Botanik: Pflasterritzenflora 14: Scharbockskraut (Ficaria verna) *

Begonnen von Peter T., März 27, 2025, 22:11:38 NACHMITTAGS

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Peter T.

Die Pflasterritzenflora im Frühling besteht meist aus Frühblühern, also Geophyten, die den Winter in ihren Knollen und Zwiebeln im Erdreich verbringen und dann "bei den ersten Sonnenstrahlen" schnell sprießen und wachsen. Bei ihnen geht es um Geschwindigkeit und nicht um Stabilität. Das bedeutet weiche Strukturen, viel Wasser in Stielen und Blättern. Da ist nichts lignifiziert und es gibt wenig Stützgewebe.

Es hat eine Zeitlang gedauert, bis ich begriffen habe, was das fürs Schneiden, Färben und Mikroskopieren bedeutet. Die weichen und grazilen Strukturen reißen und verformen sich leicht, es gibt am Mikrotom viel Matsch und massenhaft Ausschuss. Schneidet man zu dünn, gibts nur Fetzen, schneidet man zu dick, gibts Überfärbungen.

Es besteht bei den schnellwachsenden Geophyten also ein gehöriges Frustpotential für den Mikroskopiker.
Trotzdem glaube ich, dass es sich lohnen kann, diese Pflanzen zu präparieren und auch zu zeigen, selbst wenn sie nicht dem Ideal "schöner" Bilder entsprechen.

Das Scharbockskraut gehört zu den Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae) und ist in Mittel- und Nordeuropa sowie in Asien verbreitet. Im Erdreich befindet sich keine Zwiebel, sondern Wurzelknollen. Bereits im Mai welkt die Pflanze wieder und zieht sich in die Knollen zurück. Obwohl sie auffallend gelbe Blüten ausbilden, die auch von Insekten besucht werden, erfolgt die Vermehrung fast ausschließlich vegetativ über Brutknöllchen ("Bulbillen"), die sich unterhalb der Blattachseln bilden, zu Boden fallen und neue Pflanzen hervorbringen. (Infos aus Wikipedia)

Hier zunächst eine Illustration (Wikimedia Commons, public domain)

Bild 1
512px-Ranunculus_ficaria_Sturm59.jpeg

Hier das Exemplar, von dem mein Blatt stammt

Bild 2
Fv 4.jpg

Die lange Vorrede dient dazu zu erklären, warum ich einen Schnitt zeige, bei dem das Mark eingerissen ist. Dies war bei allen Schnitten, die überhaupt verwendbar waren, der Fall.

Hier also der Überblick über den Blattstiel (Färbung mit FCA nach Etzold)

Bild 3
Fv 1.jpg

Das Markgewebe erweckt fast den Anschein, es handele sich um Schwammparenchym, so locker sind die Zellen verbunden.

Im nächsten Bild sieht man zum einen ein Leitbündel, zum anderen erkennt man auf diesem Bild noch einmal, wie locker der Zellverbund auch schon dicht unter der Epidermis ist. Schön anzusehen auch die papillöse Cuticula. Allgemein sollen diese Papillen die Lichtstreuung und -nutzung sowie die Wasserabweisung verbessern und einen Schutz vor Verpilzung bieten. (Obwohl man den Eindruck haben könnte, ist das kein DIK-Bild, sondern normales Hellfeld/ Durchlicht.)

Bild 4
Fv 2.jpg

Jetzt zum Blatt. Wie man auf den ersten beiden Bildern sieht, sind die Blätter herzförmig, so dass man, vom Blattstiel her schneidend, schnell sehr breite Schnitte bekommt. So sieht das dann am Mikrotom aus. (Geschnitten habe ich in Karotte.)

Bild 5
Fv 5.jpg

Hier der Überblick über den zentralen Bereich der Mittelrippe. Auch hier findet man wieder das lockere Zellparenchym am Unterrand des Blattes. Beginnend erkennt man auch (grünlich angefärbt) das weiter außen  in der Blattspreite dann deutliche Pallisadenparenchym am Oberrand des Blattes.

Bild 6
Fv 3.jpg

Und hier noch zum Abschluss der Querschnitt der Blattspreite mit den (mit Chloroplasten bis zum Rand gefüllten) Pallisadenparenchymzellen und dem darunter liegenden Schwammparenchym.

Bild 7
Fv 6.jpg

Bild 8
Fv 7.jpg

Ich werde die nächsten Tage noch einmal nachsehen, ob ich Bulbillen und/oder Wurzelknollen holen kann und ob sie sich zum Schneiden eignen.

Und wer jetzt noch wissen will, was für ein Tier der "Scharbock" ist: Das ist ein altes Wort für Skorbut, die Vitamin C-Mangelkrankheit. Im Frühjahr enthält Ficaria verna viel Vitamin C, womit man also den "Scharbock" behandeln könnte. :)

Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.
Liebe Grüße
Peter

Horst Wörmann

Hallo Peter,

nimm mal einen frischen Blattquerschnitt und behandle den mit Lugol'scher Lösung: die Palisadenparenchymzellen enthalten nämlich sehr kleine Stärkekörner, keine Chloroplasten.

