"mit Licht malen" für den räumlichen Eindruck

Begonnen von Heribert Cypionka, Februar 16, 2020, 23:09:23 NACHMITTAGS

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Heribert Cypionka

Liebes Forum,

fotografieren heißt ja "mit Licht malen". Und in diesem Forum werden die verschiedensten Beleuchtungsverfahren höchst erfolgreich eingesetzt :) Wer allerdings denkt beim Setzen des Lichts an die räumliche Welt, auch wenn er kein 3D-Bild präsentiert? Dabei hat unser Gehirn eine klare Bevorzugung, von wo es das Licht erwartet: von links oben!



Hier erscheint der Text-Button erhaben, weil die dunklen Striche rechts und unten einen Schattenwurf andeuten. Das Zahlenfeld hingegen erscheint tiefergelegt da der Schatten links oben liegt. Dreht man das Bild um 180°, kehrt sich der räumliche Eindruck um:



Aus demselben Grund erscheinen die Poren der Diatomeen-Schale auf dem nächsten Bild vertieft,



auf dem Negativ desselben Bildes aber als erhabene Noppen:



Nun habe ich zur Demonstration einen kleinen Bilderreigen mit Flechten aufgenommen, die mit zwei Mini-Videoleuchten von Moman beleuchtet wurden:



Diese Leuchten mag ich sehr, da sie akkubetrieben sind (mit Restzeitanzeige), nicht flimmern und sich in Helligkeit und Farbtemperatur fein regeln lassen. (Hier sieht man natürlich keine Flechten, sondern ein Stück meines selbstgebackenen Körnerbrots.)

Zunächst wurde ein erstes Bild allerdings mit einer Ringleuchte gemacht:


Den zu Gelbstich bitte ich bitte ich zu entschuldigen - ich hatte den Weißabgleich nicht neu gemacht, nachdem ich mit den Videoleuchten fertig war. Ansonsten ist dieses Bild aber gleichmäßig hell ausgeleuchtet. Es gibt kaum Schatten, da sich das Objektiv in der Mitte des Rings befand - und kaum Tiefe!

Das zweite Bild wirkt deutlich plastischer:


Allerdings kommt hier das Licht überwiegend von rechts unten, was vielleicht mancher erst beim zweiten Hinsehen bemerken wird.

Das dritte Bild wirkt weniger plastisch,


da hier die Lichtstärke von links und rechts etwa gleich war. Es hat allerdings mehr Tiefe als das erste, da man unter den Ascocarpen Schatten hat.

Nummer vier zeigt nun endlich, was unser Gehirn erwartet,



und ist stimmig :)

Natürlich habe ich auch noch stereoskopische Versionen für die Kreuzgucker:





Vielleicht kann der Beitrag den einen oder anderen anregen...

Viel Spaß beim Betrachten!
Heribert Cypionka

mikropit

Hallo Heribert!
Vielen Dank für die interessante "erleuchtende" Arbeit. Dabei würde mich interessieren: Sind die Noppen der Diatomee jetzt vertieft oder erhaben, oder lässt sich das gar nicht klären?
vG Peter
mikropit

Heribert Cypionka

Hallo Peter,

vielen Dank für die Rückmeldung! Da sind wohl Poren in der Diatomeenschale. Das Bild ist im DIC aufgenommen. Dabei werden ja benachbarte Bereiche durchstrahlt und anschließend überlagert, im Ergebnis kann sich dabei je nach Richtung und Struktur Addition oder Subtraktion ergeben.

Herzlichen Gruß
Heribert

Kurt Wirz

Hallo Heribert

Vielen Dank für die eindrücklichen Beispiele.
Ich beleuchte in den meisten Fällen durch einen rundum Diffusor mit 4 Blitzgeräten.
Manchmal lasse ich einen Blitz weg, so dass das Licht hauptsächlich von drei Seiten kommt, oder ein Blitzgerät leuchtet heller (da nicht so stark leistungsreduziert),
oder ein Blitzgerät ist näher beim Diffusor.
Oft reicht es auch aus, wenn sich das Objekt nicht in der Mitte des runden Diffusors befindet.
Ausgemessen habe ich bis jetzt die Helligkeitsunterschiede nicht, da es je nach Objekt eine unterschiedliche Helligkeitsabweichung benötigt um einen 3D Effekt zu erziele.
Ich vermute, dass bei 4 Blitzgeräten durch Diffusor, es lediglich ein Blitzgerät benötigt, dass um etwa eine Blende heller ist.
Wichtig erscheint mir, dass schon bedingt durch die Beleuchtung ein Unterschied entsteht, denn dieser lässt sich dann mit Bearbeitung gut abschwächen oder verstärken.

Kurt

Heribert Cypionka

Hallo Kurt,

du hast recht - es kommt auf die ungleichmäßige Ausleuchtung an. Die kann man z.B. auch mit einen Ringlicht erreichen, wenn man es nicht mittig platziert. Allerdings achten viele nicht darauf, das meiste Licht von oben links zu haben...

LG
Heribert

ania

Schöne Bilder und anschauliche Erklärung!
Warum man das Licht von oben erwartet, ist logisch. Aber warum eigentlich links und nicht rechts? Ich dachte immer das wäre egal.

Klaus Herrmann

Hallo Anna,

ZitatAber warum eigentlich links und nicht rechts? Ich dachte immer das wäre egal.

Eine berechtigte Frage. Hat vielleicht was mit spezifischer Verschaltung im Gehirn zu tun. Müsste man mal untersuchen, ob es für Links- und Rechtshänder einen Unterschied in der Empfindung gibt. Also für mich muss die Sonne immer von links oben kommen - so gegen 10:36 etwa ;)
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Kurt Wirz

Hallo

Mit Schreiben beginnen wir ebenfalls oben links.
Im Japanischen kann es umgekehrt sein,
ursprünglich von oben nach unten und von rechts nach links.
Bücher wurden von hinten aufgeschlagen.
Es könnte somit sein, dass bei alten Bildern in Japan, vorzugsweise das Licht von oben rechts kommt?
Heute ist die Orientierung in Japan vermehrt so, wie bei uns.

Bei uns ist links unten die Nähe, rechts oben ist die Ferne,
die Flucht folgt dementsprechend diagonal von u.l. nach o.r.

Kurt

Gerd Schmahl

Hallo,
links-rechts hat wohl mit der üblichen Gehirnhälften-Arbeitsteilung zu tun (rechts mehr für das Ganze und die Gefühle- links mehr für die Details und das Logische) und der daraus resultierenden Art, die Welt wahrzunehemen. Die allermeisten Menschen betrachten einen Raum von links nach rechts. Das dürfte in Japan nicht anders sein, als bei uns. Ich weiß, dass z.B. Ermittler angehalten werden, einen zu untersuchenden Raum bewußt andersherum (also von rechts nach links) zu betrachten, um eine größere Aufmerksamkeit für Details zu bekommen. So wird uns bei der einfachen Betrachtung eines Bildes mit "falschem" Lichteinfall zunächst nur auffallen, dass etwas komisch ist (Gefühl). Erst beim Blick auf die Details wird uns der "falsche" Schatten auffallen.

Linkische Grüße von Deutschlands rechtem Rand
(geografisch gemeint beim Blick auf die in Europa üblichen Karten)
Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.