Botanik: Große Klette Arctium lappa - „Stachelkopf“ *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, November 12, 2025, 13:48:20 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Das Verbreitungsgebiet dieser Pflanze ist Mittel- und Südeuropa, südliches Skandinavien und Asien. In Deutschland nur zerstreut verbreitet.

Bild 01 Habitus, Große Klette Arctium lappa

Quelle: Christian Fischer, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4470042

Je nach Art können Kletten Wuchshöhen von 50 bis 300 cm erreichen. Sie zeichnen sich vor allem durch ihre fast kugeligen, rosafarbenen Blütenstände aus, die aus vielen einzelnen Röhrenblüten zusammengesetzt sind und die man meist von Juli bis September bewundern kann.

Bekannt sind auch ihre charakteristischen Fruchtstände, die gern an Kleidung oder in Hundefellen haften bleiben.

Ich bin über 50 Jahren täglich mit unseren Hunden im Gelände unterwegs, von Kletten habe ich noch keinen befreit.

Kletten sind meist zweijährig. Das bedeutet sie keimen zum Beispiel im Frühjahr, bilden aber im ersten Jahr nur eine Blattrosette, die den Winter überdauert.
Im zweiten Jahr erst entwickelt sich der Blütenstand mit Blütenköpfchen. Mit der Samenreife schließt die Klette ihre Entwicklung ab und die Pflanze stirbt ab. Wächst die Klette aber an einem besonders günstigen Standort oder wird sie am Blühen gehindert, kann eine Pflanze auch mehr als zwei Jahre alt werden.
Ebenso charakteristisch, wenn auch nicht sichtbar, ist die kräftige, bis zu einem Meter in den Boden reichende Pfahlwurzel von Kletten. Sie wird schon seit langer Zeit ihrer Heilwirkung wegen geerntet.
Arcetium lappa besitzt eine fleischige, braune, spindelförmige, Wurzel die ästig verwurzelt ist.

Die Klettenwurzel enthält Schleim und Inulin. Inulin ist ein wasserlöslicher Ballaststoff.

Die Große Klette spielt in der Schulmedizin keine Rolle, galt aber in der Volksmedizin als harn- und schweißtreibendes Mittel. Tatsächlich wirken die Inhaltsstoffe antibiotisch.

Antibiotisch bedeutet, dass etwas gegen Bakterien wirkt und diese abtötet oder ihr Wachstum hemmt. Es kann sich auch auf andere Mikroorganismen wie Pilze oder Protozoen beziehen.
In der Homöopathie ist die frische Wurzel offizinell (d.h. als Arzneimittelgrundlage zugelassen), wie beispielsweise die Alantwurzel ((Inula helenium) oder Meisterwurzel (Peucedanum ostruthium).
Sie liefert die Droge Arctii radix, auch bekannt unter dem Namen Bardanae radix, denn die Klette wird auch als ,,Bardane" bezeichnet.
Bardanae radix besteht aus den getrockneten Wurzeln.

Inhaltsstoffe:
45 % Inulin (Ballaststoff,), ferner Schleimstoffe, u. a. Xyloglucane, wenig ätherisches Öl, fetter Öl, verschiedene Pflanzensäuren, Kohlenwasserstoff, Polyine und Bitterstoffe.

Die medizinische Verwendung der Kletten im Altertum wurde in den Schriften von Galenos von Pergamon, auch Galenus genannt, (griechischer Arzt), Dioskurides und Plinius erwähnt.
Auch im Mittelalter waren sie im Gebrauch und wurde z. B. von Hildegard von Bingen (in ihrem ,,Physica") beschrieben.

Die Physica (auch Liber simplicis medicinae) ist ein naturkundliches Werk der Äbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179).
Die hakelige Hülle hat die Menschen schon früh dazu inspiriert die Große Klette als Haarwuchsmittel zu verwenden. Heute ist sie in der Kosmetik bei schuppiger Kopfhaut im Einsatz.

Bild 02 Große gestielte Grundblätter, Große Klette Arctium lappa

Foto: H.-J_Koch

Die Blätter sind ganzrandig und gestielt, auf der Unterseite kahl oder schwach graufilzig behaart.

Bild 03 Kugelförmiger Blütenkorb mit den typisch hakigen Hüllblättern, Große Klette Arctium lappa

Quelle: Christian Fischer, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4470391

Die Widerhaken der Klettfrüchte waren Vorbild für den Klettverschluss
1951 ließ der Schweizer George de Mestral, diesen Verschluss patentieren.
George de Mestral war ein Schweizer Ingenieur.
Er meldete sein Patent in der Schweiz an und schuf die Marke VELCRO.
Ein mindestens in 19. Jahrhundert zurückgehender französischer Name der Klette, ,,Bouton de Soldat" (Soldetenknopf), zeigt jedoch, dass die Idee schon älter ist.

