Grünliche Anlauffarben von poliertem Messing korrigieren

Begonnen von Alfons Renz, Mai 14, 2014, 08:12:47 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Alfons Renz

An die Spezialisten für die Restaurierung alter Mikroskope:

Leider wird die originale Zaponierung historische Mikroskope immer wieder durch 'Aufpolieren' entfernt. Das blanke Messing glänzt zwar wie neu, läuft dann aber langsam mit hässlich braun-grünlicher Färbung an.

Gibt es eine Möglichkeit, diese Verfärbung ins Grünliche wieder zu korrigieren, ohne das Messing vorher blank zu polieren zu müssen und es wieder neu zu zaponieren?

Ich denke an einen chemischen Prozess, der die grünlichen Kupferverbindungen beseitigen könnte. Wenn auch nur temporär, um ein gutes Foto des Geräts in natürlichen Farben zu machen.

In Sinne seiner ganz persönlichen Geschichte ist die (immer bedauernswerte!) Politur eines Mikroskops ja ein historisches Ereignis, das man, der Ehrlichkeit halber, auch nicht einfach 'wegretouschieren' kann und möchte. Jedenfalls nicht dann, wenn es sich um ein Mikroskop mit einer ganz persönlichen und besonderen Geschichte handelt. In meinem Fall um ein großes Stativ von Hartnack, das nach verschiedentlicher Nutzung in Tübinger Instituten übel ramponiert und teilweise aufpoliert auf dem Flohmarkt auftauchte. Es soll nun für ein Foto 'hergerichtet' werden.

Für Vorschläge wäre ich sehr dankbar!

Mit herzlichen Mikro-Grüßen,

Alfons

olaf.med

Lieber Alfons,

ich befürchte es geht nicht ohne einen mechanischen Prozeß. Dann sollte man es aber auch gleich richtig machen und nicht einfach polieren. An den Instrumenten sind ja ursprünglich die wenigsten Flächen poliert - eigentlich immer nur die Zierradien. Alle anderen Flächen sind feinst abgezogen und zeigen den typischen seidenmatten "Strich". Die "Zaponierung" besteht auch nicht aus Zaponlack, sondern aus einem Spirituslack aus verschiedenen Baumharzen, Schellack und einer Färbung aus Curcuma und Safran!

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

ruhop

Hallo, Alfons.

Vielleicht hilft Dir eine Rezeptur weiter, die ich vor Jahren in einem Lehrbuch für die Aufarbeitung und Restauration archäologischer Funde gelesen habe. Ich habe diese Rezeptur, allerdings mit einer leichten Abwandlung, lange für die Säuberung meiner Vorderladergewehre erfolgreich benutzt.

Rp.
Ammoniumperoxidisulfat     10g
Aqua dest.                      90ml
wässrige NH3 - Lösung      10ml

Das ursprüngliche Rezept gab 20g Ammoniumperoxidisulfat an. Doch war das für meine Zwecke zu stark: Aus dem Reinigungskopf (Messing) wurde Kupfer herausgelöst.

Ich habe von dieser Substanz noch einiges liegen, die ich nicht mehr benötige, da ich das VL-Schießen eingestellt habe. Wenn Du also Interesse hast, dann gib Laut.

Schönen Gruß aus dem Hintertaunus

Holger


Alfons Renz

Lieber Olaf, lieber Holger & Safari (unsere Beiträge haben sich überschnitten!),

Herzlichen Dank für die wertvollen Vorschläge und das freundliche Angebot! Das hilft mir schon viel weiter

Nun habe ich endlich auch ein Bild des Schadens:



Man erkennt die grässlichen Anlauffarben des Tubus, den ein früherer Besitzer vor vielen Jahren aufpoliert hatte, wahrscheinlich mit feiner Stahlwolle. Darüberdas original un'zaponierte' Messing des ausziehbaren Teils (=> weshalb ist dieses nicht angelaufen? Reicht ein feiner Überzug mit Öl?) und ganz oben den wiederum original erhaltenen Lack des Okularstutzens.

