Mikrobenjäger-Latein - Restauration eines Mikroskop-Klassikers

Begonnen von TPL, April 05, 2010, 18:38:43 NACHMITTAGS

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TPL

#15
Lieber Olaf,
die Bilder sind ja erschütternd! Ohne Deine Erklärung hätte ich den Teilen nicht mehr als ihren reinen Metallwert zugestanden.
An einigen Stellen glaube ich zu erkennen, dass sich die Oberflächenbehandlung (Chrom? Nickel?) ablöst. Solche Probleme gibt es leider auch am Mikrobenhäger an mehreren Stellen (Grob-Triebräder, Kondensortrieb, Objektführer).

Ohne jetzt schon die grundsätzlichen Fragen einer Restauration (Soll der Originalzustand belassen bleiben? Wie weit "darf" aufgearbeitet werden?) entscheiden zu wollen:
1. Lässt sich eine abgelöste Verchromung erneuern?
2. Kann man sie in den fehlenden Bereichen ergänzen?
3. Oder wie ließe sich solche ein Macke fachgerecht und gebrauchstüchtig konservieren (Wachs? Klarlack?)?

Ich bin für jeden Tipp dankbar!
Schönen Gruß, Thomas

olaf.med

#16
Lieber Thomas,

glücklicherweise war das SY noch vernickelt und nicht verchromt. Nickelschichten kann man relativ unproblematisch selbst erneuern: alte Schicht runter, galvanisch neu vernickeln. Verchromen kann ich nicht - das ist wohl aber auch sehr aufwändig.

Die Laufbahnen des Kugellagers habe ich an der Drehbank sauber ablaufen lassen und anschließend lief es wieder sehr gut - nicht so sanft wie ab Werk, aber rumpelfrei. Immerhin ging vor der Restaurieung gar nichts mehr!

Und so sieht ein SY hinterher aus (SY steht für Synchrondrehung der Nicols):



Gruß, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

TPL

#17
Liebe Freunde fast schon historischer Mikroskope,
es sind ein paar Tage vergangen, in denen ich nur unregelmäßig am Bazillenbeißer restaurieren konnte. Besonders die vollständige und sorgfältige Zerlegung und Reinigung des Revolver-Kondensors und der beiden Fokustriebe ist eine langwierige Sache. Aber auch die Aufarbeitung der völlig festgebackenen Kollektorblende und der Tischtriebe dauert noch an.


Mikrobenjäger-Stativ mit abgenommener Leuchte, demontiertem Tisch, Fokus- und Kondensor-Block. Rechts unten erkennt man die hässlichen Lackschäden im Bereich der Fügungsnaht zwischen vorderem und hinterem Stativteil (von unten miteinander verschraubt). Das Fototubus-Gewinde ist zum Schutz gegen Staub abgeklebt.

Da das Stativ inzwischen fast "nackich" dasteht, stellte ich mir nun doch die grundsätzlichen Fragen einer Restauration:

-Soll insbesondere der stellenweise stark abgekratzte Lack im Originalzustand belassen bleiben?
-Darf man solch ein noch nicht wirklich historisches Gerät neu lackieren (keine Sorge: ich würde unter den vielen bunten Steindorff-Farben schon bei schwarz bleiben :D)?
-Wie weit darf aufgearbeitet werden? Kann ich einen baugleichen Tisch von einem anderen Stativ montieren?
-Lassen sich die hässlichen Chrom- und Lack-Macken evtl. auch konservieren, sodass die Schäden nicht schlimmer werden?

Augenblicklich scheidet eine vollständige Aufarbeitung schon aus finanziellen Gründen aus. Gerade mit der letztgenannten Lösung würde ich mir aber alle Optionen, z.B. auch die einer späteren, professionellen Neulackierung und Verchromung offenlassen.

Mein Ziel ist es ja, den Mikrobenjäger wieder voll in Betrieb zu nehmen. Er soll nicht als Dekoration in einer Vitrine enden (das ist nicht negativ gemeint). Die lebhaften Diskussionen um die Aufarbeitung (und Zerstörung) wirklich alter Mikroskope habe ich gelesen. Vielleicht darf man aber bei einem gerade mal 53 Jahre jungen Gerät andere Maßstäbe anlegen...

Schönen Gruß, Thomas

Hugo Halfmann

#18
Hallo Thomas,

stell doch bitte mal ein paar Fotos vom "nackten" Stativ ein, dann kann man das besser einschätzen.

Wenn´s in Deinen Augen soooo häßlich aussieht, daß der Ist - Zustand nicht mehr erhaltenwert ist, dann würde ich auch eine Neulackierung in Betracht ziehen, sonst denkt ja jeder, Du hättest ein Faible für Edelschrott  :D.

ICH würde mir so ein verkratztes und verhunztes Teil nicht jeden Tag angucken wollen und ihm alleine schon wegen meinem "Spass an der Freud´" neuen Glanz verpassen.

Man kann aber auch sagen: "Lass die Kratzer dran, dann sieht jeder, was das gute Stück aushalten kann  (Werf´ mal ein China-Mikroskop die Treppe runter...) !".

PS: Solltest du den Jäger neu lackieren (lassen) lass es mich bitte wissen. Ich hab da u.U. auch noch so´n Kandidaten....


Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann

Jürg Braun

Hoi Thomas

Als Architekt mit denkmalpflegerischer Erfahrung käme eine Neulakierung für mich überhaupt nicht in Frage. Weshalb soll alles authentisch sein, nur der Lack nicht? Farbe ist ein sehr komplexes Thema, die neue Lackierung wird sicher nicht mehr der Originalen entsprechen. Versuche die Schadstellen sorgfältig zu retuschieren. So wird nichts zerstört.

Gruss

Jürg

Peter V.

Lieber Thomas,

ohne jedwede Kenntnis über die "kunstgerechte" Restaurierung und darüber, was "noch erlaubt" ist, sondern rein gefühlsmäßig käme ich nie auf die Idee, ein historisches Mikroskopstativ neu zu lackieren!!! Niemals nicht!!! Don't even think on it!
Ich wäre auch für Ausbessern. Wie willst Du den üblichen "matten Glanz" der typischen Mikroskopstativbeshichtungen mit heutigen Lacken auch nur annähernd erreichen?`

Hezrliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

wilfried48

#21
Hallo Thomas,
ich würde so ein schönes historisches Stück auch nieeeemals neu lackieren !

Im alten forum gabs glaube ich mal eine anleitung zum Ausbessern von Lackschäden an schwarzen Stativen sodass
man nachher so gut wie nichts sieht.
Ich meinte es war seidenmatter schwarzer Lack aus dem Modelbau und Schleifen mit 4000er Papier und evtl. Polieren mit Lackpolitur.
Vielleicht kannst du es mit der Suchfunktion ja noch finden.
Ich würde anschliessend bei 80 ° C im Umluftbackofen  den Lack noch härten.

weiterhin viel Erfolg beim Restaurieren des "alten Schätzchens" wünscht

Wilfried

P.S.: Ich habe den alten Beitrag gefunden:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=763.0
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Mikroman

Hallo,

wollte nur mal nachfragen: Ist der Mikrobenjäger wieder vollumfänglich gesundet?


Gruß

Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

TPL

ZitatIst der Mikrobenjäger wieder vollumfänglich gesundet?

Ja, und zwar nach einer langen, aufwändigen und umso nachhaltigeren Therapie. Er ist, fünf Umzüge später, inzwischen in Küstennähe beheimatet und erfreut sich dort der angemessenen Betreuung.

Gruß
Thomas