Wie genau Taumeln Bakterien ?

Begonnen von Pommbaer, August 25, 2011, 10:12:43 VORMITTAG

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Pommbaer

Ich lerne derzeit Mikrobiologie für eine Grundvorlesung aber ein paar Dinge sind noch unklar.

1. Wie genau ändern monopolar begeißelte Bakterien ihre BEwegungsrichtung ?

In der Vorlesung wurde es erklärt mit einer Taumelphase in der das Bakterium irgendwann eine neue Richtung einschlägt, da es sich ja nur in eine Richtung fortbewegen kann.

Wie genau erreicht das Bakterium rein von der Bewegung mit einer Geißel ( oder einem Geißelbündel monopolar ) eine Taumelphase ?

2. Zelleinschlüsse

Wenn Bakterien Phosphate speichern und zerstört werden, dann werden die Phosphate doch wieder verfügbar oder liege ich da falsch?
Denn die Einlagerung von Phosphat hat lt. Skript eine Bedeutung für die Phosphat-Entfernung. Aber Zellen sterben ja auch irgendwann..

treinisch

Hallo Pommbaer,

das Taumeln wird verursacht durch einen abrupten Wechsel der
Drehrichtung der Geißel.

vlg
Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Hyperion

#2
Ahh endlich mal eine Mibifrage ;-)

Zitat
1. Wie genau ändern monopolar begeißelte Bakterien ihre BEwegungsrichtung ?

Das ganze wird molekular gesteuert. Aus der Häufigkeit der Taumelbewegung ergibt sich die gesamt Bewegungsrichtung. Möchte das Bakterium in Richtung eines Attractant oder von einem Repellent weg schwimmen, so ändert es einfach so lange seine Taumelfrequenz (Erhöhung wenns die falsche Richtung ist, Erniedrigung wenn die Richtung korrekt ist) bis die Richtung eingeschlagen wird in die es schwimmen möchte (chemische Gradienten, Messung über Zeit).

ZitatWie genau erreicht das Bakterium rein von der Bewegung mit einer Geißel ( oder einem Geißelbündel monopolar ) eine Taumelphase ?

Änderung der Drehrichtung.
Wie das genau geht:

http://www.bmb.leeds.ac.uk/illingworth/motors/flagella.htm
Mittlere Grafik, der eigentliche Regulator ist der Phosphorylierungszustand von CheY.

ZitatWenn Bakterien Phosphate speichern und zerstört werden, dann werden die Phosphate doch wieder verfügbar oder liege ich da falsch?

Ja, wenn die Zellen absterben werden sie wieder frei.

Phosphate werden aber i. d. R. nicht einfach so gespeichert, sondern z. B. als Polyphosphate. Ausserdem sterben in einer wachsenden Kultur und bei ausreichend Nährstoffangebot nie alle Bakterien, sondern netto wächst die Kultur. In der Kläranlage wandert dadurch also ein großer Teil des Phosphats in die Biomasse (--> Faulschlamm) und wird so aus dem Wasser entfernt.

Pommbaer

@Treinisch und Hyperion

Danke für die Antworten - helfen mir beide weiter.

Und schon gleich eine neue Frage:

Zur Überschrift "Bestimmung des Wachstums" wurden folgende Stichpunkte verfasst:

- Desorption, evtl. Auflösung von Aggregaten
- Ionen
- Ultraschall
- Turrax

Wie bitte kann ich die vier Stichpunkte irgendwie mit dem Wachstum in Verbindung bringen ?

Desorption: kann eventuell ein Gradmesser sein wieviel eines Stoffes schon abgebaut wurde
Ionen: Eventuell das Vorhandensein von Ionen in der Lösung als Hinweis auf das Wachstum ?
Ultraschall: Mir in dem Zusammenhang völlig unklar
Turrax: Heftiges Rühren - in dem Zusammenhang genauso unklar wie Ultraschall.

Oder beschreibt das nacheinander vier Schritte die man vor dem Zentrifugieren, Filtern oder Verdünnen durchführen muss ?

nanobot

Hallo,

Man kann Zellaggregate mittels Utraschall oder Turrax auflösen um eine homogene Suspension zu erreichen. Eine homogene Bakteriensuspension ist notwendig um die optische Dichte der Suspension zu bestimmen (photometrische Messung). Diese gibt einen Rückschluss auf die Anzahl der Zellen in der Suspension, was wieder für die Bestimmung der Wachstumsphase wichtig ist. Man macht eine photometrische Messung der Suspension in gewissen Zeitabständen (X-Achse) und kann dann die optische Dichte auf der Y-Achse eintragen. Man erhält eine Wachstumskurve.

