Mineralisierte Bakterien entdeckt!

Begonnen von Heribert Cypionka, September 18, 2011, 13:12:58 NACHMITTAGS

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Heribert Cypionka

Liebes Forum,

als Inhaber eines Lehrstuhls für Paläomikrobiologie werde ich immer wieder mit Berichten über fossilisierte Bakterien in Milliarden Jahre alten Gesteinen konfrontiert (obwohl wir uns in der Forschung fast ausschließlich mit lebenden Prokaryoten befassen). Ich begegne dem mit einer gehörigen Portion Skepsis. Normalerweise werden Bakterien schnell von verschiedenen Grazern gefressen, oder auch von ihren Kollegen oder von Viren aufgelöst und absorbiert, wenn sie sich nicht mehr wehren können.

Jetzt aber ist es mir endlich gelungen, mineralisierte Reste von Bakterien eindeutig zu identifizieren :D



(DIC-Aufnahmen durch das 25er-Objektiv, mit PICOLAY gestapelt; durch die Rot-Cyan-Anaglyphenbrille betrachtet wird die Darstellung räumlich.)

Bei den Brombeer-artigen Strukturen handelt es sich zweifelsfrei um die Reste von Achromatium spec.  verschiedener Größenklassen und wahrscheinlich auch Arten, zum Teil in Teilungsstadien. Daneben erkennt man die Schalen von mindestens vier verschiedenen Diatomeen, Sandkörner und dunkle organische Substanz.

Wie kann ich mir in diesem Fall so sicher sein, keinem Artefakt auf den Leim gegangen zu sein? Nun, die Probe ist noch nicht ganz so alt wie die oben erwähnten, nämlich ziemlich genau zwei Wochen. Damals habe ich mit der Sedimentprobe aus dem Stechlinsee noch Videoaufnahmen gemacht, auf denen zu sehen ist, wie sich diese (größten bekannten) Süßwasserbakterien gleitend und rollend bewegen. Danach ist das Präparat einfach eingetrocknet und die hier gezeigten Partikel haben sich wohl durch die Kapillarkräfte in eintrocknenden Wasserfäden konzentriert. Die Brombeerstrukturen bestehen aus kleinen Calziumcarbonat-Kristallen, mit denen das Zellvolumen weitgehend gefüllt war. Achromatium erinnnert mich immer an den Wolf von den sieben Geißlein in seinem Endstadium...

Auch wenn das Präparat nicht alt ist, hat der Befund mich überrascht. In vielen Präparaten zuvor habe ich nämlich beobachtet, dass die Zellen leicht zerfallen und die Kristalle verstreuen. In diesem Fall könnte ich mir jedoch vorstellen, dass bei geeigneter Eindeckung über viele Jahrzehnte die ürsprüngliche Form der Zellen sichtbar bleiben könnte.


Beste Mikrogrüße

Heribert Cypionka



Hyperion

Interessant! Vielleicht ja sogar ein Paper wert. Müsste man noch klären wie es dazu kommt...

Zitat
Normalerweise werden Bakterien schnell von verschiedenen Grazern gefressen, oder auch von ihren Kollegen oder von Viren aufgelöst und absorbiert, wenn sie sich nicht mehr wehren können.

Oder machen Sporen und überdauern so eine halbe Ewigkeit. War da nicht mal ein angeblicher Fund von mehrere Millionen Jahre alten Endosporen aus Borkernen die man im Labor wieder zum Lebern erwecken konnte?

olaf.med

Lieber Herr Cypinoka,

Ihre Bakterienanhäufungen gleiche auf's Haar den Framboiden, durch Pyrit mineralisierten Schwefelbakterien, die sich in anaerobem Milieu bilden. Sie sind bei der Bildung zahlreicher Sulfidlagerstätten beteiligt. In der nächsten Woche, wenn ich wieder Zugang zu meinem ftp-Server habe, werde ich ein Bild dazu nachliefern.

Framboid heißt im Übrigen Himbeer-artig, Sie liegen also mit Brombeer-artig bei Ihrer Beschreibung auf der gleichen Linie.

