"Augen" bei Rädertieren, eine kleine Übersicht

Begonnen von Michael Plewka, September 22, 2011, 21:36:20 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

liebes Forum,

Aus gegebenem Anlass möchte ich mal einige Bilder der Augen von Rädertieren zeigen, ergänzt um ein paar Fakten und Aufnahmen zum Aufbau der Rädertier-Lichtsinnesorgane.
Beginnen möchte ich mit einem Foto  aus der guten, alten Coolpix-Zeit von dem Rädertier Squatinella, das ich früher schon mal hier gezeigt habe, und das beweist, dass aussagekräftige Bilder von diesem Rädertier auch ohne Blitz möglich sind:




Ausschnitt aus obigem Bild , auf dem man bereits die wesentlichen Elemente des Auges eines monogononten Rädertiers erkennen kann:




In der weiteren Ausschnittsvergrößerung erkennt man also:  Li: ein Lipidtropfen bzw. Lipidkugel, die möglicherweise als Linse fungiert. Pi: eine zumeist rot , bisweilen auch blassorange gefärbte Pigmentschicht; N: ein ableitendes Neuron:




Erst im EM erschließen sich weitere Details. Ich habe mal -mehr schlecht als recht- ein Schema nach einem EM-Foto entwickelt:





Die oben erwähnte Pigmentschicht besteht aus mehreren Lagen einzelner Pigmentkörnchen (P), die konzentrisch in einem Halbkreis um die Lipidkugel (Li)  angeordnet sind. Die Pigmentkörnchen sind wahrscheinlich Carotinoide. Man weiß außewrdem, dass Pigmentkörnchen und Lipidkugel epithelialen Ursprungs sind; sie sind Bestandteile einer Epithelzelle (EC), die hier grau dargestellt ist.  Diese Epithelzelle hat zwischen Lipidkugel und Pigmentschichten (eine) Einstülpung(en) , hier als weißes Loch dargestellt, in welche fingerartig die Mikrovilli (Mv, gelb) eines  sensorisches Neurons eindringen.  Diese Mikrovilli bilden eine Art Rhabdomer.  Der Vergleich mit einer Hand (=Rhabdomer), deren Finger in einen Ballen Kuchenteig (=Epithelzelle) hineingesteckt werden, drängt sich mir auf.  Das (gelb dargestellte) Gebilde wird als Ocellus bezeichnet. Dieses Neuron sendet - je nach Rädertierart- direkt oder über Relais-Neuronen Informationen ans Gehirn. Untersuchungen haben gezeigt, dass die ursprungliche Annahme, die rote Pigmentschicht sei an der Lichtsensorik beteiligt, nicht zutrifft.

Soweit das Grundprinzip der morphologischen Strukturen. Über der Entstehung der Nervenimpulse sowie über die dadurch übermittelten Informationen ("Leistungsfähigkeit") der Photorezeptoren ist  so gut wie nichts sicher bekannt. Sowohl  bezüglich der Anzahl der sensorischen Neuronen als auch bezüglich der Bildung der Rhabdomere zeigen sich bei verschiedenen Rädertieren einige Unterschiede.

Das Linsenauge bei Filinia longiseta ist ähnlich aufgebaut wie bei Squatinella:





Bei Encentrum saundersiae lassen sich lichtbrechende Gebilde erkennen, jedoch keine Pigmentschicht . Ob es sich um Lichtsinnesorgane handelt ist unklar.





Daneben lassen sich bei den monogononten Rädertieren Stirnaugen  und  Cerebralaugen (am Gehirn positioniert) unterscheiden.
Hier das Cerebralauge eines  Brachionus:






Das Rädertier Asplanchna ist eines der am besten untersuchten überhaupt. In dieser Frontalansicht, die ich ebenfalls schon mal hier gezeigt habe, kann mann die zwei Augentypen (Cerebralauge, CA) und die Lateralaugen (Ocellen, OC) erkennen:




soweit erst mal, beste Grüße Michael Plewka


Jan Kros

Hallo Michael
Herzlichen Dank für die schöne Bilder und die Aufklärung von Augen bei Rädertieren
Ich habe alles ausgedruckt zum aufbewahren.
Gruss
Jan

HDD

Hallo Michael

Herzlichen Dank für diesen, für mich hochinteressanten Bericht.

