Meeresbiologie: Aspekte der Embryonal- und Larvalentwicklung bei Echinodermen

Begonnen von Ole Riemann, August 06, 2016, 17:13:56 NACHMITTAGS

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Ole Riemann

Liebe Foristen,

zur sommerlichen Jahreszeit mal ein meeresbiologisches, klassisches Thema: die Embryonalentwicklung bei Echinodermen (Stachelhäuter, also u.a. Seeigel, Seesterne und Schlangensterne). Wir waren einige Zeit mit Studenten an der Biologischen Anstalt Helgoland, die sich hervorragend für meereskundliche Exkursionen eignet. Auf kleinem Raum kommen die unterschiedlichsten Habitate vor (Felswatt und Hartböden, Sandbereiche, reich zonierte Algen- und Tanggemeinschaften, Plankton), so dass sich viele typische Organismen des Meeres und ökologische Phänomene des marinen Bereiches demonstrieren lassen.

Neben Untersuchungen im Freiland haben wir auch klassische entwicklungsbiologische Versuche durchgeführt (Befruchtung, Embryonal- und Larvalentwicklung beim Seeigel Psammechinus miliaris und bei der Ascidie Ciona intestinalis). Gerade der Seeigel ist ja ein geradezu klassisches Forschungsobjekt der Embryologie, an dem Theodor Boveri in der meeresbiologischen Station Neapel seine bahnbrechenden Beobachtungen zur Befruchtung gemacht und seine Chromosomentheorie (mit)entwickelt hat. Die Ascidie Ciona intestinalis, deren Genom 2002 vollständig sequenziert wurde, ist in den letzten Jahren im Kontext von "Evo-Devo" ein wichtiges Studienobjekt geworden, da sie an der Basis der Chordaten steht und auf der Ebene der Genregulation viele Vorgänge in der Ontogenese mit denen von Wirbeltieren und beim Menschen ähnlich sind.

Ich möchte gar nicht ausführlich auf Einzelheiten eingehen, sondern nur einige besonders eindrucksvolle Stadien der Entwicklung von Psammechinus miliaris sowie eines Ophiuroiden zeigen. Alle Aufnahmen habe ich am Zeiss Standard WL gemacht, jeweils DIK mit ziemlich stark eingestelltem Kantenkontrast, ungeblitzt. Die Objekte haben wir durch sanften Deckglasdruck (Knetfüßchen) immobilisiert. Dies bedingt natürlich Kompromisse hinsichtlich Schichtdicke und Bildschärfe.

Als erstes einige Bilder zum Zeitpunkt der Gastrulation bei P. miliaris. Urdarm (Urd), Urmund (Urm) und Urdarmdach (Urdd) sowie das Blastocoel (Blc) sind optisch geschnitten sichtbar. Cilien (Ci) am Pol der Keimes, der dem Urmund gegenüber liegt, sorgen für die Fortbewegung der Gastrula. Primäre (pMe) und gerade vom Urdarmdach mit der Abwanderung beginnende sekundäre Mesenchymzellen (sMe) sind ebenso zu sehen wie die Anlagen der larvalen Skelettnadeln (ASk), die von den primären Mesenchymzellen gebildet werden.



Die folgenden Abbildungen zeigen eine junge Pluteus-Larve in unterschiedlichen Ansichten und Schärfeebenen. U.a. erkennt man im optischen Querschnitt die dreiteilige Anlage des larvalen Gastraltraktes und - in Einstellung auf die Epidermis - rötliche Pigmentzellen.



Zum Abschluss noch eine Pluteus-Larve eines Schlangensternes (Ophiopluteus), die wir im Plankton gefischt haben. Wie auch bei den vorhergehenden Aufnahmen der Pluteus-Larve des Seeigels ergeben die larvalen Skelettelemente im DIK aufgrund des polarisierten Lichtes interessante Farbeffekte.



Viele Grüße

Ole

diyter

Hallo Ole,
die Bilder und die Geschichte drum rum finde ich beeindruckend. Ich beschäftige mich im wesentlichen botanisch, aber es ist für mich immer wieder interessant, was ander Fachrichtungen leisten. Bitte weiter so und gerne mehr.
Gruß
Dieter

Rawfoto

Hallo Ole

Toller Beitrag von einem nicht alltäglichem Thema ...
Bin begeistert, liebe Grüsse

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Ole,

Deinen Artikel hatte ich vor ein paar Tagen schon mal überflogen, nun hatte ich Zeit, ihn zu lesen. Danke für die interessante Darstellung und die tollen Aufnahmen aus der Kinderstube der Stachelhäuter, die man sonst selten zu Gesicht bekommt. Da kann ich mich Dieter nur anschließen - bin ja auch eher im Pflanzenreich unterwegs.

Wegen des Helgoland-Aufenthalts bin ich sogar etwas neidisch: eine wunderschöne Insel und dann noch in der Meeresbiologischen Anstalt. :)

Herzliche Grüße
Jörg 
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Ole Riemann

Hallo Dieter, Gerhard und Jörg,

ich danke Euch für das Interesse - ja, Jörg, Helgoland ist wirklich nett, und die alt-ehrwürdige Biologische Anstalt ist für Kurszwecke und für Gastwissenschaftler prima geeignet. Schön wird es insbesondere, wenn die Tagestouristen abreisen und Ruhe einkehrt, am Hafen und auf dem Oberland.

Viele Grüße

Ole