Stereosicht am Binokulartubus

Begonnen von reblaus, Mai 12, 2018, 11:55:36 VORMITTAG

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reblaus

Liebe Mikrogemeinde -

seit einem Treppensturz in meinem 4. Lebensjahr bin ich physiologisch einäugig, sehe als "Astereoskopiker" doppelt und benutze auch zum binokularen Mikroskopieren nur das rechte Auge. Es fällt mir also schwer bei alten "Schätzchen" mit Binokulartubus zu beurteilen, wie ein Normalsichtiger z.B. kleine Abweichungen in der Bildgröße, Farbunterschied, kleine Bildverschiebungen etc. zwischen den Okularen erlebt.
    Aus beruflicher Erfahrung weiß ich ja, dass mit dem selben Gerät auch manche Normalsichtige Probleme haben anderen hingegen nicht.
    Für Erfahrungsberichte über Erlebnisse mit Binokulareinblicken wäre ich dankbar!

Viele Grüße

Rolf


TPL

Lieber Rolf,

lange Jahre waren Binokulartuben eine Wohltat für mich – obwohl ich mit monokularen Mikroskopen gelernt habe und dazu auch nicht das ungenutzte Auge zukneifen musste. Das hat sich in den letzten cirka 10 Jahren dramatisch geändert, seidem ich kurzsichtig geworden bin und verschieden aktive "mouches volantes" meine beiden Glaskörper plagen. Seitdem muss ich sehr genau darauf achten, dass Augenabstand und die bei Schiebetuben erforderlichen Justierungen absolut präzise sind, denn ansonsten ist nun der binolulare Einblick für mich auf Dauer manchmal anstrengender, als der immer noch entspannte Blick durch einen Monokular-Tubus oder auf einen Bildschirm. Manchmal frage ich mich, ob meine 70 mm Pupillenabstand – auch wenn noch 5 mm mehr graviert sind – nicht schon die vorhandene Prismenoptik der 1950er Jahre überreizen...

Räumliches Sehen mit dem Stereomikroskop klappt gut, und sogar besser als nicht-räumliches Sehen durch manche gewöhnliche Binokulartuben. Durch Mikroskope mit nur einem Beobachtungsstrahlengang habe ich noch nie räumlich gesehen. Ich glaube auch, dass das Einbildung ist, denn es wäre höchstens durch eine technisch aufwändige Strahlenteilung (wie z.B. die polarisationsoptische Lösung von Carl Zeiss) zu lösen – aber wozu? Mein Hirn kann eingermaßen gut über den Feintrieb integrieren. Wenngleich ich eine Weile lang ganz geübt war, auch Haidingerbüschel zu erkennen, sehe ich darin keine große Hilfe für die gewöhnliche Mikroskopie.

Kleine Farb- oder Helligkeitsunterschiede in Binokulartuben kenne ich, aber sie stören mich nicht. Ich bemerke sie nur, wenn ich beide Augen wechselweise bei kritischen Proben (z.B. Diatomeen-Präparate) benutze. Größenunterschiede sind mir noch nie aufgefallen.

Kurz: ich war gut 4 Jahrzehnte normalsichtig und hatte keine Probleme mit Binokulartuben. Diese treten erst seit kurzem, vor allem bei meinen vielen Schiebetuben auf. Knicktuben "kann" ich viel besser. Keine Ahnung, ob das einen nüchternen physikalisch-physiologischen Grund hat, oder nur eingebildet ist. Das wüsste ich sehr gerne, denn manchmal wird es wirklich sehr anstrengend.

Herzliche Grüße und weiterhin gute Sicht
Thomas

smashIt

Zitat von: TPL in Mai 12, 2018, 23:46:24 NACHMITTAGS
Kurz: ich war gut 4 Jahrzehnte normalsichtig und hatte keine Probleme mit Binokulartuben. Diese treten erst seit kurzem, vor allem bei meinen vielen Schiebetuben auf. Knicktuben "kann" ich viel besser. Keine Ahnung, ob das einen nüchternen physikalisch-physiologischen Grund hat, oder nur eingebildet ist. Das wüsste ich sehr gerne, denn manchmal wird es wirklich sehr anstrengend.

meine theorie:
kurzsichtigkeit ist ein überwiegend antrainierter effekt (permanentes starren auf nahe objekte wie monitor&co)
das führt aber auch dazu, dass die augenmuskulatur "verlernt" die augen für den blick ins unendliche parallel zu drehen
blick ins unendliche ist dummerweise genau was bei den binokulartuben (nicht stereo ;) ) vorausgesetzt wird
gegen "auge stellt nicht auf unendlich scharf" helfen brillen
gegen "blick nicht parallel" sollte üben helfen (raus in die natur und weit entfernte objekte anglotzen)
MfG,
Chris

Bildung ist das was uns vom Tier unterscheidet.

