Zeiss Mikroskop-Bauteile mit Bauteilnummern 2uvwxyz

Begonnen von PiusX, April 06, 2023, 22:20:07 NACHMITTAGS

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PiusX

Liebe Mikroskopiker,

des öfteren werden in der elektronischen Bucht Mikroskopteile von Zeiss aus der Endlichzeit mit siebenstelligen Bauteilnummern 2uvwxyz anstelle der am weitesten verbreiteten, siebenstelligen Bauteilnummern 4uvwxyz angeboten. Hierbei haben erstere mit der Ziffer 2 beginnende Bauteilnummern, während letztere mit der Ziffer 4 beginnende Bauteilnummern haben. Außerdem sind die Mikroskopteile in beiden Fällen mit der Aufschrift "Carl Zeiss" versehen. Im Bild unten ist als Beispiel ein Objektiv von Zeiss mit einer mit der Ziffer 2 beginnenden, siebenstelligen Bauteilnummer abgebildet.



Nun habe ich vor einiger Zeit erfahren, daß es sich bei den Mikroskopteilen, die mit einer mit der Ziffer 2 beginnenden, siebenstelligen Bauteilnummer versehen sind, um Teile aus jener Ära handeln würde, als Zeiss unter dem Namen Zeiss Winkel firmierte. D.h. diese Teile sollen also Mitte bis Ende der 1950er Jahre produziert worden sein.

Kann jemand aus dem Forum die im letzten Absatz getätigten Aussagen bestätigen bzw. gegebenfalls korrigieren?


Netten Gruß

PiusX

Jürgen Boschert

Hallo PiusX,

soweit mir bekannt, sind diese 7-stelligen Nummern eben keine Teilenummern, sondern "echte" Serien-Bezifferungen. Eine Systematik dazu ist mir nicht bekannt. Die 6-stelligen Nummern hingegen sind Teile-Nummern. Die daran über einen Bindestrich angehängten 4 Zahlen repräsentieren Versionsnummern, wobei dabei auch kleinste, nicht ohne weiteres relevante oder gar erkennbare Änderungen zu einer Änderung der Versions-Nummer führen konnten.
Beste Grüße !

JB

Apochromat

#2
Hallo PiusX,

in Göttingen wurden von 1953 (da lief die Nachkriegsproduktion wieder richtig an) bis etwa Ende der 1970er Jahre Objektivhülsen zunächst mit dem "ZEISS- WINKEL"- bzw. später, ab 1957, mit "Carl- Zeiss-West"- Linsenlogo und Seriennummer verwendet. Die wurden alle aufgeschrieben in ein leider (noch) unveröffentlichtes Buchsystem. Es gab zwar frühe STANDARD- Geräte ab 1949, die sind aber sehr selten (obwohl davon schon 10.000 Stück gebaut wurden). Die farbig (!) gedruckten Prospekte dazu (in DIN A4) habe ich noch irgendwo :)

Nun wurden aber die Hülsen für einen Objektivtyp früher immer lange im Voraus vorgefertigt, einzeln Qualitäts- kontrolliert (Nickel oder Strich- Chrom-Poliert, Kratzer, richtige Auslegung mit Farbe, Gravurfehler etc.) und dann eingelagert. Daher wusste man dann für jede Losgröße eines Objektivtyps/ Kondensors von welcher bis zu welcher Seriennummer die Zahlen bereits vergeben waren.

Bei Bedarf, wenn also der jeweilige Objektivtyp zusammengebaut wurde, hat man dann die Hülsen abgelängt, indem man erst ganz zum Schluss ihr Feingewinde anbrachte. Das ist der Grund, warum man die Hülsen besonders bei den Trockenobjektiven mit Präparatschutz NICHT tauschen darf (die Gewinde sind nicht immer exakt gleich lang), da sonst optisch- mechanische Probleme auftreten können.

