Botanik: Große Brennnessel (Urtica dioica), Rhizom im Quer- und Längsschnitt *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, August 25, 2011, 09:29:44 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

im Forum gibt es bereits einige Beiträge zur Brennnessel. Deshalb möchte ich heute nur das Rhizom im Quer- und Längsschnitt zeigen.

Systematik:

Ordnung: Rosenartige (Rosales)
Familie: Brennnesselgewächse (Urticaceae)
Tribus (eine Rangstufe zwischen Unterfamilie und Gattung) :Urticeae
Gattung: Brennnesseln (Urtica)
Art: Große Brennnessel
Wissenschaftlicher Name: Urtica dioica

Die wesentlichen Aufgaben der Wurzel sind die Verankerung der Pflanze im Boden und die Aufnahme von Wasser und Mineralien.
Der stark im Boden verzweigte Wurzelstock der ausdauernden Pflanze treibt viele oft fast mannshohe Sprosse, sie bilden meist große Bestände. Für den Menschen selbst hat das Rhizom in der Pharmazie als Teil einer Heilpflanze eine gewisse Bedeutung.
Die Heilwirkung der Brennnessel war im Altertum schon den Griechen bekannt. Schon die Kräuterbücher des Mittelalters erwähnen ihre Heilwirkungen ausführlich. Infolge ihrer brennenden Wirkung spielte die Pflanze auch im Aberglauben eine nicht unbedeutende Rolle
Kosmetische Verwendung: Als Haarwasser gegen Haarausfall, fettigem Haar und Schuppen.
Brennnesseln wurden auch bei der Färbung verwendet, weil ihr Saft grün ist.
Magische Verwendung:      Die beschützenden Eigenschaften der Brennnessel wurden schon lange in der Magie verwendet. Um einen Fluch abzuwenden oder ihn zurück zu senden, soll man Brennnesseln in eine Puppe stopfen oder sie in einem Säckchen mit nach Hause nehmen.
Um Böses vom Haus fern zu halten oder es zurück zu senden, besprenge es mit Brennnesseln. Das Kraut wird auch verbrannt, um eine Gefahr fern zu halten und man hält sie in der Hand um Geister abzuwehren. Man trägt sie auch gemeinsam mit Schafgarbe gegen die Angst und als Amulett um Negatives zu bannen. Gibt man eine frisch geschnittene Brennnessel unter das Bett einer kranken Person, wird sie die Heilung unterstützen.
Von der Magie zurück zur Wurzel.
Die Brennnessel hat eine vielsträngige - polyarche Wurzel, es gibt eine große Anzahl von Xylemsträngen. Das luftfreie Xylem dient der Wasserleitung und dem Transport von Mikro- und Makronährstoffen. Es ist recht dickwandig, da der Transport fast ausschließlich durch ,,Sog" in Gang gehalten wird. So können sie auch bei sehr angespannten Wasserverhältnissen nicht kollabieren und der Wasserfaden reißt nicht ab.

Bild 01 Illustration, Zeichnung, Große Brennnessel (Urtica dioica)


Bild 02 Schnittstellen, Rhizom, Große Brennnessel (Urtica dioica)


Querschnitte

Bild 03 Rhizom im Probenhalter eingespannt, Große Brennnessel (Urtica dioica)


Arbeitsanleitung:
Original Färberezept siehe Seite von Herrn Armin Eisner http://www.aeisner.de/
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf :
Reichert - Jung Schlittenmikrotom Hn 40 - Schnittstärke beträgt 40 µm.

Probe lag in AFE – Gemisch
Fixiergemisch auswaschen in 70 % Ethanol 5 Minuten
1. (Querschnitte) mit 70 % Ethanol
2. Alkoholreihe bis zum 30%igen Ethanol
3. Wasser entmin. 3x wechseln je 1 Minute
4. Vorfärbung Acridinrotlösung 8 Min.
5. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
6. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) 15 Sekunden.
7. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
8. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 5 : 1 verwendet.
9. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben
10. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % )
11. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen
12. Einschluss in Entellan

Ergebnis :
Rindenparenchym grün; Sklerenchymring rot;. Phloem blau; Epidermis hellrosa;
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot.

Fotos erstellt mit Nikon D5000.

Bild 04 Querschnitt, Rhizom, Übersicht, Große Brennnessel (Urtica dioica)

Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 05 Querschnitt, Rhizom, Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Große Brennnessel (Urtica dioica)


Ph = Phellem, Pg + Pd = Phellogen und Phelloderm, R = Rindenparenchym  -  stärkespeichernd, K = Kambium, Hp = lignifiziertes Holzparenchym, P = Phloem, X = Xylem, T = Tracheen,  H = Holzparenchym -  unverholzt und stärkespeichernd, Pr = Protexylem neu entstehender Zwischenbündel, M = Markparenchym -  stärkespeichernd.

