Hauptmenü

Auge der Fliege

Begonnen von Jürgen H., April 05, 2010, 16:04:56 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker

Eine Fliege (musca domestica) lag schon des längeren im Alkohol und dann im Paraffinblöckchen bei mir herum. Heute habe ich mich erstmals ans Schneiden gewagt und hier ist ein erstes Ergebnis:



Das Auge ist transversal geschnitten, d.h. von der Dorsal- zur Ventralseite in Scheiben. Man blickt also im Bild von oben auf den Fliegenkopf, wobei der nach hinten und himmelwärts gerichtete Teil der Einzelaugen des linken Komplexauges abgebildet ist. Das Komplexauge ist bereits etwas angeschnitten. Am unteren Bildrand sind daher  die auf der auf der Kopfoberseite liegenden Einzellinsen bereits entfernt, ebenso  dort darunter liegenden Kristallzellen.  Zu erkennen sind daher am unteren Bildrand im Querschnitt die jeweils unter den Linsen und Kristallzellen liegenden  Rhabdomere, den Rezeptoren, in denen die einkommenden Photonen in elektrische Reize umgewandelt werden; sie sind also ebenfalls quer geschnitten. Besonderes deutlich sind sie jeweils in der Mitte der Einheiten  in der der dritten und vierten  Reihe von unten als dunkelblau gefärbte Punkte zu erkennen, jeweils umgeben von fünf kreisartigigen Gebilden, den Retinulazellen.

Nach der Literatur sind die Rhabdomere der jeweils benachbarten Ommatidien (= der gesamte Apparat, der jeweils unter einen eigenen Linse liegt) miteinander neuronal verschaltet. Da das Komplexauge  kugelförmig ist, trifft also ein und derselbe Lichtreiz, der in einem Omatidium ein Rhabdomer rechts außen trifft, im rechts nachfolgenden Ommatidium auf das mittlere Rhabdomer und im noch weiter rechts folgenden Ommatidium auf das Rhabdomer links außen, so dass funktionell ein Ommatidium nicht eine Grundeinheit bildet, sondern vielmehr mehrere Ommatidien miteinander im Gehirn zusammengefasst werden.

Etwas tiefer geschnitten (hier das rechte Komplexauge im Transversalschnitt) sieht man die Rhabdomere bereits als längliche Striche. Sie erstrecken sich also stäbchenförmig ins Körperinnere und bestehen aus senkrecht zum erkennbaren dunkelblau gefärbten Strich stehenden Mikrovilli, einem Stäbchensaum, der lichtmikroskopisch nicht mehr auflösbar ist:




Aufgenommen ist das - noch nicht ganz trockene - Präparat mit dem 40er Objektiv. Gefärbt habe ich den Schnitt recht einfach mit Weigerts Eisenhämatoxylin ohne Gegenfärbung (Vielen Dank, Herr Renz, für den Hinweis auf diese einfach Variante der Eisenhämatoxylinfärbungen). Fixiert habe ich in alkoholischer Bouinlösung, eingebettet über Iso und N Butylalkohol. Geschnitten mit Leica-Einmalmesser (Dank an Klaus Herrmann) mit Klingenhalter (Besonderer Dank an Detlef Kramer! Der Messerhalter funktioniert wunderbar mit meinen alten kleinen Leitzmikrotömchen!) in Schnittstärke von ca. 7.5 µ.

Ich habe den Schnitt nur mit Wasser aufgeklebt, mit Rücksicht auf die Hämatoxfärbung. Ich wollte ein Anfärben des Eiweißfilmes auf jeden Fall vermeiden. Leider schwimmen mir dann die chitinösen Teile des Präparates ab. Da muss ich noch eine vernünftige Lösung finden. Und als Warnung für alle, die die Färbung versuchen wollen: Sie reagiert augenscheinlich sehr empfindlich auf kalkhaltiges Wasser, das es bei mir am Heimatort gibt. Zum Aufkleben hatte ich entmineralisiertes Wasser verwendet. Das enthielt offenbar immer noch sehr viele Kalkgrisselchen, die sich mit der Färbung leider ebenfalls mit anfärben.

Mikrogrüße

Jürgen Harst

Jürgen H.

#1
Lieber Mitmikroskopiker,

anbei ein paar neue Schnitte bzw. Photos meines Fliegenauges.