Eigentlich war aber 1971 im Londoner Abkommen zwischen den beiden verfeindeten ZEISS- Firmen die weitere Benutzung der berühmten Warenzeichen in den jeweiligen Wirtschaftsgebieten geregelt worden. Da war festgelegt, dass Zeiss, Oberkochen keine ZEISS- Linse mehr verwenden durfte. Es gab aber Übergangsfristen. Zeiss, Oberkochen durfte zum Beispiel alle bereits hergestellten Komponenten mit Linsen- Logo aufbrauchen (Objektivhülsen, Kondensordeckel, die Jamin- Lebedeff- Komponenten, Immersionsöler etc.) und in den westlichen Ländern abverkaufen. Ebenso Carl Zeiss JENA in den COMECON- Staaten. Deshalb gibt es seltener hergestellte Objektive, wie z.B. das Objektiv Planapo 63x/1,40 Oil Ph 3, die noch bis etwa 1979 mit der Carl- Zeiss- Linse ausgeliefert wurden. Da war aber die Beschriftungsfarbe noch anders, nämlich Weiss mit Rot (Ph) statt Schwarz oder Grün (Ph).

Danach kam das eckige ZEISS- Logo (West Germany) mit den Bestellnummern. Die Zeiss, Oberkochen- Endlich- Ära endete 1986 mit der Einführung der Axio- Pyramiden. Teile wurden aber noch bis 1990 gefertigt und dann über Jahre abverkauft.


Die Fa. RUDOLF WINKEL wurde am 01. Oktober 1857 von Rudolf Winkel in Göttingen geründet.








Einer der Eingänge zur Fertigung -jetzt moderner als auf meinem Foto- mit dem schönen WINKEL- Logo.

Die Firma R. WINKEL war bereits 1911 in den vollständigen Besitz der Firma Carl Zeiss, Jena übergegangen. Nach dem Krieg wurde in Göttingen von (1949) 1953 bis 1957, also bis zur Eingliederung des Göttinger Betriebes in die 1949 in Heidenheim/ Brenz gegründete ZEISS- Stiftung, eine neu entworfene ZEISS- WINKEL- Linse verwendet. Die Eingliederung der Fa. R. WINKEL GmbH, Göttingen in die Stiftung geschah zum 100. Geburtstag der Fa. R. Winkel am 01. Oktober 1957. Es gab da in Göttingen eine sehr große Feier, über die von den älteren Kollegen noch lange gesprochen wurde ... Die ZEISS- WINKEL- Logos wurden aber ab 01. Oktober 1957 vom neuen Stiftungsbetrieb konsequent aussortiert und verschrottet.

Nicht nur die ZEISS- Firmen in West und Ost, auch die jeweiligen Stiftungen stritten erbittert um ihre Legitimation. Jetzt ist das alles Geschichte.

So sind wir von der einfachen Frage nach den Serienummern mal wieder auf ein bewegtes Kapitel der ZEISS- Geschichte gekommen ....

LG
Michael

PolMik

Hallo PiusX,

wie schon oben geschrieben, ist das ein Zeiss - Objektiv aus Oberkochen z.B. für das Standard. Also nach 1947 und vor 1960. Winkel - Zeiss und Zeiss - Winkel hatten andere Wappen. Da standen oben im Wappen Winkel - Zeiss und unten Göttingen. Bei Zeiss - Winkel oben Zeiss und unten Winkel. Beim Stammhaus stand bis zur Zerschlagung der eigentlichen Expertise durch Oberkochen oben im Wappen Carl Zeiss und unten Jena. Bei den Nummern können die Standard-Besitzer besser helfen. Wahrscheinlich vor 1956. Die Nummern mit 4xyz wurden von 1956 bis 1960 benutzt.

Viele Grüße
Michael

Apochromat

Hallo Michael,

Frage: Woher weißt Du denn, von wann bis wann die Anfangszahlen der Seriennummern ausgeliefert wurden? Das würde mich sehr interessieren.

LG
Michael

PolMik

Hallo Michael,

danke für die Antwort. Das weiss ich nicht. Da müssten die Zeiss-Standard - Experten mehr wissen. Aber hier mal ein Link zu einer Seite mit verschiedenen Zeiss Objektiven von 1940 bis 1990. Das ist recht beeindruckend
https://microscopyofnature.com/achromatic-objectives-zeiss-and-zeiss-winkel

Viele Grüße
Michael

Apochromat

#6
Hallo Michael,

in dem Artikel, den ich auch kenne, stehen keine genauen Nachweise/ Belege.
Ich habe jahrelang nach den Objektivbüchern gesucht und auch die Kollegen suchen lassen. Erfolglos.