Mit herzlichen Grüßen,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Heribert Cypionka

@Hyperion

Zitat
Oder machen Sporen und überdauern so eine halbe Ewigkeit. War da nicht mal ein angeblicher Fund von mehrere Millionen Jahre alten Endosporen aus Borkernen die man im Labor wieder zum Lebern erwecken konnte?

Die tiefe Biosphäre lebt - das ist ja unser normales Geschäft http://www.pmbio.icbm.de/research.htm, über das ich mich hier nicht weiter verbreiten möchte.

@ Olaf

So ganz bierernst hatte ich meinen Beitrag gar nicht verstanden, aber jetzt entwickeln sich da ernsthafte Hypothesen ;) Die Achromatien leben von der Oxidation von Sulfid mit Nitrat als Elektronenakzeptor im Grenzbereich von oxischem und anoxischem Milieu. Sobald Eisen in der Nähe ist, ist es nicht weit zum Pyrit...

Herzlichen Gruß

Heribert Cypionka

olaf.med

Hallo Herr Cypionka,

ZitatSo ganz bierernst hatte ich meinen Beitrag gar nicht verstanden, aber jetzt entwickeln sich da ernsthafte Hypothesen Zwinkernd

das war durchaus nicht als Hypothese, sondern als Ergänzung des Beitrags gedacht. Daß die Framboide pyritisierte "Schwefelbakterien" sind ist in unserem Fachbereich seit mindestens einem halben Jahrhundert anerkannte Lehrmeinung, und ich kann in der nächsten Woche gerne einmal Literatur dazu heraussuchen, falls Sie an Details interessiert sind.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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Stefan_O

Hallo Olaf,

zumindest ich bin an der Literatur interessiert, besonders im Zusammenhang mit der Lagerstättenbildung. Wäre toll, wenn Du etwas heraussuchen könntest. Die Geologen haben sich ja lange gegen die Idee biogener Einflüsse gewehrt.

Gruss,
Stefan

TPL

#6
Hallo zusammen,
ich glaube, bei den Eisensulfid-Framboedern treffen gerade zwei interessante Denkweisen aufeinander. Herr Cypionka begegnet Berichten über fossilisierte Bakterien in (...) alten Gesteinen (...) mit einer gehörigen Portion Skepsis und er wird dafür Gründe haben. Einige davon kenne und teile ich (REM-Artefakte durch Beschichtung der Probe, die nicht selten zu Bakterien hochgejubelt wurden).

Andererseits gibt es die Untersuchungen im Umfeld aktuell entstehender Sulfid-Lagerstätten, die eine Bildung der Pyrit-Framboide durch Bakterien nahelegen, so wie es auch schon vor Jahrzehnten bei Framboiden in Schwarzschiefern (Erdöl-Muttergesteinen) und Diatomeen-Frusteln vorgeschlagen wurde. Ich glaube, der Knackpunkt liegt darin, dass die einzelnen Kristallite der Framboeder nicht zwingend als fossilisierte / mineralisierte (oder was auch immer nomenklatorisch korrekt sein mag, gell Olaf ;)) Bakterien selbst angesehen werden können, sondern nur als deren Metabolite.

Können Sie uns dazu mehr 'Futter' geben, Herr Cypionka?

Interessierte Grüße,
TPL

Heribert Cypionka

ZitatKönnen Sie uns dazu mehr 'Futter' geben, Herr Cypionka?

Lieber Thomas Pl., liebes Forum,

nicht bei allen Aspekten kenne ich mich wirklich aus, und ich will das hier nicht zu einer halbgaren Diskussion aufblasen.
Aber dennoch hier noch etwas zu den verschiedenen Aspekten:

1.) Bakterien und Archaeen der tiefen Biosphäre leben noch Millionen Jahre, nachdem die Sedimentschichten, in denen sie sich befinden, abgelagert wurden, z.T. kilometertief unter dem Meeresboden. Die sterben einfach nicht, sind aber extrem wenig aktiv, und jedenfalls nicht fossilisiert. Wir haben aus solchen Standorten viele Reinkulturen erhalten, verstehen aber das Leben dort unten trotzdem nicht wirklich gut.