Viele Grüße
Horst

Peter T.

Hallo Horst,

meines Wissens entstehen die Stärkekörner in den Chloroplasten. Die Hauptaufgabe des Pallisadenparenchyms ist doch die Photosynthese, oder irre ich mich da?
Liebe Grüße
Peter

Horst Wörmann

Hallo Peter,

uups, schwerer Fehler meinerseits, da habe ich etwas gründlich verwechselt. Du zeigst ja die grünen Blätter mit dem assimilierenden Palisadenparenchym, da sind natürlich Chloroplasten drin. Da hast Du recht.
Aber Respekt, die Präparation der sehr zarten Blättchen ist gut gelungen.

Viele Grüße
Horst 

Peter T.

Hallo Horst,

mit Deinem Beitrag hast Du mich auf das wichtige Thema Speicherung von Stärke bei Ficaria verna aufmerksam gemacht, vielen Dank dafür!

In welchen Strukturen sollte ich danach suchen (Wurzeln, Knollen ...)?

(Und danke für das Lob, aber der gezeigte Ausschnitt ist so ungefähr der einzige verwendbare bei einem halben geschnittenen Blatt, das war wirklich sehr fitzelig bei der Präparation.)
Liebe Grüße
Peter

Peter T.

Nachtrag1 : Knolle

Wie angekündigt habe ich noch Knolle und Wurzel des Scharbockskrauts mikroskopiert. Eigentlich wollte ich mich auf die Suche nach der gespeicherten Stärke machen.

Hier die Übersicht über die Pflanze. Man erkennt deutlich eine Knolle sowie die Wurzel.

Fv g1.jpg

Dann ein Querschnitt durch die Knolle, ungefärbt (dafür mit Luftblasen  :( )

Fv k1.jpg

Den nativen Querschnitt habe ich dann mit Lugolscher Lösung gefärbt, um Stärke nachzuweisen.

Fv k2.jpg

Wie man sieht, ist hier keinerlei Blau- oder Violettfärbung erkennbar. Habe ich etwas falsch gemacht?

Die nächsten Schnitte sind nach Etzold mit FCA gefärbt.

Hier die Schnitte, wie sie sich nach dem Färbevorgang in Isopropanol erholen.

Fv fb1.jpg

Jetzt zwei Überblicksbilder

Fv k4.jpg

Fv k5.jpg

Dann ein Detail, wobei ich nicht sagen kann, was da zu sehen ist. Vielleicht die Absprossung neuer Knollen?

Fv k7.jpg

Dann eine Detailaufnahme des Zentralzylinders. Auf den Aufbau gehe ich bei der Wurzel ein.

Fv k 6.jpg


Im nächsten Nachtrag stelle ich noch die Wurzel vor.
Liebe Grüße
Peter

Peter T.

Jetzt folgt noch die Wurzel. Auch hier habe ich mit FCA nach Etzold gefärbt.

Als erstes ein Überblick.

Fv w4.jpg

Nun der Zentralzylinder im Überblick. Man erkennt die ,,Sternform" des Xylems. Anders als beim Leitbündel sind Phloem und Xylem in der Wurzel radial angeordnet, das heißt, das Phloem liegt zwischen den ,,Strahlen" des Xylems.

Fv w6.jpg

Und hier eine entsprechende Detailaufnahme

Fv w8.jpg

Die Sternform ist auch im polarisierten Licht sehr schön zu erkennen

Fv w7.jpg

Geht man noch näher ran, kann man die einzelnen Zellschichten zuordnen.

X = Xylem, Ph = Phloem, P = Perizykel, E = Endodermis, * = Casparysche Streifen (verdickte und lignifizierte Zellwände zwischen den Endodermiszellen)

Fn w5.jpg

Fn w5k.jpg

Zahlreiche Zellinhalte sind zu erkennen. Sind das meine Stärkekörner? Im polarisierten Licht konnte ich keine Malteserkreuze finden

Fv w9.jpg

Und jetzt noch die Wurzelhaare

Fv w3.jpg


Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.
Liebe Grüße
Peter

Horst Wörmann

Hallo Peter,

vorletztes Bild: da mußt Du mal Lugolsche Lösung probieren! Das wäre der klassische Beweis für Stärke.

Viele Grüße
Horst

jcs

#8
Hallo Peter,

finde ich gut, dass Du Dich auch um die Wurzeln kümmerst. Die werden ja gerne vernachlässigt beim Schnippeln, und einfach zu schneiden sind sie auch nicht.

Deshalb sind das für mich sehr gelungene Aufnahmen mit interessanten Erläuterungen!
LG
Jürgen

Peter T.

Hallo Horst,

ich bleibe stärketechnisch am Ball! ;)

Hallo Jürgen,

ganz herzlichen Dank! Es ist wirklich faszinierend, immer mal was Neues zu schneiden. Ist nie langweilig. :)
Liebe Grüße
Peter

Fahrenheit

Lieber Peter,

vielen Dank für den schönen und informativen Beitrag, den ich gerne gelistet habe.

Beste Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Peter T.

Liebe Grüße
Peter