Botanik: Ficus carica (W-Asim III quick and dirty)

Begonnen von Peter T., Dezember 15, 2024, 20:48:31 NACHMITTAGS

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Peter T.

Beinahe hätte es der Feigenbaum sogar in meine Reihe der Pflasterritzenflora geschafft. Wie das?

Dazu komme ich noch.

Zum Feigenbaum muss man ja kaum noch was sagen. Jeder hat dazu seine Assoziationen. Es ist immerhin der erste Baum, der in der Bibel Erwähnung findet. Nach dem Sündenfall haben Eva und Adam sich mit einem Schurz aus Feigenblättern verhüllt.

Und wer es nicht so mit der Bibel hat: Im alten Griechenland wurden der Feige aphrodisische Eigenschaften zugeschrieben. So sind phallische Darstellungen des Gottes Dionysos oft aus Feigenbaumholz geschnitzt.

Auch die Römer wussten um die Bedeutung dieses Gewächses. Cicero (für die Lateiner: Das ist der mit dem "Quo usque tandem abutere, Catalina ..." ja, ist lange her.), also dieser Cicero berichtet von einem Feigenbaum , an dessen Ästen sich eine lebensmüde Frau erhängte. Daraufhin habe der Nachbar den Witwer um Stecklinge gebeten. Das will ich natürlich jetzt nicht näher kommentieren.

Der Feigenbaum ist eine typische Pflanze des MIttelmeerraumes. In unseren Breiten ist sie kaum zu finden. Hier ist eine Verbreitungskarte von Ficus carica in Bayern:

Bildschirmfoto 2024-12-15 um 20.04.15.jpegBildschirmfoto 2024-12-15 um 20.05.34.jpg

Nun stammt mein Exemplar aus München und zwar nicht aus dem Botanischen Garten (bei dem auch die Entnahme von Pflanzenteilen streng verboten ist), sondern mitten aus der Innenstadt.

Und hier komme ich auch zurück auf meine Einleitung mit der Pflasterritzenflora. Aber seht selbst:

Fc k.jpg


Eigentlich ist das tatsächlich Pflasterritzenflora, oder nicht? Aber ich will diesen Begriff nicht ins Groteske ausdehnen.

Wikipedia gibt an, dass in unseren Breiten in Ausnahmefällen auch Feigenbäume bis minus 15 Grad winterhart sein können, so sie an besonders geschützten Stellen stehen. z.B. an Hauswänden (!).
Nun ist das nicht etwa eine beliebige Hauswand, sondern die schöne Backsteinwand einer altkatholischen Kirche, nämlich St. Willibrord.

Ob der Feigenbaum hier gedeiht, weil die Nähe zu biblischen Gefilden hier besonders intensiv ist? Das zu entscheiden, überlasse ich Euch, liebe Foristen.

Hier möchte ich einen Blattstiel zeigen. Er hat sich ziemlich gegen die mikroskopische Betrachtung gewehrt, ist er doch recht hart und spröde. Erst mit gutem Zureden, einer Karotte und meinem Schlittenmikrotom war er zu überzeugen.

Für die Färbung habe ich meine Experimentierreihe mit der W-Asim III - Färbung fortgesetzt.
Hier habe ich eine "quick and dirty"- Variante ausgetestet:

Auf 2,5 ml Aqua dest. kommen 6 gtt Rhodamin B, 4 gtt Alcianblau und 1 gtt Acriflavin, also die vorgesehene Mischung für diese Simultanfärbung. Ich habe dann die Schnitte für 5 Minuten auf 60° erwärmt und anschließend wie üblich weiterbehandelt. Das Ergebnis seht ihr hier:

Zunächst die Übersicht (Pano aus 4 Bildern, 4x Obj.)

Fc 1.jpg

Wie üblich, ein Blick auf eines der Leitbündel (40x Obj.)

Fc 2.jpg

Dann ein Überblick mit dem 10x Objektiv über das ausgedehnte Rindenparenchym. Was man hier erkennt, ist für mich auch das Besondere an diesem Schnitt. Der Feigenbaum ist voller Kristalle, und zwar sowohl Drusen als auch prismatische Kristalle. Die Kristalle dienen zum einen der Speicherung von überschüssigem Calcium (die meisten der Drusen sind Calciumoxalat-Kristalle), vor allem aber dem Schutz vor Fressfeinden. Wer will schon gerne in eine Pflanze beißen und dann diese Kristalle zwischen den Zähnen haben?

Kristalle im Blattstiel von Ficus carica (10x Obj.)

Fc 5.jpg

Hier noch einige dieser Kristalle im Durchlicht (40x Obj.)

Fc 4.jpg

Und hier noch Kristalle (Drusen und prismatische Solitäre) in polarisiertem Licht) (40x Obj.)

Fc kp 2.jpg

Fc kp 3.jpg

Fc kp1.jpg

Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.
Liebe Grüße
Peter

Gerd Schmahl

Hallo Peter,
schöne Fotos von dem feigen Baum, der zu feige ist, sich anknabbern zu lassen.
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Peter T.

Vielen Dank, lieber Gerd.

Ein Held wird der nicht mehr, aber vielleicht gibts von denen ja schon genug. ;)

Liebe Grüße
Peter

Hans-Jürgen Koch

Hallo Peter,

Gratulation zum gelungenen Beitrag, Schnitte und Färbung sind super.

Bei den ,,Kristallen" handelt es sich nach meiner Meinung um Oxalatkristalle.

In der Regel liegen die Kristalle im Vakuolenraum, doch sind sie bisweilen auch in anderen Bereichen der Zellen zu finden.
Calciumoxalat und Calciumcarbonat lassen sich durch verschiedene Säurelöslichkeit voneinander unterscheiden.
Calciumcarbonat löst sich sowohl in Essigsäure als auch in Salzsäure unter CO2 – Entwicklung, während Calciumoxalat nur durch Salzsäure gelöst wird, und zwar ohne Gasentwicklung.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Peter T.

Hallo Hans-Jürgen,

ganz herzlichen Dank, ich freue mich sehr über Deine Anerkennung.
Liebe Grüße
Peter

Heiko

Hallo Peter,

Deinen interessanten Kristall-Befund in Ficus carica wollte ich gerne nachvollziehen. Ein Freihandschnitt durch einen Zweig bestätigt Dein Ergebnis. Die Kristalle bilden regelrecht eine Barriere:

Ficus carica, Zweig, Oxalat, verkl.jpg

Viele Grüße,
Heiko

Peter T.

Hallo Heiko,

was ich beim Ficus carica zum ersten Mal so gesehen habe, war die Kombination zwischen den Calciumoxalat-,,Blumen" und den Solitär-Kristallen.
Liebe Grüße
Peter