Hier ein Beispiel dazu, ein seltener Fund: ungestörtes, fein laminiertes Sediment aus dem Schwarzen Meer, 8 m unter dem Meeresboden, datiert auf ca. 120 000 Jahre. Die Zellen wurden mit SybrGreen im UV-Licht zum Leuchten gebracht. Aufgenommen auf dem Forschungsschiff Meteor 2007.




2.) Die Achromatien, die ich hier gezeigt habe, sind nicht wirklich fossilisiert, sondern enthalten zu Lebzeiten die Carbonatkristalle, (deren Funktion völlig unklar ist und) die unter meinen Bedingungen die Zellform nach dem Eintrocknen weiter erkennen lassen. Derartige zelluläre Minerale sind aber unter den Bakterien sehr selten, bei den eukaryotischen Einzellern häufig.

3.) Manche, um nicht zu sagen viele Bakterien sind durch ihre Stoffwechselaktivität an der Bildung von Mineralen (Carbonaten, Eisenmineralen, Pyriten etc.) aktiv beteiligt, wobei es sich (außer bei magnetischen Bakterien) meines Wissens nach stets um extrazellulär abgelagertes Material handelt. Das macht Sinn, denn sonst würden die Bakterien sich leicht von innen heraus zerstören. Die gebildeten Kristalle zeigen in einigen Fällen auch die Bakterienform an, typischerweise  aber als Loch, nachdem die Zelle aufgelöst ist.

4.) Abgelagerte organische Strukturen können nachträglich in andere Minerale überführt werden (z.B. pyritisiert). Hier kenne ich mich am wenigsten aus. Aber es ist schwer vorstellbar, dass dabei  Details der Zellstruktur erhalten bleiben. Deswegen bleibe ich entsprechenden Berichten gegenüber skeptisch. Bei einem Dinoknochen oder einer Muschel sieht das natürlich anders aus.

Beste Mikrogrüße

Heribert Cypionka



olaf.med

Hallo,

hier sind die versprochenen Bilder der Framboide, die als pyritisierte Bakterien oder deren Stoffwechselprodukte (was letztlich auch nicht so wichtig ist) gedeutet werden. Die Ähnlichkeit mit Herrn Cypionkas Bakterienhaufen ist jedenfalls frapierend. Im dritten Bild sieht man auch sehr schön, dass die Framboide zu perfekten idiomorphen Kristallen weiterwachsen können.

Die Probe stammt von der Lagerstätte Tharsis bei Rio Tinto, Huelva, Südspanien. Leica DMLS, Objektiv 50x Oel, lange Bildkante ca.  110 µm.







Glück Auf, Olaf
Gerne per Du!

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Heribert Cypionka

Lieber Olaf,

vielen Dank , dass Sie die schönen Bilder zeigen! Ich bin beeindruckt und bleibe skeptisch.
Gründe siehe Nr. 2 bis 4 meines letzten Postings. Ich habe keine Problem damit, der Annahme zu folgen, dass das Pyrit unter Mitwirkung von Bakterien entstanden sein könnte.  Aber weshalb sollte es dabei die Zellstrukturen nachbilden?

In meinem ersten Bild sind übrigens keine Bakterienhaufen, sondern einzelne Zellen mit zahlreichen intrazellulären Carbonaten zu sehen.

Herzlich

Heribert Cypionka

olaf.med

Hallo Herr Cypionka,

ich muß gestehen, dass ich mich mit der Paläontologie nur gezwungenermaßen während meines Grundstudiums beschäftigt habe, und ich möchte hier auch nichts Tiefschürfendes von mir geben. Mich hat nur die Analogie Ihrer Strukturen mit den Framboiden interessiert, und die ist ja wohl evident. In der Paläontologie ist es - soweit ich mich erinnere - auch so, dass man sich nicht notwendigerweise auf die Viecher selbst beschränkt, sondern auch die Lebensspuren mit einschließt. Koprolithe sind z.B. versteinerte Exkremente, und vielleicht sind die Framboide ja so etwas im weitesten Sinne  ;D

Zitat4.) Abgelagerte organische Strukturen können nachträglich in andere Minerale überführt werden (z.B. pyritisiert). Hier kenne ich mich am wenigsten aus. Aber es ist schwer vorstellbar, dass dabei  Details der Zellstruktur erhalten bleiben. Deswegen bleibe ich entsprechenden Berichten gegenüber skeptisch.