Bild 06 Querschnitt,  Rhizom , Vergrößerung  aus der Übersicht, Große Brennnessel (Urtica dioica)


Bild 07 Querschnitt, Rhizom, Vergrößerung, Floureszenzaufnahme, Große Brennnessel (Urtica dioica)

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED

Längsschnitte

Bild 08 Längsschnitt, Rhizom, auf einen kleinen Holzklotz aufgeklebt, Große Brennnessel (Urtica dioica)


Bild 09 Längsschnitte, Rhizom in Ethanol 70 % - Petrischale, Große Brennnessel (Urtica dioica)


Bild 10 Längsschnitt, Rhizom, Übersicht, Große Brennnessel (Urtica dioica)

Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 11 Längsschnitt, Rhizom, Vergrößerung mit Beschriftung, Große Brennnessel (Urtica dioica)


X = Xylem, K = Kambium, P = Phloem (Typisch die sehr langgestreckten Zellen mit den schrägen Zellwänden, bei denen es sich sicher um Siebplatten handeln dürfte), Pg + Pd = Phellogen und Phelloderm, Ph = Phellem.

Bild 12 Längsschnitt, Rhizom, Floureszenzaufnahme, Große Brennnessel (Urtica dioica)

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED

Tüpfelgefäße im  Xylem. Calciumoxalatdrusen konnte ich nicht erkennen.
Damit die Zellen untereinander in Kommunikation treten können, bleibt die Zellwand an verschiedenen Stellen dünn. So entstehen feine, plasmaerfüllte Kanäle – die Tüpfel.

Literatur:
Aichele, D.; Golte - Bechtele, M.: "Was blüht denn da, -wildwachsende Blütenpflanzen  Mitteleuropas", Kosmos - Verlag, Stuttgart, 1997, S. 388.
Katherine Esau: ,,Pflanzenanatomie"
Bettina Rahfeld: ,,Mikroskopischer Farbatlas pflanzlicher Drogen"

Für Verbesserungsvorschläge habe ich ein offenes Ohr.

Lieber Detlef, herzlichen Dank für Deine Unterstützung.

Mit freundlichem Gruß
Hans-Jürgen





Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Klaus Herrmann

Lieber Hans-Jürgen,

das ist eine traumhafte Färbung - sowohl das Übersichts-Bild, als auch das erste Detail. Unglaublich diese kräftige farbliche Differenzierung der Gewebe, die sonst eher gleich gefärbt sind: das unverholzte Holzparenchym und das Rindenparenchym. Dank auch an Detlef für seine Unterstützung bei der exakten Bestimmung!

Schön wäre auch noch dieses Detailbild ohne Beschriftung. Hast du das Original noch ohne?

Und dann eine immer wieder mal angebrachte Überlegung: so langsam wäre eine eigene Rubrik: Histologie unterteilt in pflanzlich und tierisch/menschlich wirklich gerechtfertigt. Sicher gibt es jetzt wieder einige die für den Slogan: blos keine Experimente plädieren. Aber sehr unpraktisch wäre es wirklich nicht.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Eckhard

Hallo Hans-Jürgen,

Danke für die schöne Dokumentation. Das werd ich auch mal ausprobieren - Brennnesseln hab ich genug hier :D

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Hans-Jürgen Koch

Hallo Klaus, hallo Eckhard,

danke für Euer Lob.

@ Klaus,
hier das Detailbild ohne Beschriftung vom Rhizom, quer der "Großen Brennnessel"



@ Eckhard,
ich war überrascht, wie hart und fest das Rhizom ist.

Gruß

Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Detlef Kramer

Hallo,

noch eine Anmerkung, die vielleicht nicht ganz unwichtig erscheint: Es handelt sich bei dem Rhizom um einen unterirdischen Spross, hat also nichts mit dem Wurzelsystem zu tun. Dennoch unterscheidet sich die Anatomie recht deutlich von der der oberirdischen Sprosse. Dies ist besonders deutlich an den breiten Markstrahlen mir den periodischen Sklerenchymen erkennbar.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für Deine tolle Dokumentation! Die Wackerfärbung ist wirklich sehr ausdrucksstark, so habe ich es bisher nur beim Goldahorn gesehen.

Interessant finde ich auch die Tracheen mit Thylosen in den Bildern 5 und 6.

Lieber Detlef,

Deine Aussage gilt - glaube ich - nur für jüngere Sprosse , die den typischen kreuzförmigen Querschnitt mit der großen Markhöhle zeigen.

