Botanik: Wald-Geißbart Aruncus dioicus *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, September 30, 2025, 09:03:11 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

In schattigen und feuchten Wäldern der Alpen und des Zentral - Apennin (Hügel- und Bergregionen) trifft man den Wald-Geißbart.

Der Apennin beginnt im Nordwesten Italiens und zieht sich bis in den äußersten Süden des Landes, wo er sich in einzelne kleinere Gebirgsteile aufteilt und seine Fortsetzung in den Gebirgen Nordsiziliens findet.

Das Wald-Geißbart ist ein 3 – 4 Meter windender, sommergrüner Strauch.
Der Wald-Geißbart (Aruncus dioicus) ist eine ausdauernde krautige Pflanze und gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Er ist auf der ganzen nördlichen Hemisphäre weit verbreitet, und man findet ihn zerstreut in Schluchtwäldern, an Gebirgsbächen und Steilhängen, wo er große Bestände bilden kann. Wo er nicht wild vorkommt, ist er oftmals aus Gärten ausgewildert.

Er ist leicht an seinen breiten, 2- oder 3 gefiederten Blättern mit ihren kleinen, ovalen Blättchen (nicht mit Einzelblättchen zu verwechseln) zu erkennen, besonders aber durch seine große verzweigte, kolbenförmige Krone.

Die Zweige sind über ihre ganze Länge mit cremeweißen, sehr kleinen (4 oder 5 mm Durchmesser) Blütchen überzogen, so dass sie wie breite Federn aussehen.

Bild 01 Habitus, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Blattpflanze mit Blütenrispen im Hochsommer (Juni – August).
Von Robert Flogaus-Faust - Eigenes Werk, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=83998595
Das kräftige Rhizom trägt aufrechte Stängel, die sich nicht verzweigen und weit unten verholzen.

Seine Blätter sind dünn, bis zu einem Meter lang, doppelt dreizählig, 2-3 fach gefiedert und ohne Nebenblätter. Jung Blätter sind meist rötlich überlaufen.

Bild 02 Blätter, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Foto: H.-J_Koch

Bild 03 Blattoberseite, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Foto: H.-J_Koch

Bild 04 Blattunterseite, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Foto: H.-J_Koch

Bild 05 Ausschnitt eines Blütenstandes, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Foto: H.-J_Koch
Die Blütezeit ist von Juni – Juli.

Der Wald-Geißbart ist meist zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch), also befinden sich männliche und weibliche Blüten auf verschiedenen Pflanzenexemplaren.

Es gibt also rein männliche und rein weibliche Pflanzen des Wald-Geißbarts, und man benötigt männliche und weibliche Pflanzen nebeneinander, um Samenproduktion zu ermöglichen.

Die weiblichen Blütenstände sind reinweiß, die männlichen cremeweiß; ein einzelner Blütenstand beherbergt bis zu 10.000 Blüten. Die nur drei Millimeter breiten Blüten sind kurz gestielt, radiärsymmetrisch und fünfzählig. Bei der Frucht handelt es sich um eine Balgfrucht mit jeweils drei bis fünf lanzettlichen Samen.

Die großen Blütenstände stehen endständig und bestehen aus in Rispen angeordneten dünnen schmalen und 20-30 Zentimeter langen Ähren, die wie die gesamte Infloreszenz (Blütenstand) leicht überhängen.

Bild 06 Fruchtstand, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Verfasser: Syp

Bei dem Wald-Geißbart stehen im Frühsommer in einer Rispe Hunderte von Blüten und er erzeugt je blühender Pflanze Hunderttrausende, ja Millionen von Samen.

Die Samen des Geißbarts sind extrem leicht und an den Enden geflügelt.
Sie sind so klein, dass rund 10.000 auf ein Gramm gehen. Deshalb können sie durch den Wind leicht verweht werden.
Das leichte Samenkorn des Wald- Geißbarts wiegt nur 0,00008 g. (Quelle: Das Kosmos Wald & Forst-Lexikon).

Ich frage mich:
Wo sollen in ihnen so viele Nährstoffe gespeichert sein, dass der Keimling Notzeiten übersteht ?.

Wissenswertes:

Waldgeißbart in der Volksmedizin und Medizingeschichte
Aruncus dioicus ist eine alte Heilpflanze, die Samen enthalten Saponine, die Blätter in geringen Mengen eine organische Blausäureverbindung.

Geißbart enthält Saponine. Diese Seifenstoffe sind traditionell als Schleimlöser bei Husten beliebt.

Verwendete Pflanzenteile:
Vor allem die Wurzel, auch Kraut und Samen.
Der Wald-Geißbart ist essbar – in Norditalien kocht man die jungen Pflanzen als Spargelgemüse. Roh sollte man sie keinesfalls genießen, denn sie enthalten Blausäure-Glykoside, die erst beim Kochen zerfallen.

In der Volksmedizin und bei Nahrungsknappheit wurde Waldgeißbart wie Mädesüß eingesetzt, das ,,natürliche Aspirin".

Manche Medizinhistorikerinnen und Medizinhistoriker vermuten, dass Waldgeißbart und Mädesüß dabei schlicht verwechselt wurden.

Nur das Mädesüß (Filipendula ulmaria) wird traditionell als Heilpflanze bei Erkältungen, Kopfschmerzen und rheumatischen Beschwerden eingesetzt, da sie Salicylate enthält, die im Körper zu Acetylsalicylsäure (ASS) umgewandelt werden.
Der Waldgeißbart erinnert optisch an Mädesüß.