Schön detaillierte Aufnahmen. Ich habe schon sehr oft alle möglichen Arten
von Rädertieren beobachtet aber noch nie so detailliert die "Sehzellen"
gesehen. Es ist ausgesprochen schwierig, wie beim Plankton auch, die
Seh-Organe so im Detail zu erkennen. Die Tierchen halten nie still und man
muss immer die Schärfe korrigieren.
Beim fotografieren ist das um so schwieriger, zumal in diesem Fall nicht
geblitzt wurde.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Microflash

Hallo Michael,

Klasse Uebersichtsartikel ueber die Sehorgane der Raedertiere und den Bau dieser. Ich fragte mich schon oft, was die Tierchen sehen/wahrnehmen koennen damit. Dass sie auf Licht reagieren, sieht man z. T. an hastigem Schwimmen aus dem Lichtkegel bei Durchlichtbeleuchtung. Eine Lipidkugel, die moeglicherweise als Linse fungiert, koennte gar ein klareres Abbild der naeheren Umgebung des Tierchens zeigen. Sehr interessant und natuerlich auch super Aufnahmen!

Beste Gruesse,
Martin

Klaus Wagner

Hallo Martin

Zitat von: Microflash in September 23, 2011, 19:09:57 NACHMITTAGS
Eine Lipidkugel, die moeglicherweise als Linse fungiert, koennte gar ein klareres Abbild der naeheren Umgebung des Tierchens zeigen.

Und diese "Funktion" ergibt erst dann einen Sinn, wenn das Tierchen auch rudimentäre Intelligenz besitzt und aufgrund des "Seheindrucks" eine Entscheidung über sein weiteres Verhalten trefen kann. Und das bezweifle ich nicht.

Gruß
Klaus

treinisch

Hallo,

ich habe Michaels Ausführungen so verstanden, dass es sich um ein (1) Neuron pro Auge handelt. Ich
glaube, da kann man wohl eher nicht von einer bildlichen Wahrnehmung sprechen und doch wohl eher
nicht von Intelligenz zu deren Auswertung. Vorausgesetzt natürlich ich habe das richtig verstanden.

Viele liebe Grüße

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Michael Plewka

#6
hallo zusammen,
es freut mich, dass Ihr was mit den Infos anfangen könnt! vielen Dank für die Rückmeldungen und Kommentare!

@ Timm: du hast das richtig verstanden:   Es liegt in der Tat nur ein (1) sensorisches Neuron vor.   Das gezeichnete Schema basiert auf einem   EM-Foto vom "Auge" von  Filinia longiseta (das ich ja hier auch gezeigt habe). Bei Squatinella dürfte prinzipiell ein ähnlicher Aufbau vorliegen, was die Anzahl der Zellen angeht.  Selbst wenn es sich -wie beispielsweise bei dem Rädertier Brachionus- um zwei (2) sensorische Neuronen handelt, so ist damit  keinesfalls  eine bildhafte Repräsentation  der Umgebung   (Bilderkennung) möglich. Es wird sich wohl eher um eine Optimierung einer Richtungserkennung handeln als um eine Bilderkennung. Die Untersuchung der eigentlichen Wahrnehmung ist naturgemäß sehr schwer!

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hat mal ein Kybernetiker die Hypothese vertreten, ein Teesieb würde die kleinste Einheit von Intelligenz repräsentieren, da es zwischen "groß" (-en Partikeln) und "klein"  (-en Partikeln) unterscheiden kann.  Abgesehen davon, dass man sehr präzise defineren muss, was mit "Intelligenz" gemeint sein soll, gibt es keinerlei physiologische bzw. EM- Hinweise darauf, dass Rädertiere mit ihrem wenig komplexen Nervensystem Entscheidungen treffen können, die über einfache Taxien hinausgehen. Es stellt sich für mich auch die eher philosophische Frage, welchen Sinn es macht, einem Rädertier Intelligenz beizumessen ....

Literatur:  Microskopic Anatomy of Invertebrates, Vol 4 ;    1991 Wiley-Liss, Inc.   
beste Grüße Michael Plewka