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Bunte Kugeln

Begonnen von Michael Plewka, September 26, 2020, 17:31:24 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

hallo zusammen,
wie schon in den letzten Jahren hat mich auch dieses Mal wieder die Lebewelt in den Felspfützen der Bretagne fasziniert. Diese Pfützen sind dadurch charakterisiert, dass sie ziemlich flach und klein sind, lediglich vom Regen gespeist werden und deshalb relativ schnall austrocknen, weshalb  die dort vorkommenden Organismen  entsprechend adaptiert sein müssen. Wie vielleicht bekannt, liegt  der Schwerpunkt meines Interesses dabei auf den Rädertieren.

Interessanterweise ist die Artenzusammensetzung in solchen Pfützen meist durch bdelloide Formen charakterisiert; umso erstaunlicher war es, dass in einer dieser Pfützen in großer Anzahl die monogononte Art Epiphanes senta zu finden war, eine Art, über deren Lebensraum ich schon längere Zeit rätsele. Hier liegt also -wieder mal- ein ephemerer Lebensraum für diese Art vor.

Weiterhin auffällig war, dass hier viele Epiphanes-Männchen vorhanden waren (in einer weiteren Felspfütze ca. 30 km entfernt fand ich ein paar Tage später ebenfalls  E. senta, aber nur Weibchen).  Diese hatte ich zuvor noch nie gesehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Rädertier-Arten sind  hier die Männchen nur geringfügig kleiner als die Weibchen, haben aber ebenfalls keine Kauer.   Bei einigen der bisher von mir angetroffenen  Männchen  verschiedener Arten (siehe z.B. hier:

http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/E-TL/e-Ecology/Rotifer%20males2.html

habe ich  im Bereich der Fortpflanzungsorgane Ansammlungen von (im DIK) gefärbten Körnchen beobachten können.  So auch bei E. senta.

Hier eine Seitenansicht eines männlichen Tiers. Die beiden Pfeilköpfe markieren einige Blasen (??Drüsen??) mit diesen Körnchen.  Es bedeuten
Br: Gehirn;  FG: Fußdrüsen; PT: Pseudotrochus; RM: Retraktor-Längsmuskel; SB: Sinnesborsten; Sp: Spermien; TR: ,,atypische Spermien"; VD: Vas deferens (Spermienkanal); das Sternchen markiert eine der Prostatadrüsen:



Bei E. senta sind diese Körnchen, vermutlich energiereiche Reservestoffe,  in Kugeln/ Blasen (?? Drüsen??) eingelagert und optisch aktiv, so dass sie im polarisierten Lichts des DIKs bunt aufleuchten:




Weitere Bilder/ Infos hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Epiphanes%20senta.html

Vielleicht noch eine Bemerkung zur Aufnahme (-technik). An diesem Beispiel wird wieder mal deutlich, welchen großen Vorteil die hohe Dynamik einer raw-Datei gegenüber eine jpg-Aufnahme bietet. Nur damit ist es möglich, die Dynamik so zu kontrollieren, dass die Farbigkeit dieser Reservestoffe sichtbar gemacht werden kann.


Viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße
Michael Plewka

jcs

Hallo Michael,

wieder einmal sehr interessante Infos, begleitet von faszinierend schönen Aufnahmen. Schon spannend, was sich in so einer banalen Pfütze an biologischer Vielfalt finden lässt, wenn man genau hinschaut! Ich nehme an, die gezeigten Aufnahmen entstehen zu Hause und nicht unterwegs. Wie entscheidest Du vor Ort, welche Proben Du sammelst?

Jürgen

Heiko

Hallo Michael,

diese Farbtupfen bilden natürlich einen ,,Hotspot" in Deinen phantastischen Aufnahmen, der zusätzlich Aufmerksamkeit generiert.
Hast Du einen Verdacht, worum es sich handeln könnte – im chemischen Sinne.

Viele Grüße,
Heiko

Martin Kreutz

Hallo Michael,

wie mal ein außergewöhnlicher Fund von Dir mit außergewöhnlichen Bildern. Abgesehen vom wissenschaftlichen Aspekt geben diese Kugeln ja auch optisch was her! Auf Deiner plingfactory, wo Du das letzte Foto etwas größer zeigst, kann man erkennen, dass die doppeltbrechenden "Körnchen" offensichtlich paarig auftreten, wie so eine Art Zwillingsbildung bei Kristallen. Ich habe den Eindruck, als wären sie in dem Sekret, welches die Drüse bildet, von alleine auskristallisiert. Da fragt man sich wirklich, welche Verwendung dieses Sekret finden soll. Könnte es so eine Art Lockstoff für weibliche Tiere sein? Die weiblichen Tiere scheinen diese Drüse ja nicht zubesitzen.

Schönen Abend

Martin

Michael Plewka

Hallo Jürgen, Heiko und Martin,
vielen Dank für Euer Feedback!


@ Jürgen.
Im Gegensatz zu einigen anderen Mikroskopikern bin ich kein Freund des im-Gelände-Mikroskopierens (ich würde mich zu sehr ärgern,wenn ich was  Interessantes finde und es dann im Gelände nicht gescheit fotografieren könnte). Die Proben, die mich interessieren (Plankton, Detritus, Moos) , überleben den Transport zum stationär installierten Mikroskop (das ich natürlich in der Bretagne dabei hatte) ohne Probleme, so dass sich das Problem der Entscheidung gar nicht stellt.

@ Heiko & Martin
spannende Fragen/ Hypothesen....
obwohl es einige detaillierte Zeichnungen über die Morphologie von E. senta-Männchen gibt, kenne ich nur eine Zeichnung, auf der die hier vorgestellten "Blasen" zu sehen sind. Was schriftliches hierzu bzw.  zu den Körnchen anderer Männchen (Chemie/ Funktion) ist mir nicht bekannt. Das Phänomen fällt ja auch nur bei Verwendung von Polarisation auf, die bei Tümplern eher selten Verwendung findet/ fand.

Martin, Du hast ja schon richtig beobachtet, dass die Körnchen anscheinend paarig auftreten und auskristallisiert sein müssen (Flüssigkristalle würde ich mal ausschließen); ich kann in den Aufnahmen der gequetschten Viecher auch keinen Ausgang aus einer Drüse o.ä. erkennen. Insofern bleibt für mich die weitere Chemie der Stoffe und ihre Funktion ein Rätsel  (müsste man mal Chemiker dazu fragen   ;) ;) ;)  )   Meine Floskel-Dreschmaschine hatte ja bereits: "Funktion: Reservestoff" ausgespuckt; die Hypothese "Anlockung" kann ich nicht ausschließen (Männchen und Weibchen finden sich wahrscheinlich auf chemischer Basis); allerdings wäre E. senta dann insofern eine Besonderheit, als "normalerweise" die Männchen (nach meinen Beobachtungen)  weitaus aktiver und schneller als die Weibchen schwimmen (Reynolds-Zahl?), vermutlich also das Weibchen die Quelle der Anlockung ist.

Vielleicht mal ein Thema für eine Examensarbeit.....


Beste Grüße
Michael Plewka