Trichocera annulata Horizontal Übersicht

Begonnen von Jürgen H., Mai 22, 2011, 20:13:06 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

Anbei ein Übersichtsstitch aus 28 Bildern  einer Trichocera annulata.

Bezogen auf den Kopf handelt es sich um einen Horizontalschnitt etwa am ventralen Ende des Unterschlundganglions. Aufgrund der Kopfstellung der Mücke ist der Thorax dann beinahe quer geschnitten.



FM  = Flugmuskulatur
MD  = Mitteldarm quer
S    = Stigma (Atemöffnung im Thorax)
SH  = Stigmenhöhle
F    = Fettkörper
LD   = paarige Labialdrüse ( die beiden violett gefärbten Kreise)
G    = Nerv (Ganglionknoten?)
P    = Perikarien (Die Zellkörper, die ihre Axone in die eigentliche Gehirnmasse senden, sitzen außen um die Ganglienknoten)
UG  = Unterschlundganglion
Ph   = Pharynx
PhD = Pharynxdilatoren
T    = kleine Trachee, die hinter den Komplexaugen verläuft
NV  = neuronale Verbindungen hinter den Komplexaugen, die einzelne Ommatidien zu neuronalen Einheiten verbinden, bevor die erste Verschaltung in dem ersten der optischen Loben, der
L    = Lamina beginnt
?    = Diese Auswüchse finde ich insbesondere in der Halsregion öfter. Sie scheinen teils von Nervengewebe durchzogen zu sein, so dass ich annehme, dass die Mücke hiermit
       ihre Halsstellung kontrollieren kann. Die beweglichkeit des Halses ist erstaunlich. Bei den Präparaten habe ich Mücken gehabt, die ihren Hals in seitliche Richtung um
       fast 90 Grad verdreht hatten.

Viel Freude beim Anschauen. Ich hoffe die Stitchdatei ist nicht zu groß.

Mikrogrüße

Jürgen



Ronald Schulte

Jürgen,

Ein sehr schönen Schnitt und den stitch ist auch von feinsten. Ich mag das sehr wenn ein Totalbild gegeben wird.
Nur das Fragezeigen kann ich dich auch nicht beantworten. Gibt es bei euch kein 'Insekteninstitut' die es weis.
Vielleicht könnte ich für dich mal eine frage stellen am Uni von Wageningen.
Schicke mir mal ein Detailaufnahme.

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Jürgen H.

#2
Lieber Ronald,

hier aus der oben gezeigten Übersicht die Detailaufnahme des Halsauswuchses:



Es wäre sehr schön, wenn sich die Funktion klären ließe!

Herzlichen Gruß

Jürgen

Holger Adelmann

Wieder sehr schön, lieber Jürgen.
Ein perfekter Schnitt ! Auch die Chitin-Zerreißungen sind minimal und stören die Ästhetik nicht im mindesten.
Hast Du die Mücke zum Fixieren angestochen ? Hast Du nun irgendetwas brauchbares zum Erweichen des Chitins gefunden ?

Herzliche Grüsse
Holger


Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

leider hatte ich mich bei der Bezeichnung der Mücke vertan. Es handelt sich um eine Wintermücke, Trichocera annulata. Ich habe meine Überschriften daher berichtigt.

Lieber Holger,

in der Tat ist es wohl sehr wichtig, dem Fixans und dem Einbettungsmitteln genügend Zutritt zu verschaffen. Die Mückchen sind unmittelbar nach dem Abtöten zwischen Abdomen und Thorax zerschnitten, die Beine sind in Höhe der Coxen entfernt. Aber das mache ich schon seit einiger Zeit. Chitinerweichung benutze ich nicht.

Ob es an einer leicht geänderten Einbettungsweise liegt, dass diese Mücke recht gut "gekommen" ist, kann ich noch nicht sagen; weitere Versuchstierchen liegen gerade im Einbettungsvorgang, um zu sehen, ob das Ergebnis reproduzierbar ist. Vielleicht ist dieses Mückchen nur ganz gut gelungen, weil sein Chitinpanzer noch nicht sehr ausgehärtet war.

Mikrogrüße

Jürgen

A. Büschlen

Guten Tag Jürgen,

ich bewundere immer wieder deine sehr schönen Präsentationen!

Ich habe selber keine Erfahrung mit dem einbetten und schneiden von Insekten aber trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass sich Insekten in ihrer Entwicklung vom Ei zum adulten Tier mehrmals häuten. Kurz danach ist ihr Chitinpanzer sehr weich. Könnte dies eventuell ein idealer Zeitpunkt sein, um bessere Schneideergebnisse zu erhalten?

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

Ronald Schulte

#6
Jürgen,

Habe mal nachgefragt an die Uni von Wageningen.
Dr. Joop J.A. van Loon, Associate professor, Laboratory of Entomology meint das es ein Haltere Organ ist. Notwendig für die Flugstabilität der Kopf.
Zu vergleichen mit die 'ventral fins' von ein Flugmaschine.
Er hat ein pdf Datei beigefügt und kannst du hier herunterladen. http://micro.ronaldschulte.nl/mug/Dickinson%20MH%20Proc%20Roy%20Soc%20B%20haltere%20Diptera.pdf
Es kommt also auch bei mehrere Sorten von Fliegende Insekten vor.

Er meinte auch das dein Schnitt sehr OK ist.