Systematik:
Ordnung:  Rosenartige Rosales
Familie:  Rosengewächse Rosaceae
Unterfamilie: Spiraeoideae
Gattung:  Geißbärte Aruncus
Art: Wald-Geißbart
Wissenschaftlicher Name: Aruncus dioicus
Syn.: Aruncus sylvester Kostel. ex Maxim., Spiraea aruncus L., Aruncus vulgaris (Maxim.) Raf. ex H.Hara
Englische Bezeichnung: Goat's Beard
Die Erstveröffentlichung erfolgte 1788 unter dem Namen (Basionym) Actaea dioica durch Thomas Walter in Flora Caroliniana, secundum ..., S. 152.

Die Neukombination zu Aruncus dioicus (Walter) Fernald wurde 1939 durch Merritt Lyndon Fernald in Rhodora, Band 41 (489), S. 423 veröffentlicht.

Bild 07 Illustration, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Quelle: http://www.biolib.de
Verfasser: Johann Georg Sturm (Maler: Jacob Sturm)
Dieses Werk ist gemeinfrei.


Teil 1
Spross, Querschnitt
30 Mikrometer

Die Pflanzenproben habe ich im Juli 2025 in Bad Harzburg gesammelt.
Lagerung im AFE – 1  Gemisch.

Bild 08 Schnittstellen, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Foto: H.-J_Koch

Bild 09 Übersicht, ungefärbter Schnitt, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 10 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 11 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Autofluoreszenz, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf:

1.Pflanzenprobe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 7 Minuten
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.15 Sekunden !!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 1 Minuten
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
Tipp:
Eine schöne Variante erhält man, wenn man in der letzten Färbestufe eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3:1 verwendet. (3 Tropfen Astrablau und 1 Tropfen Acriflavin separat ansetzen und Gemisch mit der Pipette übertragen.
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste verbleiben.
9. Entwässern mit 3x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %)
10. Einschluss in Euparal.
Ergebnis:
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Bei der Betrachtung wird eine Kontrastverbesserung bei Verwendung eines BG 38 Filters (blaugrün, 3 mm dick) erreicht.
Fotos: Nikon D5000, Sony Alpha 6000

Bild 12 Übersicht, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 13 Detailaufnahme mit Beschriftung, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

MP = Markparenchym, PXY = Protoxylem, XY = Xylem, PMS = primärer Markstrahl, PH = Phloem, T = Trachee, SK = Sklerenchym, RP = Rindenparenchym.

Das primäre Xylem ist hier recht ausgeprägt.
Der Wald-Geißbart (Aruncus dioicus) ist eine Großstaude mit einem offenen, kollateral Leitbündel-Typ.

Ein Ein offenes, kollaterales Leitbündel ist ein Pflanzenmerkmal, das durch das Vorhandensein eines Kambiums zwischen dem Xylem (Holz) und dem Phloem (Siebteil) gekennzeichnet ist. Diese Struktur ermöglicht das sekundäre Dickenwachstum der Pflanze, was bei vielen zweikeimblättrigen Pflanzen vorkommt und ihnen ermöglicht, breiter und stärker zu wachsen. .

Bild 14 Detailaufnahme, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 15 Kambium, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 16 Übersicht, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 17 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 18 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Teil 2
Spross mit Seitentrieb,  Längsschnitt
25 Mikrometer

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 19 Aufgeklebter Spross, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 20 Übersicht, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 21 Übersicht, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 22 Detailaufnahme, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 23 Detailaufnahme, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 24 Detailaufnahme, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 25 Detailaufnahme, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 26 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz,  Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 27 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Bild 28 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Teil 3
Blattstiel, Querschnitt
20 Mikrometer

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 29 Schnittstelle, Wald-Geißbart Aruncus dioicus

Foto: H.-J_Koch

Bild 30 Übersicht, Wald-Geißbart Aruncus dioicus


Verzeichnis der benutzten Literatur:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Aichele ,,Was blüht denn da?", 03553-5
Hans-E. Laux ,,Wildbeeren und Wildfrüchte" ISBN: 3-440-05125-0
Frances Welland ,,Pflanzen", ISBN: 0-75259-615-2
,,Der Kosmos Pflanzenführer", ISBN: 978-3-44016318-4
,,Tiere und Pflanzen", ISBN: 978-3-440-14136-6
,,Welche Blume ist das ?", ISBN: 978-3-440-16450-1
,,Das große illustrierte Pflanzenbuch", 1966
,,Der neue Kosmos Tier- und Pflanzenführer", ISBN: 3-440-07286-X
Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen.
Ich recherchiere dann weiter, suche die zugrundeliegenden Studien heraus, werte sie aus und verbinde alles miteinander.
Beim Recherchieren öffnet sich oft nicht nur eine neue Tür, sondern gleich mehrere. Dahinter verbergen sich weitere spannende Informationen.

Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Hans-Jürgen

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Peter T.

Lieber Hans-Jürgen,

danke für diesen informativen Beitrag!

Wie immer ausgezeichnete Schnitte und Färbung.

Eine Frage: Riecht der Wald-Geißbart auch so gut wie das Mädesüß oder ist das ein Unterscheidungsmerkmal?

Den Beitrag liste ich natürlich sehr gerne.
Liebe Grüße
Peter

Hans-Jürgen Koch

Lieber Peter,

danke.

Ich habe keine Ahnung, das persönliche Geruchsempfinden ist subjektiv.
Der Wald-Geißbart (Aruncus dioicus) und das Mädesüß (Filipendula ulmaria) haben unterschiedliche Geruchsprofile.

Mädesüß riecht sehr charakteristisch süßlich-wummrig nach Honig und Moschus, oft als angenehm blumig beschrieben.

Wald-Geißbart hingegen hat einen milderen, eher grasig-erdigen Duft, der weniger süß ist.
 
Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"