Vielleicht können gewisse Ionen ebenfalls Zellaggregate auflösen. Anders kann ich mir diese Punkte nicht erklären.

ZitatOder beschreibt das nacheinander vier Schritte die man vor dem Zentrifugieren, Filtern oder Verdünnen durchführen muss ?
Hier ist mir nicht klar, was Zentrifugieren, Filtern oder Verdünnen mit der Wachstumsbestimmung zu tun haben könnte.

Zentrifugieren: Anreicherung von Bakterien, wenn eine Hohe Bakteriendichte vorhanden ist.
Filtern:  Anreicherung von Bakterien, wenn eine niedrige Bakteriendichte vorhanden ist (zB Trinkwasser).
Verdünnen: Wenn die Suspension auf Agarplatten ausplattiert werden soll, zur Bestimmung der Lebendkeimzahl.

Oliver.

Heribert Cypionka

#5
Lieber Pommbaer,

tut mir leid wenn ich hier noch mal ein wenig den Oberlehrer herauskehre.

Zitat1. Wie genau ändern monopolar begeißelte Bakterien ihre BEwegungsrichtung ?

Antwort: Durch Umkehrung der Geißeldrehrichtung. Bakteriengeißeln drehen sich wie ein Propeller und schlagen nicht wie die von eukaryotischen Einzellern.
Bei Drehung gegen den Uhrzeigersin schwimmen sie vorwärts (Geißel hinten) und schnell, bei Drehung mit dem Uhrzeigersinn schwimmen sie langsamer und rückwärts. Monopolar begeißelte Bakterien taumeln nicht. Hier eine Seite aus dem Mikrobiologischen Garten dazu:



ZitatIn der Vorlesung wurde es erklärt mit einer Taumelphase in der das Bakterium irgendwann eine neue Richtung einschlägt

Taumeln findet man bei polytrich beigeißelten Bakterien wie Escherichia coli. Wenn die ihre Geißeldrehrichtung auf rückwärts stellen, wird das Ganze so unkoordiniert, dass sie rückwärts nicht voran kommen und taumeln.

Weitere Informationen und Videos dazu unter: http://www.pmbio.icbm.de/mikrobiologischer-garten/de/deswi01.htm

Herzlichen Gruß

Heribert Cypionka

Pommbaer

Sehr geehrter Herr Cypionka,

wie können monopolar begeißelte Bakterien die Richtung ändern wenn sie die Position abweichend ihrer Bewegungsachse ändern wollen ?

oder können sie - wie ich es aus der Beschreibung deute - nur entlang einer Achse vor und zurück ?

Gruß

Philipp

Heribert Cypionka

Hallo Philipp,

Zitatwie können monopolar begeißelte Bakterien die Richtung ändern wenn sie die Position abweichend ihrer Bewegungsachse ändern wollen ?

Auf der Abbildung sieht man das doch ganz gut.



Sie machen Spitzkehren und schwimmen nicht exakt auf dem alten Weg zurück. Rückwärts schwimmen sie langsamer als vorwärts, deshalb sind in der Langzeitbelichung die Spuren kräftiger und kürzer als beim Vorwärtsschwimmen. Die dunklen Punkte kommen von den faulen Bakterien, die nur herumliegen ;-)

Hier noch Links zu einem kleinen Film: http://www.picolay.icbm.de/forum/SpiroSpiri1000.avi sowie zu dem Beitrag im alten Mikroforum dazu: http://www.mikroskopie.de/mikforum/read.php?2,48756,48756#msg-48756

Besten Gruß

Heribert Cypionka


Bernd Kaufmann

Hallo Herr Cypionka,

gehört zwar nicht gerade zu diesem Thread, aber es ist mir ein Anliegen: Angeregt durch Ihre Antworten bestellte ich gestern bei Amazon Ihr Buch "Grundlagen der Mikrobiologie" in der 4. Auflage und habe es heute erhalten. Leider konnte ich bis jetzt nur eine knappe Stunde querlesen. Aber das reicht, um sagen zu können, dass dies eines der wenigen Bücher ist, das ab sofort in unmittelbarer Reichweite bleiben wird. Herzlichen Dank und Glückwunsch zu diesem Werk!
Viele Grüße
Bernd ©¿©
www.aquamax.de
Lieber per Du.