Die rot-violetten kugelförmigen Blütenköpfchen stehen an den Stängelspitzen in lockeren Schirmtrauben.

Bild 04 Reife Fruchtstände, bereit zur Anhaftung an tierischen Passanten, Große Klette Arctium lappa

Verfasser: Paul Henjum
Die zahlreichen Hüllkelchblätter sind an der Spitze hakig einwärts gebogen und mitunter behaart.

Bild 05 Sammelfrucht, Große Klette Arctium lappa

Foto: Roger Culos

Systematik:

Ordnung: Asternartige Asterales
Familie: Korbblütler Asteraceae
Unterfamilie: Carduoideae
Tribus: Carduinae
Gattung: Kletten Arctium
Art: Große Klette
Wissenschaftlicher Name: Arctium lappa
Trivialnamen: Butzenklette und kurz Klette, Rossklettenwurz
Syn.: Arctiumm majus, Lappa communis, Lappa major, Lappa officinalis,
Lappa vulgaris
Englische Bezeichnung: Greater burdock

Der Name ,,lappa" = griechisch bedeutet festhaltend, ergreifend, somit auf die an den Kleidern festhaftenden Früchte hingewiesen wird.

Bild 06 Illustration, Große Klette Arctium lappa

Quelle: Aus David Hoffmann, ,,Kräutermedizin"

Teil 1
Spross, Querschnitt
25 Mikrometer

Bild 07 Schnittstellen, Große Klette Arctium lappa

Foto: H.-J_Koch

Bild 08 Übersicht, ungefärbter Schnitt, Große Klette Arctium lappa


Bild 09 Negativaufnahme, ungefärbter Schnitt, Große Klette Arctium lappa


Bild 10 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Große Klette Arctium lappa


Bild 11 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Große Klette Arctium lappa


Bild 12 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Autofluoreszenz, Große Klette Arctium lappa

LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 13 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Autofluoreszenz, Große Klette Arctium lappa


Bild 14 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Autofluoreszenz, Große Klette Arctium lappa


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf:
1.Pflanzenprobe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 7 Minuten
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.15 Sekunden !!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 1 Minuten
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
Tipp:
Eine schöne Variante erhält man, wenn man in der letzten Färbestufe eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3:1 verwendet. (3 Tropfen Astrablau und 1 Tropfen Acriflavin separat ansetzen und Gemisch mit der Pipette übertragen.
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste verbleiben.
9. Entwässern mit 3x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %)
10. Einschluss in Euparal.

Ergebnis:
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Bei der Betrachtung wird eine Kontrastverbesserung bei Verwendung eines BG 38 Filters (blaugrün, 3 mm dick) erreicht.
Fotos: Nikon D5000, Sony Alpha 6000

Bild 15 Übersicht, Große Klette Arctium lappa


Bild 16 Detailaufnahme mit Beschriftung, Große Klette Arctium lappa

XY = Xylem, T = Trachee, MP = Markparenchym, SK = Sklerenchymkappe, RP = Rindenparenchym, PH = Phloem

Der Spross zeigt im Markparenchym eine doppelte Reihe von Leitbündeln.
Oben sind lang gestreckte Leitbündel mit großen Sklerenchymkappen zu sehen.
Es handelt sich hier um ein geschlossenes kollaterales Leitbündel ohne Kambium.
Bei den Kletten gibt es kein sekundäres Wachstum.

Sekundäres Wachstum bei Pflanzen ist die Zunahme der Dicke, die durch die Teilung von Zellen im Kambium verursacht wird.

Bild 17 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Klette Arctium lappa

Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 18 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Klette Arctium lappa


Bild 19 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Klette Arctium lappa


Bild 20 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Klette Arctium lappa


Teil 2
Spreitengrund, Querschnitt
25 Mikrometer

Bild 21 Große Bodenblätter, Große Klette Arctium lappa

Quelle: https://susanna-komischke.de/pflanzenwiki/index.php/Gro%C3%9Fe_Klette_%28Arctium_lappa%29

Der Spreitengrund (auch Blattgrund oder Blattbasis) ist ein botanischer Fachbegriff und bezeichnet das untere Ende der Blattspreite (der flächige Teil des Blattes), an dem diese in den Blattstiel übergeht oder, bei sitzenden Blättern, direkt an der Sprossachse (Stängel) ansetzt.

