Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen

Begonnen von Dypsis, November 06, 2013, 08:42:34 VORMITTAG

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Dünnschliffbohrer

Zitat:  "Auf eine in weitesten Kreisen der Mikroskopbenutzer kaum bekannte und beachtete Tatsache soll in diesem Zusammenhang hingewiesen werden. Die große Genauigkeit, mit der  bei guten Stativen beim Umschlagen des Objektivrevolvers die optischen Achsen der verschiedenen Objektive in der Gebrauchslage zusammen fallen, wird im Allgemeinen  durch eine besonders sorgfältige Behandlung der Anlageflächen am Objektiv und am Revolver  erzielt. So unscheinbar diese Flächen auch aussehen, so entscheidend wichtig ist ihre sorgfältige Erhaltung und Behandlung für die Funktion des Revolvers. Daß diese Flächen etwas Besonderes sind, erkennt man schon daran, daß man sie ohne Oberflächenbehandlung, also Lackierung oder galvanische Behandlung gelassen hat, obwohl sonst die Mikroskopfirmen  auf einwandfreie Oberflächenbeschaffenheit ihrer Geräte größte Sorgfalt verwenden. Sitzt nun ein hartes Staubkörnchen, etwa Quarz oder ein winziger Metallspan, auf einer dieser Flächen, so genügt in vielen Fällen diese Unebenheit, um das Objektiv soweit aus seiner vorbestimmten Lage zu drücken, daß bei starker Vergrößerung in Frage gestellt ist, ob die interessierende Objekteinzelheit noch annähernd in der Sehfeldmitte liegt. Wenn man es also irgend ermöglichen kann, beläßt man die Objektive am Revolver, wenn man ihren einwandfreien Sitz durch betrachten einer Objekteinzelheit mit allen am Revolver angesetzten Systemen nacheinander festgestellt hat. Muß man die Objetive auswechseln, bürstet man die Anlageflächen vor dem Anschrauben mit einer alten Zahnbürste ab. ..."

Dr. Ludwig OTTO: "Durchlichtmikroskopie" VEB Verlag Technik Berlin, 1959: S. 56-57.

OTTO war wissenschaftlicher Mitarbeiter des VEB Carl Zeiss Jena.

Irgendwo habe ich auch mal gelesen, der Revolver sei das mechnisch empfindlichste Teil am ganzen Mikroskop. Ich habe selber ein schwarzes Leitz SM-Lux, welches mir seinerzeit der Uni-Feinmechaniker in Ordnung bringen sollte. Der Trieb ging schwer und ungleichmäßig, war halt verharzt. Den hat er auch schön hingekriegt, aber leider hat sich der Gute auch ohne Not am Revolver vergriffen, der seither genau das oben beschrieben Problem hat: alles Abbürsten der Objektivgewinde mit der Zahnbürste hat nichts mehr gebracht, man erkennt auch keine sichtbaren Beschädigungen, aber seither ist das Mikroskop - obwohl sonst recht schön erhalten - kaum noch zu Gebrauchen und außer Dienst gestellt. Ich weis nicht, was man da noch machen kann. - Dünnschliffbohrer
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Jürg Braun

Guten Tag Dünnschliffbohrer

Ich weiss von einem Techniker der mit Zigarettenpapier schon Wunder vollbracht hat. Ich vermute jedoch, dass er schon jahrelang geübt hate. Die Objektive dürfen dann nie mehr ausgeschraubt werden! Sonst flattert die Justage davon.

Gruss

Jürg


reblaus

Hallo -

tanzende Objektive kann man auch erzielen, wenn Zwischenringen oder DIC-"Stühlchen" eingeschraubt werden. Da wird das Wiederfinden einer Objektstelle mit der nächst höheren Vergrößerung oft zum Glücksspiel. Deshalb hat Zeiss später auch Revolver herausgebracht, bei denen die DIC-Stühlchen fertig montiert waren.

Gruß

Rolf

Florian Stellmacher

Lieber Thomas,

Jabenz Hogg schreibt in The Microscope von 1998 auf Seite 260 "... and they [gemeint sind die Objektive] should always to be put into their brass cases when done with."

Hogg schreibt auch, dass der von Charles Brooke eingeführte Objektivrevolver, wobei er die Modelle verschiedener Hersteller gründlich vergleicht, Arbeitszeit einsparen würden und daher zu empfehlen sei. Wichtig sei aber die korrekte Zentrierung. Ähnliches habe ich auch bei Carpenter (1901), Beale (1880), Crooss & Cole (1922) und anderen gefunden. Keiner der Autoren schreibt jedoch, dass der Revolver speziell für das Auslieferungs-"Setup" angepasst werden müsse. Allerdings wird gewarnt, dass bei unterschiedlicher Baulänge der Objektve an ein und demselben Revolver sowohl das Präparat als auch die Obektive gefährdet seien. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Revolver ohne tellerförmige Abdeckung, wie sie erst später - einige Autoren behaupten von Beck - eingeführt wurden, die Objektve dem Staub aussetzen. Man darf die Autoren wohl auch so verstehen, dass die Objektive, die einmal in den Revolver eingeschraubt wurden, nicht unnötig wieder abgeschraubt werden sollten. Carpenter empfiehlt sogar, sich bei mehr als in den Revolver eingeschraubten Objektiven lieber gleich ein zweites Stativ zu kaufen!  :D