Funtech.org

TPL

Zitat von: smashIt in Mai 13, 2018, 01:14:15 VORMITTAG(...) meine theorie:
kurzsichtigkeit ist ein überwiegend antrainierter effekt (permanentes starren auf nahe objekte wie monitor&co)
das führt aber auch dazu, dass die augenmuskulatur "verlernt" die augen für den blick ins unendliche parallel zu drehen
blick ins unendliche ist dummerweise genau was bei den binokulartuben (nicht stereo ;) ) vorausgesetzt wird
gegen "auge stellt nicht auf unendlich scharf" helfen brillen
gegen "blick nicht parallel" sollte üben helfen (raus in die natur und weit entfernte objekte anglotzen)

Hallo Chris,
bitte nimm es mir nicht übel, aber wo wir gerade beim Thema visueller Probleme sind: Deine Kleinbuchstaben- und Interpunktionswüste ist für mich eine schlimme visuelle Zumutung! Ich verstehe nicht, warum geistreicher Inhalt partout mit geist- und rücksichtsloser Form verbunden wird. Es ist für mich eine Beleidigung der grundlegenden Umgangsformen in diesem Forum und insbesondere der Mühen, die sich so manche nicht-muttersprachliche Teilnehmer hier machen.

Inhaltlich: ich sehe in der Ferne ausgesprochen gut und bin viel in der Natur unterwegs.

Groß geschriebene Grüße,
Thomas

reblaus

Hallo -

vielen Dank für passende Beträge, aber
revenons à nos moutons , wie der Lateiner sagt!

Weil ich selbst keine einschlägigen Tests machen kann war meine Frage gleichermaßen an Normalsichtige oder zufriedene Brillenträger gerichtet. Im letzteren Fall egal wer oder was als Ursache der Fehlsichtigkeit vermutetet wird. Ganz konkret nochmals:
a) Falls Beschwerden bei Nutzung eines Binokulareinblicks auftraten, was war die vermutliche Diagnose? Waren die Bilder beider Okulare nicht deckungsgleich (verrückt, verdreht, ungleiche Vergrößerung).
b) Alternativ: Hat jemandes Mikroskop solche Fehler in dessen Einblick und sieht trotzdem ein beschwerdefreies , bzw. beim Stereomikrosop einwandfrei räumliches Bild? D.h. sind die Augen fähig fehlende Deckung, Schieflagen, Vergrößerungsunterschiede etc. in gewissen Rahmen zu korrigieren und wenn ja, in welchem?

Viele Grüße

Rolf

P.S. Es wäre interessant - aber bitte in einem getrennten thread - über Ursachen von Fehlsichtigkeit zu diskutieren. In meinem Verwandtenkreis lässt sich z.B. für eine starke Kurzsichtigkeit ein sehr schöner Stammbaum zusammenstellen.



Jürgen Boschert

Hallo Rolf,

das ist wohl individuell sehr verschieden. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, weil ich wegen einer notfallmäßig nötigen Augen-OP (großflächige Netzhauablösung links) nun einen Brechkraftdifferenz zwischen beiden Augen von um die 4 dpt habe. Im Alltagssehen beeinträchtigt mich das sehr, weil ich ständig Brille wechseln muss. Erstaunlicherweise stört mich das beim Mikroskopieren nicht. Selbst das 3-D-Sehen ist vollständig erhalten, auch am Stereomikroskop. Hier spielt unsere "CPU" wohl eine große Rolle, und da kommt eben die individuelle Komponente rein. Bei den meisten Menschen ist mit Stereosehen wohl um die 2,5 dpt Rechts-Links-Differenz Schluss. Wohlgemerkt meine Sehkraft an sich ist für beide Augen jeweils immer noch dtl. über 100 %, da hab ich Glück und einen guten Operateur gehabt.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

Dünnschliffbohrer

Hallo Rolf und Mitlesende,

ich weiss nicht, ob ich mit meiner Antwort genau das von dir Gewünschte treffe. Trotzdem möchte ich mich zu zu diesem, für mich als als bekennder Stereomikroskopiker interessanten Thema äussern, vielleicht ist ja auch für andere etwas dabei:

