Gelegte Präparate von Amöbenschalen - angehängtes Howto

Begonnen von Gerd-G, Februar 01, 2011, 20:39:26 NACHMITTAGS

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Gerd-G

Tümpelproben aus moorigen Biotopen halten sich auf einer Nordfensterbank sehr lange.
Auch wenn irgendwann die letzte Zieralge eingegangen ist, sollte man den Rest keinesfalls
achtlos wegkippen. Fast immer findet sich in diesen Biotopen eine reichhaltige Schalenamöbenfauna,
die nach absterben des Zellinhaltes als Bodensatz von Gehäusen übrigbleibt.
Davonlassen sich, bedingt durch die Größe, recht einfach Fundortplatten legen.
Mit etwas Übung kommt man schnell zu passablen Resultaten; will man sich mit
den Diatomeeenspezialisten wie R. Nötzel, D. Prades, Klaus Kemp, R. Hummelink oder
gar Johann Diedrich Möller messen, brauchts allerdings schon mehr Übung....



Dies ist eine kleine Fundortplatte eigener Herstellung mit 23 Formen, Einschluss in Pertex.
Sind die Schalen erst in Harz eingeschlossen, kann man in aller Ruhe die filigranen
Strukturen betrachten, der günstige Brechungsindex des Mediums lässt diese noch
markanter hervortreten als im Fundortwasser.



Das zweite Bild zeigt einen Ausschnitt aus einer Cyphoderia - Schale.
Grüße in die Runde,

Gerd

Hugo Halfmann

Hallo Gerd,
eine wirklich schöne Idee !
Ich hätte gar nicht gedacht, daß das überhaupt möglich ist. Sind die Amöbenschalen aus dem gleichen Material wie die Kieselalgen ?
Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann

Holger Adelmann

Kompliment, Gerd, tolle Arbeit.

Herzliche Gruesse
Holger

Gerd-G

Hallo Hugo,
die Amöbenschalen bestehen bei einigen Arten aus mit einer organischen Klebemasse zusammengekitteten
Kieselsäureplättchen, bei anderen Arten aus zusammengeklebten Sandkörnern, oder leeren Diatomeenschalen.
Arcella hat z. B. ein Protein-Gehäuse völlig ohne Kieselsäure.
Die Bandbreite der Baustoffe ist sehr weit....
Grüße,
Gerd

Gerd-G

Hallo Holger,
vielen Dank, es ist längst nicht so schwierig, wie es angesichts der Diatomeenpräparate häufig erscheint.
Man braucht aber für die Bewegung in der Z-Achse einen Mikromanipulator, bei mir ist das ein ausrangierter
Kondensortrieb....
herzliche Grüße,
Gerd

Martin Schneider

Hallo Gerd,
ich bin ebenfalls beeindruckt!
Kannst Du bitte Dein Vorgehen genauer beschreiben oder einen Link posten?
Ich habe mich bisher eher mit Einzelexemplaren als Präparat beschäftigt, weil oft eine spezielle Ansicht notwendig ist und mehr als eine Schale habe ich noch nicht durch Verschieben des Deckglases bei noch weichem Medium exakt ausrichten können.
Beste Grüße
Martin

Lillly

Richtig cool!
In der ,,Mikrowelt'' verbirgt sich so viel, so schönes,was man mit bloßem Auge nicht sehen kann ;).
Ich bin immer wieder beeindruckt von diesen Bildern.
Amoeben so, habe ich schon gesehen, aber noch nicht deren Schalen

Gerd-G

Hallo Martin,
ich werde mal versuchen, das Procedere möglichst genau zu beschreiben....
Voraussetzung für ein stessfreies Legen ohne Bruch der Schalen ist präzises Bewegen, vor allem
der Z Achse. Aus verschiedenen Teilen baut man sich also einen Mikromanipulator.

Für die X - Y Bewegung habe ich einen Auflicht - Gleittisch angeklemmt, für die Z Achse einen
umgebauten Kondensorträger. Dieser trägt die Legeborste. Als Legeborsten nehme ich meine eigenen Augenwimpern....

