Veröltes Objektiv Leitz Durimet (Fallbeispiel)

Begonnen von Markus Hirt, Juli 21, 2025, 11:19:45 VORMITTAG

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Markus Hirt

Moin, Moin,
hier ein kleiner Erfahrungsbericht, falls irgendwer mal vor ähnlichen Problemen steht.

Da ich ein Leitz Durimet besitze und mir ein weiteres sehr günstig über den Weg gelaufen ist (scheint, die will keiner haben), habe ich trotz erwartet schlechtem Zustand zugeschlagen. Überlegung war, es zu Zerlegen, und Erfahrungen und ggf. Ersatzteile für die Überholung des 'Produktivsystems' zu gewinnen.

Kurze Synopse: Gerät problemlos zerlegt, robust!, gereinigt, problemlos zusammengebaut, soweit alles gut, das alles klappt auch bei Seegang auf der Weltumsegelung in der 4 m³ Kajüte, wenn man denn will. Ich will übrigens nicht. Weltumsegeln. Zerlegen schon eher.

Allerdings lieferte das Teil mit dem 10x Übersichtsobjektiv partout kein Bild. Alles vom Durchlicht überstrahlt, nichts zu sehen.

Auf den ersten Blick überraschend, denn der Strahlengang war total klar. kein Straub, keine Trübung in Sicht (nach o.g. Reinigung, vorher natürlich Nebel wie in der Biskaya).

Erst bei genauem Hinschauen ward der Grund offenkundig. bei horizontalem Blick durch das 10x Objektiv, und leichtem rotieren desselben ... sprang doch das 'Bild' irgendwie manchmal. Als ob da ein Tropfen wasauchimmer drin wäre?

Natürlich, der Klassiker. Das Objektiv war innen halb voll mit Silikonöl. Immersionsöl hat an dem Gerät ja nichts verloren, der Verdacht fällt also auf das Bremsöl der Absenkeinrichtung. Das war zwar grün und vollkommen verharzt (Teil der Standardreinigung paar Stunden vorher), aber woher soll es sonst kommen?

Ok, also Hinterlinse raus und putzen, ist ja nur das robuste Übersichtsobjektiv, das sollte einfach werden.

Aber Nein: Das hatte schon Mal jemand versucht, das Gewinde war total vergnaddelt, das bekomme ich zerstörungsfrei nie raus.

Denn da nun das Objektiv optischer Totalschaden scheint (und Ersatz auch leicht zu Beschaffen ist, nahezu beliebige ~10x-Unendlich-Optik und ne Stunde an der Drehbank sollten langen), wurde ich experimentierfreudig.

Die Quest also:
Wie bekomme ich 0,x ml Silikonöl (wirklich Silikonöl?) aus einem Objektiv raus?

Warnung: empfindliche Mitleser stoppen hier. Bitte.

Da die Teleportation noch Work-in-progress Status hat, rauskochen dem Teil wohl endgültig den Rest gäbe und ich leider keinen Nutzen von heftiger Bestrahlung erwarte, scheidet die Physik wohl aus.
Doch Halt, die Tochterdisziplin Chemie mag die Lösung sein, indem ich das Öl löse und rausspüle?

Kurz Mut eingeflenst, also doch Physik und Bohrmaschine angeworfen und ein 2 mm Loch seitlich in den Tubus gebohrt. Ziemlich mittig, auf Höhe des Firmennamens, gegenüber desselben. Also definitiv zwischen Front- und Hinterlinse, da wo kein Glas sitzen sollte.
Vorsichtig bohren, um nicht zu viele und zu große Späne hineinzubefördern...

Und dann: Spülen.

Nicht zu aggressiv, wir wollen ja nicht Verkittung und schwarze Farbe lösen, also Reinigungsbenzin (ist es Öl?) oder Isopropanol (doch Silikonöl?). Vorher gerne prüfen, ob das nicht die schwarze Lackierung im Inneren löst und dann den Innenraum komplett verschmiert. Also lieber nicht Aceton o.ä. versuchen, auch wenn es in den Fingern juckt (das wird es!).

Erst leicht angewärmtes Benzin probiert: mit Spritze und Kanüle den Innenraum halb geflutet und stehen lassen. Anschließend einen Tropfen auf eine Glasplatte gegeben und verdunsten lassen: Nein, da bleibt kein Rückstand, Benzin löst das also nicht.

Also Isopropanol, da ist dann auch was passiert, der Tropfen wurde immer kleiner, anfangs auch dadurch, dass das Silikonöl mit dem Isoprop ausgeschüttelt wurde. Bis dann allerdings auch nach Trocknung kein Rückstand sichtbar war, waren unzählige Spülzyklen nötig. Insgesamt habe ich so ca. 20 ml Isopropanol durchgesetzt. Prost!

Zwischendurch ist das dann recht hinterhältig: in feuchtem Zustand sieht die Linse perfekt aus, dann beim Trocknen allerdings ganz übel, da sich kleinste Tropfen bilden und die Linsen komplett trüb erscheinen. Irgendwann wurde das dann aber besser. Geduld!

Das Objektiv ist nun schön klar und liefert ein für Übersicht und Härteprüfung komplett ausreichendes Bild, nachdem ich es wieder in die Fassung gesteckt, zentriert und die Parfokalität mit dem 40x Messobjektiv eingestellt habe.

