Einfluss v. Kondensorapertur / Immersion auf Auflösung

Begonnen von purkinje, April 08, 2024, 13:12:49 NACHMITTAGS

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purkinje

Hallo werte Gemeinde,

zu diesem Thema Einfluss der Kondensorapertur bzw auch Immersion des Kondensors auf die Auflösung des Mikroskops wollte ich auf eine aktuelle Diskussion im britischen Forum hinweisen, die ich für ganz interessant halte:
Averaging condenser and objective numerical aperture when predicting resolution.
Von der dort besprochenen Literatur will ich nur eine Veröffentlichung herausgreifen, da ich die dort gemachten Angaben für ganz praktisch relevant halte:
In JOHN R. BAKER, Remarks on the Effect of the Aperture of the Condenser on Resolution by the Microscope, 1952
findet sich diese Tabelle
Baker NAcond.jpg
in der ich mal die Werte für einen immergierten Kondensor vs seiner trockener Apertur für zwei übliche Kondensortypen (n.A 1,4 vs.0,9 bzw 1,2 vs. 0,7) markiert habe.
Der Verlust an Auflösung bei trockener Anwendung beträgt demnach ca. 12-14%.
Natürlich berücksichtigt das nicht den Kontrast oder andere erwünschte oder nicht erwünschte Effekte, welche mit einer Aperturreduktion bis zu einem bestimmten Grad einhergehen können.
Diskussion, Meinungen, Beobachtungen etc. zu diesem Thema willkommen.
Beste Grüße Stefan

Rene

Nach dem Motto, ein Bild sagt mehr als tausend Worte, kann ich ein Beispiel aus einer alten Präsentation zeigen. Nur der Kondensoriris geschlossen, nicht refokussiert.

Praktisch gesehen bringt die volle Ausleuchtung eines Immersionsobjektivs selten etwas, außer bei schräger Beleuchtung. Selbst mit DIC bringt eine volle Beleuchtung selten mehr Ergebnisse. Nicht umsonst bietet auch Olympus kein Ölimmersions-DIC mehr an, sondern nur noch ein System mit Kondensor NA 0,9.
Man kann es mit einem Sportwagen vergleichen: Er braucht eine perfekt glatte Straße, um seine Höchstgeschwindigkeit zu erreichen.  Ich habe selten ein so perfektes Präparat unter meinem Mikroskop.

Viele Grüße, René

purkinje

Hallo René,
nun ist das, von Dir sehr schön gezeigte Beispiel, auch mit einem sehr hochwertigen Objektiv mit hoher Apertur gemacht.
Ein Verhältnis AKond : AObj-max ≈ 1.
Kannst Du bitte sagen mit welcher Ausgangs-Apertur das ganz linke Bild gemacht wurde, nur so circa: Blende ganz offen oder zu 1/4, 1/3 geschlossen?
Auch Leitz hat bei seinen älteren endlich-ICT Smith DIKs einen Kondensorkopf 0,9 verwendet, nur bei dem seltenen Nomarski-DIK war es glaub ich Apl Öl 1,25.
Beste Grüße Stefan 

Rene

Entschuldigung Stefan, das war ein quick and dirty approach, um den Kondensoreffekt zu zeigen. Ich weiß nicht mehr genau, wie ich das Mikroskop damals eingestellt habe.

Mit freundlichen Grüßen, René

Jürgen Boschert

Hallo,

die Auflösung nimmt in Renes Reihe eindeutig von links nach rechts ab; also kann man davon ausgehen, dass links mit weitgehend offener Aperturblende, rechts dtl. abgeblendet fotografiert wurde.
Beste Grüße !

JB

Lupus

#5
Hallo Stefan,

die Diskussion im englischen Forum scheint von der Frage ausgelöst worden zu sein, warum in der oft verwendeten Auflösungsformel d = 1.22*λ/(NAObjektiv+NAKondensor) der Mittelwert aus den beiden numerischen Aperturen die Auflösung bestimmt. Es handelt sich aber nicht um einen "Mittelwert" aus den numerischen Aperturen. Das Auflösungsbestimmende und Bilderzeugende ist immer NAObjektiv, durch den zusätzlichen Beleuchtungswinkel NAKondensor (im Vergleich zur rein axialen Beleuchtung) wird der effektive Erfassungswinkel des Objektives für höhere Beugungsordnungen erhöht, maximal verdoppelt bei NAObjektiv=NAKondensor. Und daher auch die Auflösung.

Aus der Abbe-Theorie, die die Bildentstehung durch Erfassen der ersten, diskreten Beugungsordnung eines optischen Gitters beschreibt, folgt die etwas andere Auflösungsformel
d = λ/(NAObjektiv+NAKondensor) - ein kleiner aber feiner Unterschied.

Der Faktor 1.22 aus der ersten Formel kommt vom Rayleigh-Kriterium, wo es um die Überlappung zweier Beugungsscheiben (Airy-Scheiben) punktförmiger Lichtquellen geht, also nicht um die Beugung eines Gitters. Der pragmatische Ansatz, dass die Auflösung dann gegeben ist wenn das Minimum des einen Beugungsbildes mit dem Maximum des anderen Bildes zusammenfällt, ergibt mathematisch diesen Unterschied. Beide Definitionen sind willkürlich, aber pragmatisch gewählt, und geben daher nicht die exakte erreichbare Auflösung wider. Das Ergebnis hängt bekanntlich auch von den Eigenschaften des Bildempfängers ab (Rauschen u.a.) und natürlich von der Objektgestalt, denn Auflösung wird über die Trennung von Strukturen über einen erkennbaren Kontrastunterschied definiert.