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 22 Übersicht, Große Klette Arctium lappa


Bild 23 Übersicht, Negativaufnahme, Große Klette Arctium lappa


Bild 24 Detailaufnahme, Große Klette Arctium lappa


Bild 25 Mehrzelliges Trichom, Große Klette Arctium lappa


Trichom (vom griechischen tríchōma für ,,Haar") bezeichnet in der Biologie verschiedene haarähnliche Strukturen oder Anhängsel auf der Oberfläche von Organismen.

Bild 26 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Klette Arctium lappa


Teil 3
Blattstiel, Querschnitt
25 Mikrometer

Der Blattstiel ist rinnig gefurcht.
Im Rindenparenchym erkennt man Leitbündel, diese geben dem Blattstiel das gewellte Aussehen.

Es gibt keine Lakunen.

In der Botanik bezeichnet eine Lakune eine Lücke im Leitbündelsystem der Sprossachse, die durch die Abzweigung eines Blattstiels entsteht. Diese Lücken können je nach Pflanzenart unterschiedlich sein, zum Beispiel einspurig (unilakunär), zweispurig (dilakunär) oder vielspurig (multilakunär). Diese anatomischen Merkmale sind systematisch interessant und helfen, Pflanzen zu identifizieren und zu klassifizieren.

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 27 Übersicht, Große Klette Arctium lappa


Bild 28 Detailaufnahme, Große Klette Arctium lappa


Bild 29 Leittbündel, Große Klette Arctium lappa


Bild 30 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Klette Arctium lappa


Verzeichnis der benutzten Literatur:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Aichele ,,Was blüht denn da?", 03553-5
Hans Joachim Conert ,,Flora in Farbe", 1995
Dieter Ennet ,, Lexikon der Heilpflanzen" , ISBN: 3-933203-96-1
Maria-E, Lange-Ernst ,,Lexikon der Heilpflanzen", ISBN: 3-8299-5488-3
Schönfelder ,,Das neue Handbuch der Heilpflanzen", ISBN: 978-3-440-12932-6
Schmeil ,,Leitfaden der Pflanzenkunde", 1952
,,Botanica" Das Abc der Pflanzen, ISBN: 3-8290-0868-6
,,Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen", ISBN: 978-3-89996-508-7
Bertram Münker ,,Wild Blumen"
,,Der Kosmos Tier- und Pflanzenführer", ISBN: 3-440-07286-X
,,Welche Heilpflanze ist das?", ISBN: 978-3-440-10798-0
,,Was blüht denn da?", ISBN: 978-3-440-11379-0
,,Das große illustrierte Pflanzenbuch", 1966
,,Welche essbare Wildpflanze ist das?", ISBN: 978-3-440-16445-7
,, Heilpflanzen und ihre Kräfte", 1985
Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen.
Ich recherchiere dann weiter, suche die zugrundeliegenden Studien heraus, werte sie aus und verbinde alles miteinander.
Beim Recherchieren öffnet sich oft nicht nur eine neue Tür, sondern gleich mehrere. Dahinter verbergen sich weitere spannende Informationen.

Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Wutsdorff Peter

Grüß´ Dich Hans-Jürgen,
wieder ein interessanter Beitrag! Gratulation!
Bild 28 ist blau, Bild 29 grün, worin liegt der Unterschied? Kletten haben wir so ca. 1948 den Mädchen in die Haare/Zöpfe geworfen. Sie mögen es mir verzeihen
Gruß Peter W

Hans-Jürgen Koch

Hallo Peter W.,

danke für deine Rückmeldung.

Das unterschiedliche Farbergebnis entsteht durch das Mischungsverhältnis der Wacker-Färbung.

Siehe Arbeitsablauf:

Punkt 7.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).

Dieses Verhältnis habe ich verändert in 2 : 1

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Peter T.

Lieber Hans-Jürgen,

prachtvolle Bilder sind das! Die Übersicht des Sprossquerschnitts ist schon gigantisch.

Das letzte Bild hat etwas ungemein Plastisches.

Schöne Grüße

Peter


P.S. Natürlich  kommt die Klette in die Botanik-Liste
Liebe Grüße
Peter

Jürgen Boschert

Lieber Hans-Jürgen,

erneut ein rundum Sorglospaket, sehr lehrreich und mit perfekten Bildern untermauert. Danke!
Beste Grüße !

JB

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jürgen,

es freut mich, wenn dir mein Beitrag gefällt.

Gruß nach Mannheim.
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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