Das allerdings geht sehr wohl! Beim versteinerten Holz, bei dem die organische Substanz durch SiO2 ersetzt wird, sieht man die ursprünglichen Zellen hervorragend!

Herzliche Grüße,

Olaf
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Dünnschliffbohrer

Zu dieser Diskussion möchte ich folgendes einwerfen:

1) Framboide ("Himbeer-Pyrite") Pyrite sind nicht "zweifelsfrei" bakteriellen Ursprungs. Es ist schon recht lange bekannt, dass man sie in vitro ohne  jeglichen biologischen Einfluss, herstellen kann.

2)  Ich muss gestehen, dass ich den Deutungen von angeblichen Fossilen Bakterien aus einer Reihe von Gründen mit äußerster Skepsis gegenüber stehe. So etwas wird in der geologischen Fachliteratur immer wieder seit langem beschrieben, aber jedesmal auch von anderen wieder (m.E. zu Recht) bestritten. Auffallend ist dabei vor allem, dass die Beschreibungen von offensichtlich mit mikrobiologischer Arbeitsmethodik in keiner Weise vertrauten Geologen kommen. Da wird z.B. die Hautschattenerhaltung fossiler Wirbeltiere aus der Grube Messel nicht nur auf mineralisierte Bakterien zurück geführt (ohne das es Hinweise dafür gäbe, das sie am Grunde des tiefen Messeler Sees auch mal nur kurz ausgetrocknet wären, im ggs. zu obigem  Bsp.), sondern diese angeblichen Bakterien werden dann noch bis allen Ernstes auf Gattung und Art bestimmt. Als "Beweis" wird dann noch ein REM-Foto einer einzelnen fraglichen Bakterienzelle publiziert, ohne dass klar wäre, ob es sich bei dem abgebildeten Gebilde mit der Form eines Rotationsellipsoides um eine fossile Bakterie aus dem Eozän, oder um eine rezente Bakterie als kontamination oder um ein rein anorganisch entstandes Mineral-Partikelchen handelt. Es fällt auf, das von den Geognosten immer nur unspezifisch geformte Kokken, aber keine ("Sumpf"-) Spirillen, keine charakteristisch zusammen gelagerten Sarcinen, keine Fischzug-artig gelagerten Bacillen und keine fädigen Bakterien gefunden werden. Und wo bleiben denn die sonst überall im aquatischen Milieu vorhandenen Cyanobakterien?

3) im Gegensatz dazu lese man mal in Meyer-Rheil (hoffentlich richtig geschrieben, habe das Buch z.Zt. nicht hier zur Hand) in "Mikrobiologie des Meeresbodens", G. Fischer-Verlag nach, was der zum Problem der Identifikation von rezenten lebenden Bakterien in marinen Lockersedimenten schreibt. Wenn es schon so schwierig und oft zweifelhaft ist, die lebenden Bakterien im Sediment auch nach Färbung und Floureszenzmikroskopie hinreichend sicher zu erkennen, wie soll das bei fossilen, nicht mehr anfärbbaren Bakterien in einem diagenetisch verfestigten Sediment nach Millionen von Jahren gehen?

Den Vogel hat allerings eine ehemalige Kollegin abgeschossen, die sich sogar dazu verstiegen hatte, keine gewöhnlichen Bakterien, sondern Ausgerechnet Archaebakterien (und nichts anderes) in einem offensichtlich rein anorganischem Quarzit aus der Lausitz gefunden zu haben...
Geologen sind der Natur nach zwar Generalisten, manchmal wäre es abe doch besser, mal selbstkritisch die eigenen Grenzen zu erkennen. Anderenfalls besteht die Gefahr, sich nicht nur selbst lächerlich zu machen, sondern auch die eigene Fachdisziplin kaputt zu machen. - Db.
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]