1) Von Augenproblemen bin ich bisher zum Glück verschont geblieben, kann daher nur aufgrund theoretischem Wissens antworten. Das menschliche Gehirn hat jedoch bereits physiologischer Weise eine ganz erstaunliche Fähigkeit, unterschiedliche Seheindrücke beider Augen zu kompensieren, um z.B. trotzdem noch einen stereoskopischen Bildeindruck zu erreichen (siehe auch Antwort Jürgen B.). Irgendwo hatte ich mal Zahlenwerte dazu gelesen, z.B. hinsichtlich Größendifferenzen der beiden Teilbilder. Vorausgesetzt natürlich, dass das stereoskopische Sehen nicht, wie offenbar bei dir der Fall, frühzeitig verloren gegangen ist. Folglich sollten sich Differenzen zwischen beiden Tuben nicht sehr stark auswirken. Was wohl sehr anstrengend sein soll, sind dejustierte Teilstrahlengänge am Stemi, aber da spielen wohl auch die mit der Kompensation überforderten Augenmuskeln eine große Rolle, nicht allein die neuronale Bildverabeitung im Gehirn.

2) Die Binokulartuben der gewöhnlichen Mikroskope sind ja primär nicht für stereoskopische Beobachtung gedacht.
ZitatDurch Mikroskope mit nur einem Beobachtungsstrahlengang habe ich noch nie räumlich gesehen. Ich glaube auch, dass das Einbildung ist, ...
Trotzdem fiel mir schon früh bei meinen Leitz-Mikroskopen auf, dass sich dort - besonders schön beim Tümpeln von Algenwatten erkennbar - ein deutlicher stereoskopischer Effekt zeigt. Ich glaubte schon an dejustierte Prismen, bis ich viel später in einem Buch las, dass das dann auftritt, wenn der Augenabstand etwas größer eingestellt wird, als es dem tatsächlichen Pupillenabstand des Beobachters entsprechen würde [bei Schiebe-Tuben]. Die Sehfeldränder würden dann - wie die sonst oft zum selber Basteln empfohlenen Halbblenden - wirken. Und wenn man dagegen den Augenabstand umgekehrt zu klein einstellt, dann soll sich ein pseudoskopischer Bildeindruck ergeben. Leider hatte ich die Textstelle nicht mit einem Lesezeichen markiert, und finde sie z.Zt. nicht wieder.
Hier vermutlich die Zeissige mit ihren Siedentöpfen im Nachteil (hab´ selbst kaum Siedentöpfe z. Vgl.). Warum sollte man auf eine zusätzliche Bildinformation - für umsonst, ohne Bastelei - freiwillig verzichten, auch wenn man sie nicht unbedingt braucht?

Zur Ausgangsfrage zurück: ich denke, dass etwaige Unterschiede (die mir so bisher an keinem Gerät begegnet sind) vom Gehirn wegkompensiert würden. Aus Erfahrung weiss ich aber, das zumindest am Stemi manche Mitbürger, die nicht die Benutzung solcher Geräte gewohnt sind, sich damit furchtbar anstellen. Die versuchen offenbar in das Stemi hinein zu gucken, anstatt hindurch zu gucken, und kommen ausserdem mit der hohen Lage der Austrittspupille der neueren Geräte regelmäßig nicht klar (hier helfen ggf. Augenmuscheln). Jedenfalls würde ich auf das Urteil von Nichtmikroskopikern diesbezüglich nicht sehr viel geben...
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

reblaus

Hallo -

vielen Dank für Eure nützlichen Diskussionsbeiträge! Für mich als "Außenstehenden" ist es sehr interessant von Eingeweihten was zu hören.
     Dummerweise habe ich das Thema mit der Überschrift des Zwirns unbeabsichtigt eingeschränkt - inbegriffen sind vor allem auch die Binokularei von Normalmikroskopen ohne Stereoskopie. Hier machen ich mir gelegentlich  Gedanken, wenn ich bei einem alten Schätzchen sehe, dass die Bilder der beiden Okulare m.E. "geringfügig"  verrutscht sind und ob das bei einem Sammlungsstück, auf dessen Funktionsfähigkeit ich Wert lege wohl tolerierbar ist oder ob es schon einer mühseligen Justage unterzogen werden sollte.
    Aus Gründen, die im letzten Absatz des letzten Beitrags angeführt wurden, ist der Einsatz von stereoskopem Familienpersonal in dieser Hinsicht auch nicht sehr schlüssig, zumal mir die Problematik auch aus zahlreichen Mikroskopieanfängerkursen in meiner akademischen Gesellenzeit geläufig ist.