Wenn du ihm persönlich Kontakten möchte ist seine Adresse: joop.vanloon@wur.nl

Grüße Ronald
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Jürgen H.

#7
Lieber Ronald,

ganz herzlichen Dank für Deine Mitteilung und den Link. Um Halteren oder sogenannte Schwingkölbchen  handelt es sich allerdings IMHO bei den von mir gezeigten Organen  eher nicht. Diese befinden sich nicht am Hals sondern hinter dem Flügelpaar.  Denn die Halteren stellen ja wohl  das zweite Flügelpaar dar, das funktional und morphologisch zu Schwingkölbchen umgebildet ist. Diese Schwingkölbchen schwingen ständig im Flug, teils sogar beim Laufen. Die Schwingungsbewegungen sorgen ähnlich den Schwingungen des Kreiselkompasses dafür, dass die Raumlage der Schwingkölbchen auch dann möglichst beibehalten wird, wenn der Körper des Insekts gekippt wird. Dementsprechend wirken Biegekräfte am körpernahen Ansatzpunkt der Schwingkölbchen, die von mechanosensorischen Zellen wahrgenommen werden. Am Fuß der Halteren sind ganze Felder von diesen mechanosensorischen Zellen. Ich hoffe, dass mir diesbezüglich einmal ein wirklich schöner Schnitt gelingt.

Es gibt keinerlei Hinweise in meinen Präparaten, dass die gezeigten Auswüchse schwingen könnten. Nach Kontrolle der Serienschnitte meine ich, dass es sich wohl um eine Art Hautfalte handeln muss. Dabei fiel mir auf, dass ich derartige Hautwülste schon einmal gesehen und sogar hier im Forum gezeigt hatte. Meine Lektüre führte mich damals zu dem Begriff der Cervicalien, die es in Form von sklerotisierten Platten, aber auch von Hautwülsten gibt. Jetzt lese ich dass diese Hautwülste  oft mit mechanosensorischen Haarzellen belegt sind. Dettner schreibt in seinem Entomologielehrbuch kurz und knapp: "Der Hals ist bei den meisten Dipteren stark verengt und der Kopf sehr beweglich. Seine Lage wird u.a. durch die mechanosensorischen Haare der Cervicalia kontrolliert"

Viel mehr habe ich leider nicht gefunden.

Allerdings: In dem von Dir mitgeteilten link steht ja z.B. auch:

In a series of detailed studies, Nalbach and Hengstenberg demonstrated that the blowfly, Calliphora eurythrocephala, discriminates among oscillations about the yaw, pitch and roll axes and uses this information to make appropriate compensatory adjustments in head position. Eine spannende Frage wäre es also, ob die von mir gezeigten Cervicalien unmittelbar die Rückkopplung der Änderungen der Kopfposition liefern, die die Schwingkölbchen verlangt haben.

Schöne Grüße

Jürgen

Dieter Stoffels

#8
Lieber Jürgen, liebe Insektenfreunde,

anknüpfend an Deinen obigen Beitrag möchte ich eine Aufnahme von der Haltere einer der von Dir bereitgestellten Mücken (Limoniidae) zeigen, die im Ganzen quer geschnitten wurde. Im Vergleich zu einer Haltere einer Fliege (Brachycera) ist die Haltere einer Mücke (Nematocera)filigraner ausgebildet. In der Aufnahme habe ich folgende Abkürzungen verwendet:

Fg Fettgewebe
Ge Gelenk
Ko Kolben
Mu Muskulatur
Ss Sensillen
St Stiel
Bh Borstenhaar
Pfeil d/v  dorsal / ventral



Haltere (Limoniidae), 40x

Viel Spaß beim Ansehen der Aufnahme!

Dieter


Ronald Schulte

Dieter,

Schnitt und Aufnahme sind vom feinsten. Färbung ist auch gut gelungen. Da wird Jürgen sich schon freuen denke ich.

Grüße Ronald
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Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Jürgen H.

Wow!!!

Lieber Dieter,

das ist ja vorzüglich gelungen!

Die Muskulatur scheint mir nahe zu legen, dass die Schwingkölbchen von anderer Muskulatur bewegt werden, als die Flügel, die ja nur den Thoraxbewegungen folgen. Oder ob es sich um Stellmuskulatur handelt, mit denen die Schwingebene der Schwingkölbchen vestellt werden kann?

Gut zu sehen sind auch die Sensillen. Könntest Du diese Stelle bitte einmal etwas mehr vergrößert zeigen?

Ganz herzlichen Dank für dieses schöne Bild (und den schönen Schnitt!)

Schöne Grüße

Jürgen


Dieter Stoffels

Hallo Jürgen,

leider habe ich es erst jetzt geschafft, eine Detailaufnahme der (Kuppel)sensillen der Haltere der Mücke nachzureichen. Hierbei habe ich folgende Abkürzungen verwendet:

Bh Borstenhaar
Cu Cuticula
Mu Muskulatur
Ss Sensille
Zk Zellkern


Sensillen der Haltere der Mücke (Limoniidae), 650x

Die Muskulatur der Haltere zieht in kompakten Strängen von ventral zu den Halteren, was Deine Vermutung stützt, dass es sich hierbei um eine thoraxunabhängige Muskulatur handeln könnte. Vielleicht lässt sich durch eine abschließende Auswertung der Serienschnitte mehr zur Funktion dieser Muskulatur herausfinden.

Herzliche Grüße!

Dieter