Botanik: Orangerotes Habichtskraut Hieracium aurantiacum *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Mai 22, 2025, 09:11:17 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Diese Gattung (Hieraciumn) kommt vor allem in den gemäßigten Zonen Nordeuropas, (Gebirge in Mittel- und Südeuropa) vor. Die mit dem Löwenzahn verwandte Gattung, breitete wegen der im nacheiszeitlichen Europa und Nordasien bald entwickelten Formenvielfalt den Experten viel Kopfzerbrechen.
Hieraciumn ist eine der artenreichsten Gattungen. Auf der nördlichen Halbkugel und in den Anden wachsen rund 750 Arten, die sich sehr leicht untereinander kreuzen und daher schwer zu bestimmen sind.

Nicht nur durch Samen, sondern auch vegetativ durch über- und unterirdische Triebe
Einige Botaniker behandelten die verschiedenen Formen als Arten, anderen galten sie als Klein- oder Unterarten. Gegenwärtig kann man etwa 250 Gruppen von ihnen unterscheiden.

Das Orangerote Habichtskraut ist eines der wenigen Habichtskräuter, das sich gut bestimmen lässt.
Die meisten anderen Arten blühen gelb. Dieses Korbblütengewächs ist ausdauernd und erreicht eine Höhe von 40 cm, der Stängel ist aufsteigend oder aufrecht.

Bild 01 Habitus, Habichtskraut Hieracium aurantiacum

Foto: H.-J_Koch
Diese Pflanze habe ich in Arrild Dänemark gefunden.
Es sind mehrjährige Pflanzen von denen die meisten klein und unkrautartig sind.

Die Pflanze hat eine starke Pfahlwurzel und eine Rosette basaler Blätter, aus denen ein oder mehrere Blütenschäfte austreiben, die jede ein löwenzahnartiges Blütenköpfchen aufweisen oder sich mit mehreren Blütenköpfchen verzweigen.

Basalblätter sind Blätter, die an der Basis einer Pflanze, oft in einer Rosette, angeordnet sind und oft einen längeren Stiel haben.
Die Blütenfarbe ist orangerot.

Bild 02 Stängel, Habichtskraut Hieracium aurantiacum

Foto: H.-J_Koch
Der Stängel ist hohl und hat 3 – 6 mm helle, lange abstehende Haare.
Bei einer Verletzung, sondern die Pflanze einen weißen Milchsaft ab.

Bild 03 Blätter, Habichtskraut Hieracium aurantiacum

Foto: H.-J_Koch
Die Grundrosette (blass blaugrün) und die Stängelblätter sind länglich – lanzettlich behaart.
Habichtskräuter sind zweigeschlechtlich. Die Blüte enthält sowohl Staubblätter (männliche Geschlechtsorgane) als auch Fruchtknoten (weibliche Geschlechtsorgane).

Bild 04 Blüte, Habichtskraut Hieracium aurantiacum

Foto: H.-J_Koch
Die Blütezeit ist von VIIX (Juni bis September).
Die Blütenkörbchen sind nur bei Sonne geöffnet. Ihre Schließbewegungen werden durch das Wachstum der Hüllblätter verursacht.
Zungen- und Röhren- oder nur Zungenblüten ?
Die 5 Zipfel der Zungenblüten verraten, dass es sich in der Mitte dieses Blütenkörbchen um noch nicht aufgeblühte Zungenblüten handelt.

Bild 05 Orangerotes Habichtskraut, blühend und fruchtend, Habichtskraut Hieracium aurantiacum

Photograph: Orchi

Habichtskräuter bilden Achänen als Früchte, die typisch für Korbblütler sind. Diese Achänen sind langgezogen und besitzen einen Pappus, ein schirmförmiges Anhängsel das die Ausbreitung der Samen durch Wind ermöglicht.

Systematik:
Ordnung: Asternartige Asterales
Familie: Korbblütler Asteraceae
Unterfamilie: Cichoroideae
Gattung: Habichtskräuter Hieracium
Art: Orangenrotes Habichtskraut
Wissenschaftlicher Name: Hieracium aurantiacum
Syn.: Hieracium brunneocroceum, Pilosella aurantiaca
Trivialnamen: Mausohr-Habichtskraut. (wegen der behaarten Blätter)
Englische Bezeichnung: Orange Hawkweed, Missionary Weed

Erstbeschreibung 1753 durch Carl von Linne (1707 – 1778) schwedischer Naturforscher.

