Wer kennt dieses inverse Mikroskop...?

Begonnen von beamish, Februar 20, 2011, 17:12:14 NACHMITTAGS

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beamish

Hallo,

ich habe mir aus der Bucht folgendes Teil gezogen:



Es handelt sich um ein inverses Mikroskop ohne Herstellerbezeichnung. Es besteht aus Messing und Gußeisen, ist auf eine massive Kunststoffplatte geschraubt und wiegt ca. 20 kg.
Zu oberst sitzt ein großer Drehtisch, der mit zwei Mikrometerschrauben bewegt werden kann. Darunter das einzige vorhandene Objektiv ist bezeichnet: "Carl Zeiss Jena 8462, Apochromat 16mm, 15, 0,3, Tubus ∞" (!). Es besitzt ein Feingewinde 16mm (kein RMS). Darunter sitzt in einem Schlitten der "Strahlenteiler":



Die Beleuchtung wird über ein Prismensystem eingespiegelt. Neben dem Lampenhaus befindet sich in einem dreh- und justierbaren Schlitten eine Leuchtfeldblende. Im Lampenhaus selbst findet sich eine gewöhnliche(?) opake Glühbirne bezeichnet: "BASF-Ludwigshafen, Radium, 240V,100W, N 8.1, Φ D, Germany". Das Licht tritt einfach durch ein Loch im Lampenhaus aus.
Desweiteren gibt es (gut laufenden) Grob- und Feintrieb,  sowie einen Beobachtungstubus, der leider abgebrochen ist (läßt sich aber wieder richten mit neuen Schräubchen) darin ein Okular bezeichnet: "€=Okular 20x, Busch". Der andere Tubus dient wohl zum Anschluß einer Kamera und enthält ein Projektiv:



Mit einem Hebel kann man das Prisma zwischen den beiden Tuben wahlweise verstellen.

Hat jemand dieses Ding schon mal gesehen? Ich könnte mir vorstellen, daß man damit hübsch Tümpelproben beobachten könnte. Eine andere Beleuchtung ist sicher leicht realisierbar. Schwieriger wird es sein, weitere Objektive dafür aufzutreiben...
Für sachdienliche Hinweise wäre ich dankbar!

Herzliche Grüße,

Martin




Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

ortholux

Lieber Martin,

nein, kennen tu ich dieses Mikroskop nicht. Aber dem Aufbau nach ist es ein Metallmikroskop. Es ist sehr massiv gebaut, hat einen Drehtisch und eine Auflicht-Beleuchtung. Das sind eindeutige Indizien. Biologische Inverse haben eine Durchlichtbeleuchtung und sind wesentlich handlicher, um sie bequem auf dem Labortisch bedienen zu können. Außerdem sind die Proben nicht "ganz so schwer" wie angeschliffene Erze, Schlacken oder Gesteine.

Es sieht auch so aus, als ob das Gerät eigentlich nicht auf die Kunststoffplatte gehört sondern Teil eines größeren Aufbaus ist. Ein Beispiel (MM5 von Leitz):
http://iscanmanuals.com/paypal/leitz%20metallographic.JPG


Schönen Sonntag noch!
Wolfgang

PS: Das Ding sieht einfach geil aus!

beamish

Hallo Wolfgang,

danke für Deine Meinung! Daß das Gerät wahrscheinlich ursprünglich Teil eines größeren Ensembles war, könnte manches erklären. Die Bohrung in Höhe der Lampenhausbefestigung spricht z.B. dafür, daß hier weitere Elemente angeschlossen werden konnten. Die einen improvisierten Eindruck hinterlassende Beleuchtung ist vielleicht dazugebastelt, denn sonst ist alles hochwertige Feinmechanik und Optik. Und letztendlich könnte der Hersteller sein Emblem auf einem anderen Teil des Ganzen angebracht haben, so daß es hier fehlt.
Die optischen Komponenten weisen ja in das Umfeld Jena/Rathenow. Die Seriennummer des Objektivs und die Schrifttype der Gravur lassen mich an die Vorkriegszeit denken. Ich werde das Objektiv nachher nochmal ausbauen, fotografieren und hier zeigen.

Grüße,

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

beamish

Hier noch Bilder vom Objektiv, das optisch einwandfrei zu sein scheint:



und dem Okular aus dem Beobachtungstubus. Hier liegt irgendwelcher Schmodder auf der Frontlinse. Unter der Lupe sieht das aus wie eine teilweise abgelöste Beschichtung(?):



Grüße

Martin

PS: seit wann gibt es eigentlich Unendlichoptik?
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Robert Götz


ZitatPS: seit wann gibt es eigentlich Unendlichoptik?