Der Objektiv-Revolver ist zwar von Hartnack, aber späteren Datums, ebenso stammen die Objektive nicht aus der ursprünglichen Ausstattung. Man erkennt auch den feinen Wechsel in der Färbung des Lacks: hell-golden die frühe und rötlich die spätere Mischung. Was die Frage aufwirft: Kennt man die Original-Rezepte, die Edmund Hartnack in seiner Zeit in Paris und später in Potsdam verwendet hat?

Kurz zur Geschichte des Mikroskops: Der Fuß ist graviert mit P.I.T. Nr. 16, also Inventar-Nr. 16 des durch den 1867 berufenen Prof. Schüppel in den Jahren 1872-74 neu gebauten Tübinger Instituts für Pathologie. Dieses Institut gilt als das Älteste seiner Art in Deutschland.

Leider ist kein Kasten erhalten und somit auch keine Fabrikationsnummer, die zur Datierung des Mikroskops dienen könnte. Signiert ist es mit E. Hartnack, Place Dauphine, 21 und dürfte zwischen 1865 und 1870 hergestellt worden sein. Vermutlich war es zunächst im Besitz des Tübinger Botanikers Hugo von Mohl, der zwischen ca. 1840 und seinem Tod 1872 die besten Mikroskope aller namhaften europäischen Hersteller getestet und erworben hatte (=> siehe seine Mikrographie von 1846, die seinen damaligen Fundus dokumentiert). Nach seinem Tod wurde laut Inventarliste ein großes Mikroskop von Hartnack aus seinem Nachlass laut Senatsbeschluss an Prof. Schüppel übereignet. Vermutlich handelt es sich um dieses Instrument.

Aufgetaucht ist es auf einem Tübinger Flohmarkt im letzten Jahr, ohne Optik und mit verbeultem Okular-Tubus. Der frühere Zwischenbesitzer hatte den fleckig gewordenen Tubus 'aufpoliert' und dabei den Originallack vom Tubus und einigen Flächen des Stativ-Fusses restlos entfernt. Die Witwe wusste später nichts mehr mit dem 'Vitrinenstück' anzufangen und hatte es auf dem Flohmarkt angeboten.

Auch wenn die Geschichte dieses Mikroskops einige noch dunkle Kapitel und eine unschöne Behandlung beinhaltet, so ist es doch ein Instrument 'mit Persönlichkeit'. In meinen Augen wäre es eine Verfälschung oder zumindest eine Vertuschung seiner Geschichte, wenn man die erlittenen Gebrauchsspuren und Schäden auslöschen wollte, um es in einen imaginären 'Originalzustand' zu versetzen.

Ich weiss, die Ansichten sind hier geteilt. Und viele der Großen Museen haben ihre ausgestellen Instrumente kunstvoll restauriert, so dass sie wie neu wirken. Den verbeulten Tubus habe ich wieder gerichtet, aber ansonsten möchte ich den derzeitigen Zustand erhalten. Für ein brauchbares Foto würde ich jedoch gerne die störenden Verfärbungen und Fingerspuren etwas mindern, ohne sie zu negieren.

Das jetzige Bild (mit natürlichem Sonnenlicht) ist zudem technisch nicht befriedigend. An einer deutlich besseren Aufnahme arbeite ich noch gerade...

Mit herzlichen Dank und Grüßen,

Alfons


jochen53

Hallo,
ich habe einmal eine Gebäckschale aus Messing mit einem Brei aus Kochsalz und Speiseessig und Polierwatte wieder wie "neu" hingekriegt, nachher gut mit Wasser nachspülen. Aber mangels Schutzlackierung wird sie langsam wieder so wie früher. Das würde ich aber vorher an einem unwichtigen Messingteil mal ausprobieren.

olaf.med

#5
Lieber Alfons,

ZitatMan erkennt auch den feinen Wechsel in der Färbung des Lacks: hell-golden die frühe und rötlich die spätere Mischung. Was die Frage aufwirft: Kennt man die Original-Rezepte, die Edmund Hartnack in seiner Zeit in Paris und später in Potsdam verwendet hat?