Der botanische Gattungsname Hieracium leitet sich vom griechischen hierax, Habicht ab, der lateinische Artname aurantiacum bedeutet orangerot.
Eine Deutung des Namens geht dahin, dass viele Habichtskräuter auf nur Habichten zugänglichen Felsen wachsen.

Nach einem Volksglauben sollen sich Habichte ihre Augen mit dem Pflanzensaft bestreichen, wenn diese an Sehkraft verlieren.

Bild 06 Illustration, Hieracium aurantiacum

A = Pfahlwurzel, B = hohler Stängel, C = Zungenblüte, D = Achänen
Achänen sind einsamige Schließfrüchte (öffnen sich nicht bei Reife), bei denen ein dünnes, nur an einem einzigen Punkt anhaftendes, lederiges, zähes, trockenes Perikarp (nur teilweise verholzte Fruchtwand) einen einzelnen Samen (Testa) dicht anliegend umschließt.
Quelle: http://www.biolib.de
Illustration aus Johann Georg Sturm (1796), Deutschlands Flora in Abbildungen, Tafel 60
Bildquelle ist gemeinfrei, über Wikipedia.
Das Habichtskraut ist eine vielseitige Heilpflanze mit vielen Anwendungen und einer reichen Geschichte in der Volksheilkunde.
Schon im Mittelalter wurde es in der Kräuterkunde verwendet und von Hildegard von Bingen (1098 – 1179) eingesetzt, die ihm eine herzstärkende Wirkung zusprach.

Inhaltsstoffe:

Flavonoide: Diese sekundären Pflanzenstoffe sind bekannt für ihre antioxidativen Eigenschaften. Sie können dazu beitragen, Zellschäden durch freie Radikale zu reduzieren.
Phenolische Verbindungen: Dazu gehören verschiedene phenolische Säuren, die ebenfalls antioxidative Wirkungen haben und entzündungshemmend wirken können.
Saponine: In einigen Hieracium-Arten wurden Saponine nachgewiesen, die eine schleimlösende und entzündungshemmende Wirkung haben könnten.
Ätherische Öle: Es gibt Hinweise auf das Vorhandensein von ätherischen Ölen, die für den charakteristischen Geruch und mögliche antimikrobielle Eigenschaften verantwortlich sein könnten.
Triterpene: Diese Verbindungen sind in vielen Heilpflanzen enthalten und können entzündungshemmend und immunstimulieren die Herzfunktion.
Gerbstoffe, Bitterstoffe, Schleimstoffe, Cumarine.
Es wird traditionell bei Darmbeschwerden, Entzündungen im Mund- und Rachenraum und Augenkrankheiten eingesetzt.
Achtung: allergische Reaktionen möglich.


Teil 1
Spross, Querschnitt
25 Mikrometer

Bild 07 Schnittstelle, Habichtskraut Hieracium aurantiacum

Foto: H.-J_Koch

Bild 08 Übersicht, ungefärbter Schnitt, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 09 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 10 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 11 Detailaufnahme, ungefärbter Schnitt, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 12 Negativaufnahme, ungefärbter Schnitt, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf:
1.Pflanzenprobe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 7 Minuten
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.15 Sekunden !!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 1 Minuten
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).

Tipp:
Eine schöne Variante erhält man, wenn man in der letzten Färbestufe eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 3:1 verwendet. (3 Tropfen Astrablau und 1 Tropfen Acriflavin separat ansetzen und Gemisch mit der Pipette übertragen.
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste verbleiben.
9. Entwässern mit 3x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %)
10. Einschluss in Euparal.

Ergebnis:
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Bei der Betrachtung wird eine Kontrastverbesserung bei Verwendung eines BG 38 Filters (blaugrün, 3 mm dick) erreicht.
Fotos: Nikon D5000, Sony Alpha 6000

Bild 13 Übersicht, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 14 Detailaufnahme mit Beschriftung, Habichtskraut Hieracium aurantiacum

K = Kambium, RP = Rindenparenchym, T = Trichom, EP = Epidermis, PH = Phloem, MP = Markparenchym, XY = Xylem, SK = Sklerenchym, MH = Markhöhle
Das Habichtskraut ist eine Pflanze, die zwei Keimblätter hat, was typisch für zweikeimblättrige (dikotylen) Pflanzen ist. Außerdem besitzt es kollateral offene Leitbündel, das bedeutet, dass die Leitbündel in der Pflanze seitlich offen sind, was bei vielen Pflanzenarten vorkommt.
Bei offen kollateralen Leitbündeln tritt noch ein Kambium zwischen Xylem und Phloem hinzu.