Zunächst einmal eine Übersicht über die Ommatidienregion:



Außen rechts die Cornea  C, die offenbar nicht aus Einzellinsen besteht, wie bei meiner Stelzmücke, sondern aus einem Stück, das aus einer Vielzahl von Cornealinsen besteht. Es folgt der Kristallkegel unter jeder Einzellinse, der im Bild nicht erkennbar ist, der aber verortet werden kann, weil um ihn herum die Hauptpigmentzellen PZ eine Art Becher ausbilden, in dem der Kristallkegel liegt. Am Grund des Bechers sind die Semperzellen SZ zu erkennen, aus denen der Kristallkegel in distaler Richtung (körperauswärts gerichtet) wächst. Unterhalb der Becher die Kerne der Sinneszellen RZ, die die dunkelblau gefärbten Rhabdomere R ausbilden. Sie sind die eigentlichen lichtempfindlichen Organe. Wie im Photo schön zu sehen, fusionieren die Rhabdomere nicht, sondern verlaufen unfusioniert bis zur Basalmembran BM. Unterhalb dieser Basalmembran ist bereits ein Teil des Gehirns, die Lamina ganglionaris LG ganz links im Bild zu erkennen.

Die Färbung erfolgte nach Azan Geidies.

Und hier noch einmal die annähernd gleiche Situation ein paar Schnitte tiefer in Eisenhämotoxylin Weigert, etwas in Richtung Körpermitte verschoben:




Man erkennt in dieser Färbung schon ganz gut die Situation hinter der Basalmembran M: Einzelne Neuronen aus den Ommatidien werden hinter der Basalmembran zusammengeführt. Beispielsweise meine ich zu erkennen, das ein mit dem Rhabdomer R1 verbundenes Axon N1 mit dem Rhabdomer R 2 bzw dem zugehörigen Axon N2 an der Stelle C zusammengeführt wird. In jedem Fall verlaufen die Axone unter der Basalmembran teilweise in etwa senkrecht zur Richtung der Rhabdomere unter der Basalmembran, jedoch nie auf weite Strecken. Sie münden alle in der Lamina, deren Struktur auffällig säulenartig ist. Schon aus dem Schnitt wird wahrscheinlich, was auch in der Literatur zu lesen ist: die Axone einzelner Rhabdomere werden in der Lamina zusammengefasst zu sogenannten Cartridges, und werden dort offenbar gemeinsam verarbeitet.

Der Effekt ist ebenfalls in der Literatur nachzulesen: Ein einfallender Lichtpunkt wird von benachbarten Ommatidien und den dortigen Rhabdomeren gleichzeitig gesehen und gemeinsam ausgewertet, was den Effekt einer Lichtverstärkung mit sich bringt. (Siehe auch mein voriger Beitrag)

Hinter der Lamina ganglionaris ergibt sich folgende Situation:



Ganz rechts oben  im Bild noch die Lamina LG mit ihren Cartridges. Hier liegt der Ort der Cartridges noch weitgehend an der Stelle, der dem Lichteinfall entspricht.

Auffällig ist, wie wenig Neurone aus der Lamina entspringen. Weiterhin fällt auf, dass auch die Medulla wieder in Cartridgeform zu bestehen scheint. Auf dem Weg zwischen Lamina und Medulla überkreuzen sich die Axone  in einem Chiasmus CH mit der Folge, dass in der Medulla M nunmehr "hinten" liegt, was "vorne" als Licht einfällt.

Nach Dettner/Peters soll der Chiasmus ohne Funktion sein, nur aus der postembrionalen Entwicklung resultieren. Näher aufklären konnte ich dies nicht. In jedem Fall folgt hinter der Medulla ein zweiter Chiasmus, so dass auch dort in Gehirn wieder "vorne" ist, was "vorne" vom Auge wahrgenommen wird, und ebenso "hinten" wieder "hinten" ist. Der zweite Chiasmus ist noch nicht im Bild.

Sowohl innerhalb der Lamina als auch innerhalb der Medulla soll es nach der Literatur Axone geben, die senkrecht zu den Cartridges verlaufen, diese miteinander verknüpfen. Solche Tangentialneuronen sind jedoch bei dieser Färbung nicht sichtbar, wohl anscheinend bei einer Golgifärbung.

Viel Freude beim Anschauen. Kommentare sind natürlich wie immer erwünscht.