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Dypsis

Lieber Florian,

woh, da hast Du aber gründlich recherchiert. Danke. Ich hätte gar nicht gedacht, dass sich aus diesem Thema doch Funken schlagen lassen  ;D
Ein Umstand ist nun geklärt, bzw. auch nicht, es war wohl damals wie heute Geschmacksache bzw. eine Frage der Arbeitsweise oder Ansprüche, wie man es mit dem (in vernünftigem Rahmen - selbstverständlichst) Objektivwechsel bzw. dauerndem Verbleib am Revolver hält.

Es scheint dann aber so, dass diese Anpassung bzw. die unbedingte Aufforderung das Stativ zur Anpassung einzuschicken eben doch vollkommenster Stuss ist (selbst wenn man die Aufforderung relativiert)? Das Risiko bei Transport usw. war ja auch damals sicher nicht zu verachten.
Es wird wohl seinen Grund haben warum diese Aufforderung recht schnell wieder aus dem Katalog verschwunden ist.

Wo wir aber gerade bei der Revolverlogie sind, in welchem Zeitraum wurden denn wohl die "gekapselten" Revolver, wie sie dann bei den vernickelten Stativen Standard waren, eingeführt? ich habe ein AABM, an dem befindet sich so ein "moderner" Revolver. Da es ca. Baujahr 1929 ist (Seriennummer 271000), hege ich die Hoffnung, dass es vielleicht schon mit diesem Revolver ausgeliefert wurde. So nach der These: Man hatte diese modernen Revolver schon entwickelt und hat sie am Flaggschiff (denn "über" dem AABM gab es nur noch das Universal) schon etwas früher eingeführt. Ich habe noch ein zwei andere späte Messingstative, an denen auch diese modernen Revolver hängen. Vielleicht haben die Besitzer sie aber auch nur nachgerüstet?

Herzliche Grüße
Thomas

Ich bevorzuge das forumsübliche Du!

Dypsis

... obwohl, vielleicht ging es ja um die Anpassung des Revolvers an den Tubus? Ich kann mir ansatzweise vorstellen, dass es hier eher eine sinnvolle Justierung geben konnte.
Ich mag einfach nicht recht glauben, dass es nicht doch irgendeinen vernünftigen Grund für diesen Satz gab.

Hm.
und natürlich Grüße
Thomas
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Klaus Henkel

Zitat von: Dypsis in November 07, 2013, 17:26:59 NACHMITTAGS
Ich kann mir ansatzweise vorstellen, dass es hier eher eine sinnvolle Justierung geben konnte. ...
Ich mag einfach nicht recht glauben, dass es nicht doch irgendeinen vernünftigen Grund für diesen Satz gab.

Mit scheint, daß es in dieser Frage besser ist, über Fakten zu reden als über Gaubensdinge und die Vorstellungskraft. Wenn Ihnen das Thema so wichtig ist, dann sollten Sie wohl oder übel einen intensiven Blick in die Fachliteratur tun. Die gibt es nämlich durchaus.

Und was bitte, soll denn das: Vielleicht hatte da doch die Marktingabteilung die Finger im Spiel? Marketing um 1900. Da kann ich noch nicht einmal schmunzeln.
Dieses Konglomerat von Nichtwissen, Vermutungen, Glauben und Vorstellungen bringt doch nichts. Meine Fähigkeiten, einem Tauben den Klang einer Barockorgel zu beschreiben sind doch zu begrenzt. Am Ende war ja alles vielleicht doch eine Marketing-Verschwörung, so um 1900? Ein Blick in ein aktuelles Lexikon erklärt recht genau, wann der Begriff Marketing zum ersten Mal in Industrie und Handel auftauchte.

Wenn man etwas erklärt und als einzige Antwort darauf vom Adressaten erwidert wird, er könne sich das nicht so recht vorstellen, ist das kein ernstzunehmender Beitrag. Da verliert man nach dem zwanzigsten Beitrag scho a bissel die Lust.

Servus
KH

Dypsis

#22
Guten Abend Herr Henkel,

ich finde Ihren Ton recht befremdlich und verstehe nicht ganz womit ich mir den verdient haben. Sie beschweren sich, dass ich mir erlaube meine Zweifel nicht mit einem Beitrag von Ihnen ein für allemal als ausgeräumt zu betrachten, lassen es aber an der minimalen Form der Höflichkeit fehlen, mich wenigstens bei Ihrer Rüge direkt anzusprechen. Gibt es eine deutlichere Form der Mißachtung?
Aber sei´s drum.