Gruß

Michael

NACHTRAG: Nur die Objektive für das W- Stativ wurden nicht in Göttingen gefertigt, die kamen tatsächlich aus Oberkochen und hatten auch eine etwas feinere Gravurstrichstärke. Das W- Stativ war optisch kein großer Wurf, mechanisch schon sehr innovativ mit den Bajonett- Schnittstellen. Insbesondere die Phasenringe waren nicht richtig gefertigt ..... Es wurde dann ja auch rasch wieder beerdigt.

PiusX

#7
Lieber Apochromat,

wenn ich Dich also richtig verstanden habe, kann also gar nicht gesagt werden, ob und wann ein Bauteil mit der siebenstelligen Seriennummer 2uvwxyz und der Aufschrift "Carl Zeiss" von Zeiss in Göttingen produziert wurde und ob es dann auch identisch mit einem Bauteil desselben Typs (z.B. ein Objektiv) mit einer sechsstelligen Seriennummer wie z.B. 2abcde und der Aufschrift "Zeiss Winkel" ist?


Frohe Ostern wünschend

PiusX

Apochromat

#8
Lieber PiusX,

ob in Göttingen: Ja, alle Objektive für das STANDARD- Programm vom STANDARD Junior bis zum ULTRAPHOT III b wurden in Göttingen gefertigt
wann in Göttingen: Nein, nicht genau. Trotzdem wurde bei den Seriennummern durchgezählt
identisch Zeiss- Winkel mit Carl- Zeiss, am Anfang ja, dann technologische Weiterentwicklung der Objektivfertigung (siehe unten)

Objektive mit Zeiss- Winkel- Linse wurden bis 1957 gefertigt. Objektive mit Carl- Zeiss- Linse danach. In den Jahren ab 1953 und auch insbesondere nach Übernahme als Stiftungsbetrieb wurde in Göttingen massiv investiert in die Fertigung. Die Vergütungstechnologie machte große Fortschritte, dazu kam die Einführung modernster Messmethoden (Interferometrie) und Technologien (z.B. Kugelfertigung der Frontlinsen mit Füllfassung). Man kann schon allgemein sagen, dass die späteren Objektive mit dem Carl- Zeiss- Logo besser vergütet werden konnten, als die mit dem Zeiss- Winkel- Logo. Da aber die viellinsigen Systeme erst ab etwa 1965 auf den Markt kamen, wie z.B. die Serie "Planapo" gibt es schlecht Vergleichsmöglichkeiten. Bei den Objektiven Neofluar kann man aber schon sehen, dass die späteren Ausführungen (mit Carl- Zeiss- Logo) kontrastreichere Bilder liefern.  Auch das Optikdesign änderte sich. Es kamen immer mehr neue Objektivtypen dazu (z.B. Ersatz der Objektive Apo gegen Planapo, später die Multi- Immersionen "Imm Korr" und "Plan- NEOFLUAR" etc.).

ABER: Alle Zeiss- Winkel- Objektive waren noch mit Kanadabalsam gekittet. Das wurde dann ab etwa 1972/ 73 mit der Einführung des AXIOMAT anders. Man stellte auf synthetische Kitte um, da sich nur so die ungeheure Masse an schier nicht enden wollenden Aufträgen überhaupt bauen ließ.

Es gibt aber auch Objektive mit der Carl- Zeiss- Linse, die noch länger mit Kanadabalsam gekittet wurden, nämlich die Objektive der Baureihe Apo und Neofluar/ NEOFLUAR: Das sieht man, wenn man von Außen die Frontlinsenfassung seitlich beleuchtet, als bernsteinfarbenen Rand.

Die Optikfertigung war von 1953 ab im Werk II, das heute ein Jobcenter beherbergt. Ab etwa 1970 wurde dann in der Königsallee massiv aufgebaut und das Werk II der Stadt Göttingen überlassen. Da die Nummernbücher der alten Optikfertigung nicht auffindbar sind, kann man über die zeitliche Abfolge nichts sagen. Die liegen irgendwo in einer Schublade und tauchen aber bestimmt irgendwann einmal wieder auf. Das wäre dann ein wirklich wichtiger Fund. Manchmal finden sich aber auch Hinweise in den alten technischen Taschenbüchern. Das sind aber immer nur Einzelangaben. Das wurde von den Besitzern dieser Dokumente händisch eingepflegt. In den Objektivkapseln findet man bisweilen noch die Original- Zettel der Prüfabteilung "Z- Prüf" mit Datumsangabe. Die waren rechteckig und hatten einen gezackten Rand.

LG
Michael