Die genauen Rezepturen von Hartnack sind mit größter Wahrscheinlichkeit nicht erhalten, und diese Lacke können auch bei gleicher Rezeptur durchaus unterschiedlich ausfallen. Das hängt vor allem mit der Qualität der "Vegetabilien" (so nannte man die natürlichen Rohstoffe) zusammen. Außerdem spielt für die Farbe noch das Material (Messinglegierung, Bronze etc.) eine große Rolle und weiterhin die Lagerung, da der Lack bei direkter Sonneneinstrahlung seine Goldfärbung verliert und blasser und brauner wird. Zubehörteile, die im Kasten aufbewahrt wurden, haben daher eigentlich immer eine andere Farbe als das Stativ.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

liftboy

Hallo erstmal,

als "Lomo-Geschädigter" weiss ich wovon ich rede!
Die "Alten" haben damals säurehaltiges Fett verarbeitet; entweder es gab nichts anderes, oder Kosten gründe haben eine Rolle gespielt. (gutes Fett ist echt teuer!).
Messing und seine kupferhaltigen Verwandten neigen nun mal zum Grünspan :-)
Es gilt eben, der Oberfläche zumindest ein säurefreies Ambiente zu bieten, dann wird auch nichts grün.

Und mit dem grünen Zeug bitte vorsichtig!

    "Gefährlich ist´s den Leu zu necken
     Gefährich ist des Tigers Zahn
     Gefährlich ist´s, nen Kupferschmied am A.. zu lecken
     denn da ist oftmals Grünspan dran, woran man sich vergiften kann"

Viele Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

hotte

Hallo Alfons,
in dem Buch
Collecting and Restoring Scientific Instruments von Ronald Pearsall
David & Charles Newton about London (1974)

gibt es sehr interessante Verfahren ( aus alten Zeiten und Rezepten), um möglicherweise so einen Schaden wieder zu richten.
Ich werde Dir das Buch bei nächster Gelegenheit ( Tübinger Kulturnacht ) mal geben.

Beste Grüße

Horst

moräne

Hallo Alfons

Ich seh`hier eigentlich weniger grünliche Flecken , eher blank durchscheinendes Kupfer
oder täusch`ich mich da?
Dies Korrosionsart würde sich  " Entzinkung " , und könnte von Seewasser stammen.
Ich habe hier  die " Metallographie der technischen Kupferlegierungen" von A. Schimmel 1930,  welcher schreibt das bei einem Gefüge von zwei Kristallarten ( wie Messing ) infolge galvanischer Vorgäönge das unedlere ( das Zink ), angegriffen und herausgelöst wird.......schließlich bleibt an der angefressenen Stelle nur noch eine kupfrige Masse, deren Zusammenhalt gelockert ist, und bei geringer Beanspruchung zu Bruch geht.....
Also nimmer zu viel Rubbeln

grias di

Gerd

Klaus Dönnebrink

Guten Abend zusammen! Hallo Alfons ! Habe hier eine Sammlung alter Werstattrezepte für Graveure. Ziseleure etc. von H.Hilpke. Dort wird als Anlaufschutz für Messing eine alkoholische Schellack- Lösung empfohlen der eine ebenfalls alkoholische Sandrak- Harz- Lösung (gelb!) beigemischt wird , alternativ eine alkoholische Pikrinsäurelösung . zum Abtönen. Beides würde in die Zeit passen. Die Pikrinsäure könnte dann auch als echte Säure mit Luftfeuchtiigkeitgkeit oder Fingerfeuchtigkeit den Messingfraß verursachen.
Meine Erfahrungen zur Beseitigung von Korrosionsstellen beschränken sich auf das ordinäre Ballistol, mit dem man z.B. korrodierte Messing  (Ms58) - Patronenhülsen ganz gut wieder hin kriegt. Natürlich muß man den Vorgang manchmal in stündlichem Abstand wiederholen. Es geht dabei ein feiner grünlicher Schmier ab .ohne daß dabei so etwas wie Hochglanz entsteht.
Viel Erfolg! Klaus