Alkohole in p.a. Qualität gut für Analytik weniger gut für die Mikroskopie?

Begonnen von bernd552, April 08, 2022, 11:16:46 VORMITTAG

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bernd552

Hallo in die Runde,

ich kann es nicht glauben, frisch bestelltes IPA und Äthanol in p.a. Qualität (von Roth Chemie) hinterlassen nach dem Verdampfen unterschiedlich starke Rückstände, die verwischbar sind?

Ich habe die Neubestellung getätigt, weil meine "alten" Alkohole in p.a. den selben Effekt zeigten, meine flächigen Diatomeen leicht am Untergrund anhafteten und schwer von diesem aufzunehmen waren.

Ich sehe diese Rückstände unter dem Stemi im Auflicht-Dunkelfeld besonders dann, wenn ein Tropfen der Alkohole auf einem hydrophoben Oberflächenspiegel verdunstet (ich arbeite mit Festplattenscheiben).
Ein Vergleichstest mit Aqua bidest und Ionenaustausch-Wasser zeigt beim Zweiteren auch Rückstände, diese sind jedoch nicht mit einem Tuch (ölig) verwischbar, es sind halt Salze.

Kennt ihr diesen Effekt auch? 

LG
Bernd

MiR

Hallo Bernd,

du meinst folgende Produktgruppe "ROTIPURAN® ≥99,8 %, p.a., vergällt" ?

Wenn ja, könnte der Auszug aus der Garantieanalyse von Interesse sein:

Vergällung
Methylethylketon (MEK)   1 %
Isopropylalkohol (IPA)   1 %
Denatoniumbenzoat   1 g/100 l

Kenne jetzt die (Partial)-Dampfdrücke von MEK und IPA (bei Raumtemperatur) nicht, aber IPA ist noch recht leichtflüchtig, MEK müsste man nachschauen ...
Aber es gibt noch den "Haupttäter", - der Feststoff Denatoniumbenzoat -, welcher ziemlich sicher für Rückstände sorgt. Mit ein bisschen Rest-MEK dürfte es einen (öligen bzw. schmierigen ?) Rückstand geben.

Viele Grüße
Michael


Peter V.

Hallo,

ich bin gerade irritiert, dass man eine vergällt (also mit Fremdstoffen versetzte) Substanz überhaupt als "p.a." (pro analysi) kennzeichnet. Für mich ist das eigentlich ein Widerspruch.*

Allerdings wird IPA ja üblicherweise nicht vergällt(?)

Herzliche Grüße
Peter

*EDIT: gerade gefunden (das wusste ich bislang auch nicht):

Zitatzur Analyse (auch reinst, z. A., p. a. = pro analysi oder analysenrein) – kann für analytische Verfahren verwendet werden, da Gehalt an Fremdsubstanzen angegeben wird. ultrarein – für spezifische Anwendungen, mit ausführlichem Garantieschein und Angabe der Höchstgehalte relevanter Verunreinigungen.
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

momotaro

Hallo,

laut Garantieanalyse von ROTH besteht das Produkt aus zwei Komponenten: Etanol p.a. Abdampfrückstand   ≤0,003 % und Vergällung.
Daher bezieht sich p.a. nur auf den Alkohol und nicht auf das Vergällungsmittel bzw. das gesamte Produkt.

Übrigens: Persönliche technische Beratung zu diesem Produkt

Frau Nickschas
+49 721 5606 - 1035
chemicals@carlroth.de

LG Helmut

,,Die Kunst ist lang, das Leben kurz, das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig." — Johann Wolfgang von Goethe Wilhelm Meister's Lehrjahre (1786–1830)

MiR

Hallo,

da gibt es eine ganze Menge verschiedener (höherer) Reinheitsgrade. Kann man bspw. am IPA (oder auch anderen LM) bei Roth (oder anderen Anbietern) nachvollziehen.
Für GC/MS , für IR, für UV/Vis-Spektroskopie, für die Pestilyse und was weiß ich noch alles.  Wenn ich aber ganz ehrlich bin hätte ich es, so aus dem Stehgreif, auch nicht formulieren können ...

ZitatAllerdings wird IPA ja üblicherweise nicht vergällt(?)

Gute Frage, kann man es ohne gesundheitliche Bedenken trinken ?  Ich habe mir mal die p.A.-Ware bei Roth angeschaut, finde aber keine Angaben zur Vergällung.

Wäre interessant zu wissen, welches IPA Bernd gekauft hat, dann könnte man nochmal gezielt in das Protokoll schauen. Zumindest verstehe ich seinen Info so, dass nur das EtOH p.A.-Ware ist.


Viele Grüße
Michael


momotaro

,,Die Kunst ist lang, das Leben kurz, das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig." — Johann Wolfgang von Goethe Wilhelm Meister's Lehrjahre (1786–1830)

Werner

Lasse einen Tropfen Alkohol mal auf einem sauberen Objektträger oder mehr Tropfen auf einem Uhrglas verdunsten und vergleiche mit der Harddisk.

Die Magnetplatten sind nicht einfach Aluminium und Cobalt oder einem anderen Magnetmaterial, sonden haben noch geheimgehaltene Schutzschichten gegen das Festkleben des Kopfes. Warscheinlich löst das IPA da etwas heraus und legt es nach dem Verdunsten wieder ab. Vielleicht kann man die Schutzschicht auch mit warmen Alkohol ganz entfernen.

Ich könnte ersatzweise auch aluminiumbedampfte optische Planspiegel mit einer Schutzschicht aus MgF2 oder SiO2 liefern.