Viele Grüße

Rolf

Mikroman

Hallo Rolf,

auch hier mal ein kleiner Erfahrungsbericht. Ich benötige seit Jugendzeiten eine Brille, deren Stärke sich über die Zeit wenig verändert haben: aktuell R -6,0 -1,5 117°; L -3,5 -3,5 77°. Wenn nicht viel Licht da ist, z.B. beim Zeitungslesen, muss ich die Brille absetzen. Beim Mikroskopieren habe ich Glück, d.h. ich kann sowohl ohne Brille als auch mit Brille befriedigend bis gut sehen. Ein Umfokussieren ist auch nicht notwendig. Bei meinem 7x50 Fernglas sieht es leider anders aus. Hier muss ich die Fokussierung stark ändern.

Gruß
Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

Dünnschliffbohrer

Hallo Rolf,

ich hab noch einmal ein bischen nachgelesen und in dem Buch "Optische Mikroskopie" von unserem Forumsmitglied Jörg Haus (Hund) auf S. 68 folgendes gefunden, was dein Problem vieleicht erklären könnte:
ZitatObwohl Binokulartuben für die meisten Anwender  eine angenehmere Beobachtung ermöglichen, gibt es Personen, die mit der Überlagerung der beiden Bilder Probleme haben - selbst wenn der Tubus optimal justiert ist. Diese Probleme können durch ein leichtes Schielen bedingt sein, das zwar im Alltag nicht auffällt, binokulares Sehen mit präzise justierten optischen Instrumenten wie Ferngläsern oder Mikroskopen jedoch schwierig oder sogar unmöglich macht. Die Grundjustage der Tuben ist stets so ausgelegt, dass die optischen Achsen der beiden Okulare exakt parallel stehen.

Nachtrag zum Beitrag von Thomas:
Ich habe jetzt ein Zitat zur Erzeugung des stereoskopischen Effektes durch zu weit eingestellten Schiebetubus wieder gefunden. Es steht im "Brockhaus ABC der Optik" auf S. 847 unter dem Stichwort Stereomikroskopie.
ZitatII) S. mit dem einobjektivigen Mikroskop. Einen räumlichen Eindruck kann man nach ABBE auch mit einem normalen einobjektivigen Mikroskop mit Binokulartubus erhalten, wenn man die Austrittspupillen des Mikroskos etwa durch Kappen, die auf die Okulare aufgesetzt werden, zur Hälfte abdeckt. ... Den gleichen Effekt erzielt man auch ohne zusätzliche Blenden, mit zu weit oder zu eng gestelltem Binokulartubus, wobei also die Augenpupillen die Austrittspupillen halbieren.
Es muss aber in einem anderen Buch noch irgendwo ein zweites vergleichbares Zitat geben.
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Uromastyx

Hallo allerseits,

ich kann mich "Dünnschliffbohrer" weitgehend anschließen - am Orthoplan, besonders mit den PlanApos 10 und 16 fällt mir ein deutlich stereoskopischer Bildeindruck auf, besonders beim Tümpeln. Algenwatten wirken wirklich räumlich. Bisher habe ich das immer mit den Großfeldokularen und dem groß ausgelegten Tubus in Verbindung gebracht, vielleicht auch noch mit einem günstigen Verhältnis zur Objektivapertur. Bei kleiner Veränderung des Augenabstands fällt mir keine Veränderung auf - sollte ich in Zukunft genauer beobachten.
Am Zeiss PhoMi ist mir bisher noch nie ein stereoskopischer Bildeindruck aufgefallen. Demnächst wrde ich einmal interessehalber einen Schiebetubus ans PhoMi anbauen - vielleicht ergibt sich eine Änderung.
Wenn ich am PhoMi mit Polarisationskontrast arbeite, stört mich die geringfügig unterschiedliche Helligkeit der beiden Beobachtungsstrahlengänge doch sehr. (Ein Depolarisator wäre hier wirklich nützlich!)

Noch eine persönliche Beobachtung: Ich leide unter deutlichem Astigmatismus, speziell im rechten (führenden) Auge, mikroskopiere trotzdem normalerweise ohne Brille mit Dioptrienkorrektur. Mit "einfachen" Okularen bekomme ich keinen wirklich scharfen Bildeindruck, mit Leitz Periplan oder Zeiss KPL stört mich mein Astigmatismus nicht mehr - wenn das Auge nachlässt, muss das Okular besser werden??

Viele Grüße
Gerd
Gerne per Du!

Naturkundeverein Schwäbisch Gmünd:    http://www.nkv-gd.de/

Meine Lieblingsmikroskope:
Zeiss PhoMi II mit Phaco und Polkontrast
Orthoplan - Phaco, Ploemopak, Hiller- LED
und diverse LOMO!