Diese Auflösungsformeln sind daher auch nur geeignet, Amplitudenobjekte genauer zu beschreiben. Für Phasenobjekte, die keinen definierten Anfangskontrast besitzen, sind es brauchbare, aber gröbere Näherungen. Darum finde ich die Tabelle aus der Veröffentlichung von Baker nicht hilfreicher als obige Formeln.

Wie Du weißt hatte ich zu der Problematik vor einiger Zeit in einem Beitrag im Rahmen der Erklärung der schiefen Beleuchtung Berechnungen diskutiert, die das auch grafisch zeigen. Daher nochmal zur Erklärung ein Auszug daraus:

Das Bild 1 zeigt zunächst das maßstäbliche Schema der beugungsbedingten Breitenänderung der Abbildung einer schmalen Linie (Amplitudenobjekt!) durch die NA des Objektives. Der (theoretische) Kondensor ist dabei maximal abgeblendet, also NAKondensor -> Null.



Bild 2 zeigt dann die Wirkung unterschiedlicher schiefer Beleuchtung an zwei eng benachbarten Linien (und darunter noch an einer breiten Linie). Ganz links ist die NA der Beleuchtung gleich der NAObjektiv, das Beugungsbild ist hier nur halb so breit wie in der 4. Grafik von links (numerische Beleuchtungsapertur -> Null), weil vom Objektiv dann der doppelte, vom Objekt ausgehende Beugungswinkel erfasst werden kann. Die Grafik rechts zeigt die volle Aperturöffnung des Kondensors und damit räumlich unkohärentes Licht. Im Ergebnis ist die Auflösung hier eine Art Mittelung aller Beugungsbilder aus verschiedenen Beleuchtungswinkeln, aber wegen des höheren Intensitätsanteils der geneigteren Beleuchtungswinkel (durch den größeren Flächenanteil der ringförmigen äußeren Objektivfläche im Vergleich zur kleineren Zentrumsfläche) ist diese mittlere Auflösung deutlich höher als nur der Mittelwert, etwa 70% der Auflösung aus der Summe der beiden numerischen Aperturen.

Bei der Abbildung einer breiten Linie (untere Reihe) ist die Abbildung bei offener Kondensor-Aperturblende objektgetreuer, hier sieht man bereits die Problematik der schiefen Beleuchtung mit engem Winkel (hohe Kohärenz, Interferenzartefakte).



Wenn man das Objekt jetzt komplexer gestaltet werden auch die Beugungsbilder komplizierter. Bild 3 zeigt an 4 benachbarten schmalen Linien als Objekt, dass die scheinbar hohe Auflösung der schiefen (räumlich kohärenten) Beleuchtung ein Nachteil ist, weil keine objektive, objektgetreue Abbildung mehr gewährleistet ist. Ähnliches sieht man an der Objektkante darunter.



Wenn man jetzt zu Phasenobjekten übergeht, wird das Thema beliebig kompliziert. So kommt auch der bekannte Effekt zustande, dass trotz theoretisch geringerer Auflösung bei moderat abgeblendetem Kondensor, der Bildkontrast und damit die Erkennbarkeit schwacher Phasenobjekte z.T. erst möglich wird oder dessen praktische Auflösung höher ist. Das Bild 7 zeigt das am Beispiel eines über der Auflösungsgrenze liegenden breiteren Phasenobjektes. Ähnliches gilt für die diversen Phasenkontrastverfahren, die wegen der "Störungen" des optimalen Strahlengangs eine geringere theoretische Auflösung haben als eine offene Kondensor-Aperturblende.



Die bekannte Auflösungsformeln bleiben ein brauchbarer Anhaltpunkt, im Vergleich der Objektive untereinander. Genaue Zahlenwerte sind aber wenig sinnvoll wegen der starken anderen Einflüsse auf die Auflösung.

Anmerkung: In der Realität sind die hier gerechneten Beispiele mit ihren Beugungsbildern nur schwer so deutlich zu erkennen. Das liegt daran dass 1. die Rechnung monochromatisch war, 2. die gerechnete Abbildung keine Bildfehler hat, 3. die Objekte ideal geformt sind und 4. keine Artefakte durch Kamerapixel entstanden. Mit dem Sterntest kommt man aber gut an das Ideal heran, als Beispiel aus einer früheren Diskussion https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=19155.msg146262#msg146262 ein schönes chromatisches Bild einer Lochblende von Stuessi:



Hubert

purkinje

Hallo Hubert und alle Freunde der partiell koherenten Beleuchtung,

die oben dargestellte Tabelle fußt ja auf der Arbeit von 1950, H. H. HOPKINS AND P. M. BARHAM, The Influence of the Condenser on Microscopic Resolution.
Interessant fand ich, dass hier der Koherenzgrad (AKond / AObj in die Formel zur Auflösung Eingang fand.
Wie im Mikrobenjäger-Faden mittlerweile diskutiert, hat es wohl auch mal den Versuch einer experimentellen Bestätigung gegeben.

Auch lesenswert ist übrigens die Vita des  Erstautors Harold Horace Hopkins :
https://en.wikipedia.org/wiki/Harold_Hopkins_(physicist) der sich wissenschaftlich früh mit Themen der Optik wie partielle Koherenz, Phasenverschiebung, Fourier Optik, MTF... befasst hat.

Immerhin hat dieser kleine Faden dazu geführt , noch einmal sehr schön illustriert, einige Grundlagen zu diesem Themenkomplex und seinen Problemstellungen von Hubert erläutert und illustriert zu bekommen .  ;)

Beste Grüße Stefan