Weitere Voraussetzung ist ein passender Klebegrund, der auf die Deckgläser aufgebracht wird.
Auf das Deckglas, weil man sonst nicht mit starken Objektiven herankommt, wenn die Schalen auf dem
Objektträger liegen und die Schichtdicke des Einschlussmediums zu hoch ist.

Ich verwende als Klebegrund das Rezept von Eberhard Raap aus dem Mikrokosmos 2008, Seite 178.
Das Prinzip ist eine dünne Schellackschicht, die die Schalen durch Erhitzen auf 100 Grad fixiert.
In Xylol löst sich dann nichts mehr und schwimmt unkontrolliert herum...

So sieht der Mikromanipulator aus :



Zunächst durchsuche ich die Probe und pipettiere die gewünschten Schalen in ein Uhrglas.
Wenn genug Schalen gesammelt sind, gebe ich mehrmals Isopropanol dazu, um die Schalen
zu entwässern und zu waschen. Das Isopropanol wird unter Stereolupenkontrolle mehrmals
abgesaugt und durch frisches ersetzt.

Die Schalen sammeln sich am Boden des Uhrglases und werden dann abpipettiert auf ein Deckglas.
Dieses wird über Nacht staubfrei getrocknet. Das ist das Ausgangs-Rohmaterial fürs Auslesen und Legen.
Das Deckglas mit dem Material wird auf den Probenträger gepackt, das runde Deckglas mit dem Klebegrund
ebenso. Dann wird der Einsatz in der Höhe ausgerichtet, damit Rohmaterial und Legestelle parfokal ist.
Es ist bei den hohen verwendeten Vergößerungen (100-150x) sehr lästig, immer wieder nachzufokussieren....
Bilder sagen mehr als 1000 Worte, so sieht das bei mir aus :



Man pickt sich eine Schale aus dem Rohmaterial, hebt die Borste etwas an und fährt das Lege-Deckglas an.
Dort legt man die Schale ab und dreht diese gegebenenfalls.
So geht das weiter, bis man genug hat....
Nicht vergessen, passende Abstandshalter mit auf das Deckglas zu packen, z. B. Drahtabschnitte mit 0,1mm Durchmesser.
So sieht die Legeborste aus:



Anschließend legt man das Deckglas ganz vorsichtig auf einen geregelte Laborheizplatte bei 100 Grad
Die dünne Schellackschicht schmilzt, die Schalen sind fixiert.
Dann träufelt man Xylol auf und lässt alle Luftblasen in den Gehäusen entweichen,
was ca. 30 Minuten beansprucht. Abdecken, damits im Laborraum nicht so stinkt....

Mit Euparal geht es nicht, da müsste mit Isopropanol entlüftet werden, der löst den Schellack und schon schwimmts....

Sind alle Luftblasen raus (Kontrolle unter dem Stemi), saugt man möglichst viel Xylol mit einem
Fließpapier ab. Auf einen Objekttäger gibt man 2 Tropfen Pertex, Caedax oder ähnliches,
dreht diesen um 180 Grad und pickt damit das Deckglas auf,
fertig !

Viel Spass beim nachmachen !

@ Lilly: stimmt genau, es gibt immer wieder jede Menge filigrane Details zu entdecken,
so auch hier bei den Amöbenschalen....

Grüße in die Runde,
Gerd

Bernhard Lebeda

Hallo Gerd

Du bist entweder ein Perfektionist oder Du hast zu viel Zeit--oder beides und das sind die schlimmsten.  ;D ;D


CHAPEAU!!


Viele beeindruckte Mikrogrüsse

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Martin Schneider

hallo Gerd,
besten Dank für die tolle Doku!
Ich werde mal überlegen, wie ich Deine Anregungen mit meinen Mitteln umsetzen kann.
Viele Grüße
Martin

Päule Heck

Hallo Gerd,

danke für die ausführliche Anleitung. Auf die gleiche Weise lassen sich auch gut Radiolarien legen......

Herzliche Grüße

Päule

G. Helbig

Hallo Gerd,

vielen Dank, dass wir immer wieder in Deine Werkstatt schauen dürfen und Du dir für uns die viele Arbeit der ausgezeichneten Dokumentation machst. Wie Bernhard schon geschrieben hat: Du bist ein Perfektionist - die Ergebnisse sprechen für sich.

Viele Grüße

Gerald