Gruß - Werner


bernd552

... ups, ich habe nochmal nachgeschaut, da habe ich mich aber"verbestellt", sonst kaufe ich immer p.a. Lösungsmittel, jetzt war es die Pharmazeutische Klasse "≥99,5 %, Ph. Eur., reinst" (2-Propanol und Äthanol). Da sind definitiv - wie bei p.a. - keine Vergällungsmittel drin.
Aber beim Vergleich mit den "alten" Lösungsmitteln, die in p.a. Reinheit sind (oder waren?) ist der Rückstand augenscheinlich gleich.  Das feste Denatoniumbenzoat als Erklärung hätte hier von seinen Eigenschaften schon gut gepasst.

@Werner
Die Harddisk ist definitiv sauber, die habe ich schon bestimmt über die Jahre < 100x in polaren und unpolaren Lösungsmitten "gebadet". Mit der teste ich übrigens auch, ob bei meinen nachgekauften Tupfern oder fluselfreien Optiktüchern irgend etwas mit den Reinigungs-Lösemitten herausgelößt wird, die Spiegeloberfläche zeigt alles an Rückständen gnadenlos an.

Durch die hohe Hydrophobizität der Scheibenoberfläche verkleinert sich der aufgetropfte, verdunstende Lösemitteltropfen und erhöht so die Konzentration aller gelößten, festen Verunreinigungen auf eine kleine Fläche.
Auf einer transparenten Glasplatte sehe diese Rückstände fast nicht.

LG
Bernd

jako_66

Hallo zusammen,

selbst kaufe ich nur technische Alkohole und destilliere einfach, wenn es darauf ankommt. Wasserspuren "fische" mit geglühtem Molsieb 3Å raus. Seitdem habe ich keine Probleme mehr mit der Eindeckung in Canadabalsam oder Eukitt.

Viele Grüße

Sven

MiR

Hallo,

unabhängig davon, das Bernd aus Versehen unvergällten Alkohol bestellt hat, muß ich meine Argumentationskette hinsichtlich des Feststoffes trotzdem (etwas) revidieren.

Wenn man ausrechnet, wieviel von dem Feststoff in einem bis zwei Tropfen enthalten ist, kommen mir starke Zweifel ob das eine Erklärung sein kann (so man wirklich vergällten Alkohol vorliegen hat  ;)).
Das sind gerade mal 0,1 Mikrogramm auf 10 Mikroliter (TropfenVolumen geschätzt, da ich gerade nicht überprüfen kann, wieviel 10 Mikroliter wirklich sind). Das erscheint mir seeehr wenig für einen merklichen Rückstand ...
Dann wäre da noch der Fakt, das es ja nicht im Sinne der Steuerbehörde (oder wer auch immer) ist, wenn man den (bitterschmeckenden) Feststoff einfach mal durch Verdunsten entfernen könnte ...

Viele Grüße aus Berlin
Michael


Aljoscha

Zitat von: MiR in April 09, 2022, 01:47:45 VORMITTAG

Dann wäre da noch der Fakt, das es ja nicht im Sinne der Steuerbehörde (oder wer auch immer) ist, wenn man den (bitterschmeckenden) Feststoff einfach mal durch Verdunsten entfernen könnte ...


Hallo Michael,

Das Denatoniumbenzoat kann man schon durch Destillation entfernen. Deshalb werden zur Vergällung zusätzlich Flüssigkeiten wie Isopropanol und Methylethylketon verwendet. Deren Siedepunkte liegen zu nah an dem von Ethanol. Da klappt Destillieren nicht.

Viele Grüße

Alexander

MiR

Hallo Alexander,

na, da könnte man das Denatoniumbenzoat ja auch gleich weglassen, bzw. es wäre gerade mal ein "Schutz" vor Menschen, welche keine Destillieranlage besitzen bzw. keinen Zugriff darauf haben. ;)
Wenn du diese Destillation schon mal ausprobiert hast, wie hast du den Erfolg geprüft ?

Viele Grüße
Michael

MiR

Hallo Bernd,

ich bemerke gerade, dass ich etwas unhöflich war und gar nicht auf deine Frage eingegangen bin.
Nein, ich kenne diesen Effekt nicht! Kommt aber daher, dass ich mich noch nicht für Verdunstungexperimente auf Oberflächen interessiert habe. ;)

Was mich aber schon interessiert, ist, was da wirklich abläuft! Hast du vielleicht ein oder zwei Fotos vom Tatort ? Wie sieht es denn mit der genauen Durchführung des Experimentes und den Umgebungsbedingungen aus (z.B. feuchter und kalter Raum)?

Was ich mir noch gut vorstellen könnte, sind Wasserspuren. Also nicht das  Restwasser im Alkohol, sondern eher
1) welches im Lauf der Verdunstung vom EtOH aufgenommen wird und dann übrig bleibt
2) durch Wasserdampf, welcher sich am Substrat, aufgrund der "verbrauchten" Verdunstungsenthalpie des Alkohols und der damit verbundenen Abkühlung des Substrats, niederschlägt.
oder noch etwas ganz anderes ...

Viele Grüße
Michael

jochen53

Hallo Michael,
Deine Theorie vom Kondenswasser ging mir auch schon durch den Kopf, sie klingt für mich sehr plausibel. Die Wasserspuren müßten aber wieder vollständig verdunsten.
Das Denatoniumbenzoat (= Bitrex) schmeckt unheimlich bitter, es wird nur dem Ethanol zugesetzt, damit der steuerfreie Alkohol wirklich nicht getrunken wird, auch nicht von Kindern und pathologischen Alkoholikern. Die haben nämlich keine Destillen.

Viele Grüße, Jochen.