Bild 15 Detailaufnahme, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 16 Detailaufnahme. Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 17 Trichom, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 18 Detailaufnahme, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 19 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Habichtskraut Hieracium aurantiacum

Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 20 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 21 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 22 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 23 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Teil 2
Spross, Längsschnitt
25 Mikrometer

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 24 Stängel, Markhohlraum mit Gießseife gefüllt und aufgeklebt.


Bild 25 Längsschnitte in der Petrischale


Bild 26 Übersicht, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 27 Detailaufnahme, Habichkraut Hieracium aurantiacum


Bild 28 Detailaufnahme, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 29 Detailaufnahme, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 30 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 31 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Habichtskraut Hieracium aurantiacum


Bild 32 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Habichtskraut Hieracium aurantiacum



Verzeichnis der benutzten Literatur:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Xaver Finkenzeller ,,Alpenblumen"
Lüder, ,,Grundkurs Pflanzenbestimmung", ISBN: 3-494-01418-3
Schmeil ,,Leitfaden der Pflanzenkunde", 1952
,,Botanica" Das Abc der Pflanzen, ISBN: 3-8290-0868-6
,,Der Kosmos Pflanzenführer", ISBN: 978-3-44016318-4
,,Was blüht denn da?", ISBN: 978-3-440-11379-0
Der Kosmos ,,Pflanzenführer", ISBN: 978-3-440-16318-4
,,Welche Blume ist das ?", ISBN: 978-3-440-16450-1
,,Alpenpflanzen", 1987
,,Tiere und Pflanzen", ISBN: 978-3-440-14136-6
Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen.
Ich recherchiere dann weiter, suche die zugrundeliegenden Studien heraus, werte sie aus und verbinde alles miteinander.
Beim Recherchieren öffnet sich oft nicht nur eine neue Tür, sondern gleich mehrere. Dahinter verbergen sich weitere spannende Informationen.

Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Hans-Jürgen

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Peter T.

Hallo Hans-Jürgen,

herrliche Aufnahmen perfekter Schnitte und Färbungen!

Die Gießseife war auch bei den Querschnitten im Einsatz, oder?

Die Längsschnitte sind ja immer sehr ästhetisch anzusehen, und besonders hat es mir der Ansatz des Trichoms mit den großen Zellen und den in Bild 23 orangeroten Zellkernen angetan.

Vielen Dank fürs Präparieren und Zeigen!
Liebe Grüße
Peter

Hans-Jürgen Koch

Hallo Peter,

danke für deine Rückmeldung.

Die Querschnitte konnte ich ohne die Gießseife schneiden. Der Sklerenchym-Ring in der Pflanze sorgt für die Stabilität des ca. 40 cm langen Stängels.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

jcs

Hallo Hans-Jürgen,
sehr schöne Aufnahmen! Die Längsschnitte finde ich besonders gelungen.
LG
Jürgen

Hans-Jürgen Koch

Hallo Jürgen,

danke für dein Feedback.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Wutsdorff Peter

Grüß` Dich Hans Jürgen,
auch ich schließe mich den  lobenden Worten meiner
Vorgäger an! Suuper.
Im Berner Oberland in Norden des Thuner Sees, haben wir oft auf 1500m beide Sorten (rot u. gelb) gesehen.
Proben habe ich keine mehr, Präparate muß ich noch suchen
Gruß Peter W

Hans-Jürgen Koch

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Gerne per "Du"

Wutsdorff Peter

Hier die Fülle der H-Kr. auf 1600m Höhe im Berner Oberland
Unsere Lieblinge  sind  aber die Schwalbenschwanzenziane
Die Fülle der Alpenblumen in dieser Höhe ist erstaunlich
Gruß Peter W

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für den Beitrag, den ich gerne gelistet habe.

Beste Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM