/a-16974950

Herzliche Grüße
Peter

PS @ Horst: Ein superinteressanter Beitrag! Vielen Dank dafür.




Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Nochnmikroskop

Hallo Horst,

interessanter Beitrag, vielen Dank auch für die Hintergründe und den Link.

Zum Einscannen habe ich mal zwei Fragen.
1. Manche Scanner / Kopierer hinterlassen selber solche MICs. * Welchen Scanner hattest Du verwendet?
2. Diese o.g. gelben MICs sind ca. 50 µm im Durchmesser. Bei den "guten" Flachbettscannern für Negative und Dias wird eine Auflösung von max. ca. 30 LP/mm erreicht. Ist es da sicher genug die Drucke zur Identifizierung einzuscannen?

Mein alter Arbeits-Farblaserdrucker (Kyocera Multifunktionsgerät) weist ebenfalls codierte Ausdrucke auf. Da sind die MICs allerdings ca. 140µm breit.
Man kann die gelben MICs durch Farbänderung einfacher sichtbar machen, direkt im Foto aus dem Mikroskop. Hier habe ich einfach die Funktion "Farbton" in XnView verwendet und die gelben Punkte in blaue umgewandelt.

*vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Machine_Identification_Code

LG Frank

Anmerkung: dritter Anlauf etwas hier im Beitrag zu Posten, beim Absenden wurden diese ohne Rückmeldung gelöscht. Mal sehen, ob es nun klappt.

Anlage 
Panorama- und Detail Aufnahme eines Kyocera Farblaserdruckers

1. Teil des Panoramas mit Affinity Designer ausgewertet. Dabei suchte ich gleiche Markierungen. Das Panorama war aber vermutlich nicht groß genug um sicher alle wiederholte Merkmale finden zu können. 
MIC Kyocera-Farblaserdrucker 3.jpg

Kyocera MIC 20250506_153449-1500Px.jpg
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Muschelbluemchen

Hallo,

danke für den interessanten Beitrag - diese Sache ist aber schon lange bekannt.
So wurden dazu schon 2005 Beiträge veröffentlicht.

Z.B im Druckerchannel: https://www.druckerchannel.de/artikel.php?ID=1239

oder hier ab Seite 19: Die Datenschleuder #86
wo auch ein paar Gründe angeführt werden, warum die Druckerhersteller dies einführten.

Ich frage mich nur wie dies nun mit der DSGVO zusammengeht, da zumindest der Druckerhersteller dies
in einer zur Verfügung gestellten Datenschutzerklärung anführen müsste.
Da wäre interessant, welche Rechtsgrundlage der Druckerhersteller dafür anführt.

LG
Leo

Horst Wörmann

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vielen Dank für's Lob! Hätte nicht gedacht, daß ein so abseitiges Thema Interesse findet.

Zu Franks Frage 1: Das ist ein EPSON ET4850, Tintentankdrucker mit Scanner, Scan mit 1200 dpi.
Frage 2: Die Auflösung hat bei meinen Testdrucken gereicht. Die Punkte unterscheiden sich je nach Drucker wohl in der Größe. Konkretes kann ich nicht sagen, ich habe erst 4 verschiedene Drucker geprüft. Weil man die Punkte gut im Mikroskop erkennen kann und deren Abstände in x- und y-Richtung bekannt sind, könnte man auch einen Motortisch nehmen und gezielt abfahren, dann die gefundenen Punkte in eine Matrix eintragen. Werde ich bei Gelegenheit mal probieren.

@ Leo: Die Druckerhersteller führen das nicht in einer Datenschutzerklärung oder sonst einem Dokument an, so weit mitr bekannt ist. Anfragen an die Hersteller werden nicht beantwortet.

Viele Grüße
Horst

Nochnmikroskop

Hallo Horst,

vielen Dank für die weiteren Informationen.

Das Thema ist schon spannend. Die gelben Toner werden dann wohl als erstes getauscht, gutes Geschäftsmodell.  ;D
Ähnlich wie bei meinem Epson Tintenstrahler. Da wird immer eine Reinigung des Druckkopfes durchgeführt, die Anzahl druckbarer Seiten ist dann natürlich wesentlich geringer, als die Patronen angeben, ein Schelm wer böses denkt.

LG Frank
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