Laut Gerlachs Geschichte der Mikroskopie wurde Unendlichoptik 1931 bei Leitz eingeführt, und zwar für Metallmikroskope.

Gruß
Robert Götz


beamish

Hallo Herr Götz,

das käme ja mit meiner Datierungseinschätzung hin. Das wäre hier also ein frühes Unendlichsystem. Die graue Hammerschlaglackierung muß man sich wahrscheinlich auch wegdenken. Die wurde vielleicht erst im Zuge des "Umbaus" angebracht.

Herzliche Grüße

Martin Bemmann
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
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beide mit Canon EOS 500D

beamish

Ich habe inzwischen in der Richtung weitergegoogelt. Es müßte das zentrale Fragment eines frühen Zeiss (Neo)phot sein. Ein Vorgänger von dem hier (sogar der einzelne Objekthalter ist noch vorhanden):


Grüße

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
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beide mit Canon EOS 500D

beamish

#7
Hier ist die Stelle, wo der Beobachtungstubus hingehört. Der Vorbesitzer hatte ihn einfach mit Silikonfuge wieder drangeklebt ;-) Die Reste davon habe ich jetzt erstmal notdürftig abgeschabt.
Bei den roten Pfeilen sieht man die durch Rost abgebrochenen Schrauben in den Gewinden (2-2,5 mm).
Jetzt die Frage an die technisch versierten: wie kriege ich die raus??!!

Herzlich

Martin
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beide mit Canon EOS 500D

Klaus Herrmann

Hallo Martin,

Tolles Teil! ;)

ZitatJetzt die Frage an die technisch versierten: wie kriege ich die raus??!!

Antwort eines Nicht-Technikers: ausbohren und neues Gewinde schneiden, oder Loch reinbohren, Stahlstab einkleben und versuchen den Schraubenstummel herauszudrehen. Vorher mit Rostlöser vorweichen!

Aber ich würde machen lassen - wenn ich es machen würde, könntest Du es hinterher entsorgen! ;D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Werner

Hallo Martin!

So kleine Schauben kriegt man eigentlich nur so raus:
Mit einer kleinen dünnen Proxxon- oder Dremel-Trennscheibe (auf 10 mm abgenutzt) einen Schlitz mittig in den Schraubenrest (inklusive Flanschteil) schleifen, dann die entstandene Schlitzschraube mit einem Uhrmacherschraubendreher herausholen. Das Schleifen geht auch freihändig ganz gut.
Wenn die Schrauben-Umgebung nicht beschädigt werden darf, wird es aufwändig: Zwei 0,5-mm-Löcher einmal in den Schraubenbolzen und in ein Stück Vierkant- oder Sechskantstahl im selben Abstand bohren. Aus zwei zugeschliffenen Federstahlstücken einen Zweilochschlüssel fertigen und den Schraubenrest rausdrehen. Freihändig geht das nicht mehr, man muß eine Vorrichtung nutzen. Der Bohrer muß einen starken Schaft mit kurzer Schneide haben, sonst verläuft er.
In Deinem Fall ist aber ein Schlitzchen im Flansch warscheinlich egal.

Viele Grüße   -   Werner

beamish

Hallo Klaus,

ich kenne meine Grenzen... aber..
@Werner: Tip Nr.1 werde ich probieren. Wenn ich zu tief komme, macht das nix, da hinterher der Tubus alles verdeckt, was ich versaut habe... Bei Tip Nr. 2 wird mir allerdings schwindelig... So oft kann ich den gar nicht lesen, bis ich den kapiere...

Herzlich

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

beamish

Hallo Werner,

einen der beiden Schraubenbolzen (Messing) habe ich auf die "Anschlitzmethode" rausgekriegt. Der andere (Stahl) sitzt bombenfest. Ich habe den Tubus jetzt aber erstmal mit zwei Schrauben wieder befestigt. Jetzt gehts ans Reinigen und "Verstehen" des Mikroskops. Ich habe im Strahlengang der Beleuchtung noch eine zweite Iris gefunden. Und müßte nicht bei einem Unendlichsystem irgendwo noch eine Tubuslinse versteckt sein?

Herzlich

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D