Erstbeschreibung der granulären Struktur der Chromosomen (Balbiani & Pfitzner)

Begonnen von Dr. Timo Mappes, Januar 19, 2009, 13:49:48 NACHMITTAGS

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Dr. Timo Mappes


Liebe Leser,

heute möchte ich Sie herzlich zu einer Reise in die Vergangenheit einladen und Ihnen den Link zu einem besonders interessanten Mikroskop senden. Es handelt sich um das Instrument mit den originalen Optiken, mit welchen Wilhelm Pfitzner (1853-1903) im Jahre 1881 eine seiner wichtigsten Entdeckungen machte: Er beschrieb die Zusammensetzung der chromatischen Fäden des Zellkerns aus den von Édouard-Gérad Balbiani (1823-1899) im Jahre 1876 erstmals beschriebenen Chromatinkugeln (erst ab 1888 wurden diese chromatischen Fäden durch Wilhelm Waldeyer (1836-1921) als Chromosomen bezeichnet). Pfitzner geht 1881 auf ihr Verhalten bei der Zellteilung ein. Wilhelm Roux (1850-1924) griff später auf die Arbeiten von Balbiani und Pfitzner zurück und legt den Grundstein der Chromosomentheorie der Vererbung mit seiner Untersuchung Über die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren (Wilhelm Engelmann, Leipzig 1883).

Die granuläre Struktur der Chromosomen wurde entsprechend in der Zeit bis 1900 als Pfitzner'sche Körperchen oder auch Balbiani-Pfitzner'sche Körner bezeichnet.

Zusammen mit knapp 150 weiteren antiken Mikroskopen können Sie die die genaue Diskussion, mit Zitationen aus den Originalbeiträgen und Wiedergabe der originalen Zeichnung hier sehen:


Viel Freude bei der Lektüre, beste Grüße,

Timo Mappes
Prof. Dr.-Ing. Timo Mappes
Deutsches Optisches Museum
Carl-Zeiss-Platz 12
07743 Jena

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privat:
Museum Optischer Instrumente
www.musoptin.com

Die erste vollillustrierte deutschsprachige Seite zur Geschichte der Mikroskope für die Wissenschaft im 19. & frühen 20. Jahrhundert

Fahrenheit

Hallo Herr Dr. Mappes,

vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Die Verknüpfung der jeweiligen Geräte mit den Entdeckungen ihrer Nutzer machen für mich den besonderen Reiz aus - besonders in der perfekten Präsentation auf Ihren Museumsseiten. Davon gerne mehr!

Freundliche Grüße
Jörg Weiß
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

hinrich husemann

#2
Hallo Herr Mappes,
recht spät stosse ich noch mehr zufällig auf den von Ihnen angegebenen sehr interessanten Link über das für seine Zeit sicher  "spitzen-ausgerüstete" Seibert-Mikroskop der Produktions-Nr. 3506 von 1880. Ich selbst habe ein "normaler" bestücktes Seibert-Mikroskop der Produktions-Nr. 26033 vom - laut beiliegender Vergrößerungs-Tabelle - 20. 1. 1928 (man kann also abschätzen, wie viele Mikroskope Seibert in den vorangegangenen 47 Jahren gebaut hat). Stativ 8a mit 3 Achromat-Objektiven, angegeben zu  Nr. 2 12x, Nr. 5L 45X und 1/12 = 105x; sowie 3 Huygens-Okularen Nr. 1 5x , Nr. 3 10x und Nr.4 14x. Die Numerischen Aperturen der Objektive sind nicht angegeben (ich habe sie gemessen bei Nr. 2 zu 0,27; bei Nr. 5L zu 0,65).
Dass - wie ich beim Studium der dort aufgeführten Objektiv-Daten feststellte - nicht die Abbildungsmaßstäbe, sondern die Brennweiten angegeben waren, war wohl noch lange üblich. ( Man muß sie sich aus der Vergrösserungstabelle zurückrechnen, vorausgesetzt, man kennt die auch nicht immer angegebenen Okularvergrösserungen; bei meinem Exemplar stehen sie wenigstens auf den metallenen Objektiv-Schutzhülsen).
Was mich aber etwas irritierte, waren die  - zumindest von Nr. 6 an und höher - mir sehr "vollmundig" erscheinenden Öffnungswinkel der Objektive. (Es ist auch interessant, dass diese und nicht die jeweilige Numerische Apertur angegeben sind; letztere wurde ja auch nicht so sehr lange vorher erst von Abbe als Begriff "erfunden". ) Selbst z.B. ein Objektiv Apo 40/0.95 korr hat nur einen Aperturwinkel von 72°, d.h. einen Öffnungswinkel von 144°; auch bei starken Immersionsobjektiven ist er nicht größer. Hier sind aber Öffnungs-winkel von 150°, 165°, 175° und sogar 180° angegeben; letzterer ist schon physikalisch nicht mehr möglich.
Insgesamt eine sehr interessante Darstellung eines "Spitzenmikroskops" von vor knapp 130 Jahren!
Freundlich historisierende Mikrogrüsse
H. Husemann