Natürlich hat es um 1900 keine sogenannte Marketingabteilung gegeben haben. Sicher aber jemand der sich Gedanken darüber gemacht hat, wie man die Umsatzzahlen steigern kann oder Kunden binden (wenn auch nicht so aggressiv und mit der Priorität wie es heute geschieht). Davon abgesehen, es war im übertragenen Sinne gemeint, scherzhaft und nur so nebenbei bemerkt. Ich dachte, das könnte man bei gutem Willen verstehen... Es wundert mich, dass Sie sich darauf kaprizieren.

Zur Sache selbst haben Sie jetzt aber leider nichts mehr geschrieben. Aber da Sie zwischen den Zeilen andeuten, dass Sie keine Perlen mehr vor die Säue werfen wollen wird auch nichts mehr kommen.
Ich sehe da nach wie vor noch Widersprüche. Auch wenn Sie das für Torheit halten.

Ich wünsche Ihnen ein angenehme gute Nacht

Ich bevorzuge das forumsübliche Du!

Florian Stellmacher

#23
Lieber Thomas,

auch nach Durchsicht weiterer, nun verstärkt auch deutschsprachiger Literatur bis 1932 habe ich keinen Hinweis auf eine werksseitige Optimierung der Revolveranpassung für die bei Auslieferung mitgegebenen Objektive gefunden. Angesichts der Tatsache, dass eine Markierung der einzelnen Gewinde des Revolvers erst sehr viel später eingeführt wurde, ist eine derartige Anpassung wohl als relativ zu betrachten. Es wird sicherlich auch noch Literatur geben, die ich (noch) nicht besitze.

Zu allen Zeiten waren Firmen, die etwas herstellten, auch darauf angewiesen, dass ihre Produkte gekauft wurden. Da war eine positive Erwähnung in der Literatur, eine gewonnene Medaille bei einer Messe oder sogar der Rang eines Hoflieferanten recht hilfreich, um den Vertrieb anzukurbeln. Leider hat sich, zumindest meines Wissens nach, noch niemand die Mühe gemacht, eine Karte der Regent Street, High Holborn, in London im letzten Viertel des 19. Jh. zu zeichnen und dort die Mikroskop-Hersteller und -verkäufer einzuzeichnen. Diese lagen praktisch Tür an Tür und kupferten voneinander ab, was das Zeug hielt. Sich auf derartigem Territorium ein dauerhaftes Überleben zu sichern, hat sicherlich auch schon damals die Vorgänger heutiger Manager beschäftigt. Dass sich die Firma Zeiss, namentlich Ernst Abbe, ihre wesentlichen Erkenntnisse bezüglich der theoretischen Optik sowie die daraus abgeleiteten neuen Instrumente und Einzelkomponenten (z.B. apochromatische Objektive, Abbescher Beleuchtungsapparat), soweit dies möglich gewesen wäre, nicht hat patentieren lassen, ist sicherlich eine Ausnahme, die man nicht genug würdigen kann. Gleichwohl standen auch deutsche Hersteller in nationaler und internationaler Konkurrenz. Daher würd ich Dein Argument der Kundenbindung nicht einfach wegwischen wollen.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

mikromeister

Zitat von: Dünnschliffbohrer in November 06, 2013, 22:56:09 NACHMITTAGSDen hat er auch schön hingekriegt, aber leider hat sich der Gute auch ohne Not am Revolver vergriffen, der seither genau das oben beschrieben Problem hat: alles Abbürsten der Objektivgewinde mit der Zahnbürste hat nichts mehr gebracht, man erkennt auch keine sichtbaren Beschädigungen, aber seither ist das Mikroskop - obwohl sonst recht schön erhalten - kaum noch zu Gebrauchen und außer Dienst gestellt. Ich weis nicht, was man da noch machen kann

Der Revolver hat eine Planlauffläche, eine zentrierende Lagerung und eine Index-Rastung.
Ausserdem hat jedes Objektiv mindestens eine Plananlagefläche und ein Gewinde, das prinzipiell schlecht zentriert.

Jeder dieser 5 Funktionseinheiten kann durch Verschmutzung, Beschädigung oder Dejustage ein Zentrierungsproblem verursachen.
Das Objektivgewinde ist dabei wohl das unkritischste Teil.

Ich würde empfehlen, durch Versuche herauszufinden, ob der Fehler systematisch oder zufällig ist.
Außerdem, ob er bei Austausch der Objektive mit diesen "mitgeht", also am Objektiv liegt oder eben am Revolver selber.
Dann lohnt sich sicherlich das Drücken hier und dort, um zu sehen ob es was mit Spiel zu tun hat.

Nach diesen Versuchen sollte das Problem so weit eingegrenzt sein, dass Abhilfe möglich ist.

Zuletzt möchte ich doch dafür plädieren, dass man das Abbürsten von Feinmechanik mit alten Zahnbürsten unterlässt.
Zahnpaste-Schleifreste sind unzweifelhaft schädlich.
Ein feuchtes Einweg-Brillenputztuch ist in diesem Fall sicherlich nicht das Optimum, aber allenthalben erhältlich und um Welten geeigneter.
Vielen Dank und freundliche Grüße

Markus


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