Das Loch habe ich nun verschlossen, indem ich einen Streifen Kupferband um den Tubus geklebt habe. Der fixiert dann auch gleich die korrekte Fokuseinstellung und überdeckt das Firmenlogo. Wie in der Archäologie zeigt er an: Dat is nich original.

Das Durimet ist nun nach ca. 5h Arbeit in fast besserem Zustand als mein 'gutes' Stück. Nur die Gewichte muss ich noch anfertigen, aber das ist eine andere Geschichte.

Abschließend, falls Ihr das auch ausprobieren wollt: Bei Euch kann das natürlich ganz anders laufen, YMMV.

Viel Glück,
Markus




 

jochen53

Hallo Markus,
gratuliere zu der erfolgreichen Wiederbelebung. Silikonöl war das sehr wahrscheinlich nicht. Silikonöle lösen sich nämlich überhaupt nicht in iso-Propanol, aber sehr gut in Kohlenwasserstoffen (z.B. Benzin, Toluol, Xylol, flüssigem Grillanzünder und in niedrigen Ketonen (Aceton, MEK). Meine Vermutung ist, daß es evtl. Glyzerin war, dafür spricht auch, daß das Zeug grün war und irgendwo eine Kupferlegierung in der Nähe war. Durch Oxidation versäuert Glyzerin und greift Kupfer an, dabei bilden sich grüne, lösliche Kupfersalze. Glyzerin wurde wegen seioner hohen Viskosität auch oft als Dämpfungsfluid verwendet. Silikonöle (zumindestens die Dimethylpolysiloxane, z.B. Wacker AK) haben einen ungewöhnlich niedrigen Brechungsindex nD25von ca. 1,403 bei 25° C. Silikonöle kriechen extrem stark und haben eine sehr niedrige Oberflächenspannung, deshalb sind sie immer auch in Spuren da, wo man sie nicht haben will.
Viele Grüße, Jochen

Markus Hirt

Hallo,
wegen der Kriecheigenschaften habe ich auf ein Silikonöl getippt, insbesondere, da es teilweise an der Dämpfungseinheit verwendet wird. Das Zeug war ja irgendwie in das Objektiv gelangt. 

Die Flüssigkeit im Objektiv war übrigens nicht grün, die war völlig klar. Grün war die Brühe in der Dämpfungseinheit, und ja, da ist ein Messingzylinder drin... :-)
Die ließ sich auch wunderbar mit Benzin lösen.

Ich vermute allerdings, Glyzerin hätte ich deutlich schneller ausgewaschen. Das hätte dem 70% Isoprop kaum widerstanden, mit dem ich anfangs gespült habe, bevor ich auf's 98% gewechselt habe.

Also, was auch immer es war, das Mikroskop hat ja Jahrzehnte irgendwo gestanden, nun ist es weg.

Viele Grüße,
Markus

Peter Reil

Hallo Markus,

das ist wirklich gut gelungen!
Toller Bericht.

Gruß
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, BHT, CH2, CHK, Olympus SZ 30, antikes Rotationsmikrotom

mikrowastl

,,kurz Mut eingeflenst" - haha, sehr schön.
Danke auch für den Bericht mit den Überlegungen zur Vorgehensweise. Schon lehrreich.
Gruß Hans
Vorstelllung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33417.0
Axiostar plus /Wild M7s
,,Ich vermute inzwischen stark, dass ich doch nichts weiß!"

Markus Hirt

Hallo,
Danke!

Und da mich die Frage nach dem Was nun doch nicht loslässt:

Das Argument mit der mangelnden Löslichkeit in Isopropanol ist chemisch durchaus schlüssig.

Ich hatte Isoprop gewählt, weil wir vor Jahren damit im Labor Silikonöle und -fette weggeputzt haben, und es ja recht harmlos ist.
War aber damals wahrscheinlich und jetzt bei mir definitiv eine Soda-Lösung: War halt so da.
Will nicht ausschließen, dass die Reinigungswirkung zumindest damals hauptsächlich mechanischer und benetzender Art war.

Auf Kleinanzeigen findet man zur Zeit übrigens ein Durimet und dabei ein Foto einer Bremsölflasche. Da drauf steht: "Silicon-Bremsoel Best. Nr. 721943 Leitz Wetzlar Germany", da scheint also im Original tatsächlich ein Silikonöl (bestimmt spezifizierter Viskosität) verwendet worden zu sein.
Ob das dann aber auch ins Objektiv gekrochen sein soll, wer weiß.

Im Netz findet man ansonsten auch noch den Aerospace Report No. TR-2002(8565)-6 "The Removal of Silicone Contaminants from Spacecraft Hardware" (ADA410311.pdf), da probieren die Autoren recht hemdsärmlig einige Reinigungsmethoden und zeigen sich überrascht, dass es zumindest ein wenig mit Isopropanol funktioniert.

Also habe ich evtl. auch einfach etwas Glück und viel Geduld gehabt.
Wenn das Zeug da schon reingekrochen ist, ist es vielleicht ja auch wieder verärgert durch die Bohrung rausgekrochen, nachdem ich es so fies traktiert habe...  ;)

Viele Grüße,
Markus

Werner

Ein gut funktionierendes Lösungsmittel für Silikonöl ist ein mit Benzol getränkter Lappen. Damit mußten wir Lehrlinge die Abzüge auswischen, wenn ein überhitztes Silikonölbad gekotzt hatte. 1965 war Benzol noch nicht giftig und wurde vielfach verwendet.

Gruß - Werner