Im Ethanol wartet bei mir ein ca. 5 Monate altes Sprosstück (Hans-Jürgen ist mir zuvor gekommen ...  ;D) auf die weitere Präparation, das einen Durchmesser von 11 mm hat und annähernd rund ist. Bis auf die große Markhöhle unterscheidet es sich beim Blick auf den Anschnitt nur wenig von dem hier gezeigten unterirdischen Spross, insbesondere sind auch die lignifizierten Banden im Holzparenchym vorhanden:





Die Bilder habe ich gerade auf die Schnelle gemacht, ich hoffe, man kann erkennen, was ich meine. Leider sind die Strukturen am fixierten Material nicht ganz so gut zu erkennen, am frischen Anschnitt waren sie deutlicher: die lignifizierten Zellen weißlich, die nicht lignifizierten grün.

Herzliche Grüße
Jörg

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Holger Adelmann

Lieber Hans-Jürgen,

auch von mir ein Kompliment für diese wiederum schöne Arbeit.
Mir gefällt ganz besonders gut die Geometrie mit dem streifigen Holzparenchym.

Herzliche Grüsse
Holger


Detlef Kramer

Lieber Jörg,

das sind m.E. keine Thylosen, sondern Längswände verwachsender Tracheen. Ich werde versuchen, das morgen etwas zu untermauern.
ZitatDeine Aussage gilt - glaube ich - nur für jüngere Sprosse , die den typischen kreuzförmigen Querschnitt mit der großen Markhöhle zeigen.
Dieses verstehe ich jetzt nicht. Meintest Du statt Spross Wurzel? Das ergäbe Sinn für mich, träfe hier aber dennoch nicht zu - das ist sicher Spross.

Herzliche Grüße und gute Nacht,

Detlef

Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

#8
Lieber Detlef,

nein, ich meine ebenfalls den Spross. Was ich sagen wollte: die normalen oberirdischen Sprosse haben, wenn sie jünger sind, den typischen kreuzförmigen Querschnitt, wie ihn z.B. Herbert hier zeigt: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9473.0
Der ältere Spross hingegen ist rund und unterscheidet sich vom unterirdischen Spross den Hans-Jürgen uns hier zeigt nur durch die große Markhöhle, dies kann man auch schön an Bild 02 sehen.

Ob jüngere unterirdische Sprosse wohl auch einen kreuzförmigen Querschnitt haben? Leider kann ich nicht selbst nachschauen - meine Proben habe ich genommen, nachdem ich die Urtica ausgemacht habe (gründlichst!). Beim Zerschneiden der Sprosse für den Kompost ist mir dann die interessante Anatomie und auch die von Hans-Jürgen angesprochene Härte des Materials aufgefallen. Ein paar kleine Sprosstücke sind dann ins AFE gewandert.

Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

jetzt habe ich Deinen Beitrag verstanden, kann ihn heute Abend aber nicht mehr mit Fakten kommentieren.

Gute Nacht,

Detlef
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Hans-Jürgen Koch

Guten Morgen, Jörg und Holger,

vielen Dank für Euer Lob!

@ Detlef,

danke für die Ergänzungen zum Rhizom.

Gruß

Hans-Jürgen

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Detlef,

ich möchte noch mal auf die Thyllen zurück kommen. Tracheen im Aufbau würde ich eher im Außenbereich des Xylems erwarten, direkt unterhalb des Cambiums. Innen, wo die ältesten Tracheen liegen, macht eine "Außerbetriebnahme" der selben durch Thyllenbildung am ehesten Sinn. Die Lage der Strukturen in Hans-Jürgens Bilder spricht daher aus meiner Sicht eher für Thyllen.

Ich habe einmal im "Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs an Trees" von Schweingruber, Börner und Schulze nachgeschlagen und bin in der Monografie über die Urticaceae ab Seite 454 fündig geworden. Die Abbildung Left Fig. 5 auf der Seite 456 zeigt einen Querschnitt durch das Rhizom von Urtica dioica mit gekennzeichneten Thyllen - die sehen genau so aus wie in Hans-Jürgens Bildern. 

Was meinst Du?

Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

ich muss Dir recht geben. Ich hatte mir die Fotos zu oberflächlich angeschaut. Die blauen Strukturen in den älteren Gefäßen sehen in der Tat genau so aus, wie die Thyllen in der Robinie. Tut mir leid! An der Farbe erkannt man sie bei der Technik: sie müssen blau sein, da sie aus Zellulose bestehen. Ich hatte meinen Blick auf die roten Querwände in den jüngeren Tracheen fixiert.

Herzliche Grüße

Detlef
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Fahrenheit

Lieber Detlef,

auch hier noch einmal vielen Dank für Deine Bestätigung samt eigenem Präparat!

Herzliche Grüße
Jörg
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