Mikrogrüße

Jürgen




A. Büschlen

Hallo Jürgen,

ich bin einfach beeindruckt und freue mich an deiner wunderbaren Arbeit.

Freundliche Grüsse

Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

wieder eine sehr schöne Darstellung! Auch von mir vielen Dank, insbesondere für die lehrreichen Erläuterungen zur Anatomie des Komplexauges.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Peter Kerwien

Hallo Jürgen,

vielen Dank für die gelungenen Darstellungen. Wenn ich deine Fotos sehe, kommt mir immer wieder die Zeit meiner Diplomarbeit in Erinnerung, damals habe ich mich durch die Gehirne vieler Grillen geschnitten.

Viele Grüße
Peter Kerwien
Peter Kerwien

gern per "Du"
http://www.zauberhafte-natur.de

Jürgen Boschert

Hallo Namensvetter,

ich kann mich meinen Vorpostern nur anschließen - einfach traumhaft.
Aber sag´mal: Wie machst Du das mit dem Zeit-Management ?

Beste Grüße !

JB
Beste Grüße !

JB

Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

Herzlichen Dank für eure Worte.....

Eine kleine Ergänzung zum ersten Beitrag und ersten Bild habe ich eben im Netz gefunden, ein Querschnitt durch ein Fliegenommatidium in elektronenmikroskopischer Aufnahme:



Die quer geschnittenen Rhabdomere sind hier mit R 1 bis mit R 7 bezeichnet. Wenn man das elektronenmikroskopische Bild mit meinem Photo vergleicht, findet man sich schnell wieder.... Was das Elektronenmikroskop darüber hinaus zeigt, ist, dass die Rhabdomere jeweils nach innen gerichtet an der Spitze der zugehörigen Zellen liegen.

Lieber Namensvetter Jürgen: Zeitmanagement? Wieso? Überraschenderweise ist die Fertigung von den Präparaten gar nicht so zeitaufwendig. Insgesamt dauert es zwar einige Tage, bis so ein Präparat fix und fertig ist.  Man braucht aber ja nicht immer dabei zu sein. Beim Fixieren und Entwässern sowie beim Paraffinbad liegt das Objekt halt immer einen halben bis einen Tag in der entsprechenden Flüssigkeit, man muss es nur regelmäßig umsetzen. Das Schneiden mit dem Schlittenmikrotom dauert allerdings länger, da opfert man dann ein paar Stunden für ein paar Objektträger. Hier bei der Fliege habe ich jeweils 14 Querschnitte auf einem Träger und bisher 6 O-Träger bestückt. Entparaffinieren, Alkoholreihe, Färben und Eindecken braucht Zeit und Ruhe, ist aber bei Azan Geidies in  etwa zwei Stunden und bei H-E oder Eisenhämatoxylin wesentlich schneller getan.

Man lässt halt das Fernsehn und schaut lieber nah durchs Mikroskop...

Mikrogrüße

Jürgen


Nutzer nicht mehr aktiv

Hallo Jürgen

Man das sieht ja mal wieder Super aus.
Wieder mal schön an zu sehen. Wenn du Präparate übrig hast, nehme ich gerne mal welche  :D

Schade das ich keine Möglichkeit habe, so zu schneiden. Mit dem Handmikrotom ohne Paraffinblöckchen wird das nichts.
Solche Dinge bleiben für mich weiterhin unmöglich. Gerade weil ich auch so was mal gerne mit meinen Flechten machen würde.
Aber dadurch habe ich Handschneiden gelernt  ;)


Jürgen H.

Lieber Mike,

Meine ersten Paraffinpräparate habe ich mit Handzylindermikrotom und  Rasiermesser geschnitten. Anfangs etwas Botanisches. Alles mehr schlecht als recht. Dann per Zufall ein Glücksgriff mit diesen einfachen Mitteln. Da hat es mich erwischt. Ich hab dann allerdings lange gebraucht, bis ich die zufällige Qualität dieses zufällig gelungenen Präparates wieder einmal erreicht habe.

Wenn ich dann mal soweit bin, dass der Zufall weitgehend ausgeschlossen ist, hab ich bestimmt auch Präparate übrig

Mikrogrüße Jürgen

Ralf Feller

Hallo Jürgen,
danke und Respekt, großartige Ergebnisse, ich habe viel gelernt.

Gruß Ralf