Dünnschliff Basalt-Lava vom Ätna Ausbruch 1981 bei Randazzo

Begonnen von Udo Maerz, Oktober 29, 2011, 11:03:57 VORMITTAG

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Udo Maerz

Liebe Dünnschlifffreunde (und die es werden wollen),

am 17.3.1981 ereignete sich auf der Nordseite des Ätna eine Spalteneruption in ca. 2600 m Höhe, die sich im Verlauf ihrer Dauer von 6 Tagen auf eine Höhe von ca. 1100 m verlagerte und eine Lavamenge von ca. 20 Mio. Kubikmeter freisetzte. Der Lavastrom kam kurz vor dem Ort Randazzo zum Stillstand. Wie sich diese Lava beim Erstarren verhält, zeigt beispielhaft das kurze Ätna-Video aus Oktober 2008 (am besten im Vollbildmodus anschauen).

http://www.youtube.com/watch?v=j4lkyyD4Vmk&feature=related

Das bei Flankeneruptionen häufig ruhig austretende Magma bildet zunehmend zäher (und dunkler) werdende ,,Haut", die immer wieder aufreißt. In dieser langsam erstarrenden Hülle fließt im Innern der mit abnehmender Temperatur zäher werdende Magmakern weiter. Bis zum völligen Stillstand bricht die Hülle an der Front immer wieder auf, den Bruchschutt unter sich begrabend. Thomas Reichert, der  Autor dieser kleinen Filmstudie verunglückte  im Dezember 2008 am Ätna tödlich.
Der Dünnschliff, den ich vorstellen möchte, stammt von einem Gesteinsbrocken aus der rissigen Außenhülle des Lavastroms. Hier zunächst der link für eine Gesamtübersicht (zur besseren Darstellung im erscheinenden Videofenster das Symbol unten rechts für Vollbilddarstellung anklicken).

http://s477.photobucket.com/albums/rr133/24x36Polaroid/?action=view&current=BasaltporphyrischRandazzo1981.mp4

Bereits im Handstück fallen die vielen und ungewöhnlich großen Feldspateinsprenglinge auf,  deren Längsachsen eine deutliche Vorzugsrichtung aufweisen (Fluidaltextur). Sie dominieren auch das Bild im Dünnschliff, deren Längserstreckung bis ca. 1 cm aber nicht mehr mit einem Übersichtsobjektiv erfasst werden kann. Es handelt sich dabei um Plagioklas, der in unterschiedlichen Ausbildungsformen vorliegt (Bild 1 und Bild 2). Besonders auffällig sind die Einsprenglinge, die in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten. Von links nach rechts:

-- ,,Riesen"-Kristalle mit Zonarbau, ebenen Kristallbegrenzungsflächen (idiomorphe Kristalle) und das Kristallwachstum nachzeichnenden Schmelzeinschlüssen;  der Zonarbau ist ein Hinweis auf wechselhafte Schmelzzusammensetzung, die Schmelzeinschlüsse deuten auf phasenweise rascheres Wachstum hin.

-- mittig rechts daneben ein Plagioklas mit teilweise gerundeten und geraden Begrenzungsflächen (hypidomorph); das Innere des Kristalls weist ein Siebgefüge mit nahezu regelmäßig angeordnete Schmelzeinschlüsse im Innern des Kristalls; rundum ein homogener Anwachssaum; kein Zonarbau; das Siebgefüge wird auf rasches Wiederaufschmelzen eines bereits gebildeten Kristalls zurückgeführt, z.B. durch Druckentlastung oder rasche Temperaturerhöhung; auch die teilweise Kantenrundung deutet auf Wiederaufschmelzungsvorgänge hin, der dünne homogene Rand dagegen auf beginnendes Neuwachstum

-- oberhalb und unterhalb 3 bzw. 2 deutlich kleinere, idiomorphe Plagioklaskristalle, ebenso wie der längliche Plagioklaskristall am rechten Bildrand - alle ohne Zonarbau; bei dem dazwischenliegenden Kristall mit nahezu rautenförmigen Querschnitt handelt es sich um einen Olivinkristal.



Bild 1 (ein Polarisator -LPL)



Bild 2 (gekreuzte Polarisatoren -XPL)

Die Bilder 3 und 4 zeigen in der unteren Bildmitte ein Kristallaggregat von  Augit/Erz/Olivin in der feinkristallinen Grundmasse. Verwachsungen von Plagioklas mit Olivin oder Augit werden bei den Einsprenglingen eher selten beobachtet, die Plagioklaseinprenglinge treten überwiegend nur isoliert oder miteinander verwachsen auf.




Bild 3 LPL



Bild 4 XPL


Die feinkörnige Grundmasse erscheint nahezu vollständig auskristallisiert (Bild 5 und Bild 6) und besteht aus einem nahezu gleichkörnigem Gefüge aus Plagioklasleisten, Augit und Olivin. Der leuchtende Kristall in Bildmitte von Bild 6 ist ein Olivin, die gelblichen Interferenzfarben stammen von Augitkristallen.



Bild 5 LPL



Bild 6 XPL


Die verschiedenen Ausbildungsformen und Kristallgrößen der Plagioklaskristalle sind ein deutlicher Hinweis auf unterschiedliche Bildungsbedingungen (Druck-, Temperatur-, Viskositätsverlauf bei der Abkühlung). Der Ätna gehört zu den bestuntersuchten Vulkanen in Europa  und besitzt ein kompliziertes  Förder- und Speichersystem für Magma. Das Material wird kontinuierlich von der Grenze Kruste/oberer Erdmantel aus einer Tiefe von 40-50km Tiefe nachgeliefert und in Magmakammern unterhalb des Ätna zwischengespeichert. Dabei ändern sich nicht nur Druck und Temperatur, sondern auch der Chemismus des Magmas. Bei dem Ausbruch 1981 vermutet man die Lage der Magmakammer in  kapp 2 km Tiefe, fast auf Meereshöhe. Wird die Magmakammer bei einer Eruption entlastet, kann weiteres Material anderer Schmelzzusammensetzung von unten nachströmen und sich mit dem Inhalt der Magmakammer vermischen, was sicherlich zu keiner homogenen Mischung führen dürfte.
Man nimmt an, dass die Lava vom Austritt aus der Magmakammer bis an die Oberfläche des Flankenaustritts nur ca. 2 Stunden brauchte.

Wie passen diese Informationen zu den Beobachtungen am Dünnschliff?

Das Gestein ist nahe der Oberfläche des Lavastroms vollständig erstarrt und zerbrochen; es zeigt ein Fluidalgefüge, in das die Plagioklaseinsprenglinge eingeregelt wurden, als die ganze Masse noch gut fließfähig war, sich also noch keine starre Außenhaut gebildet hat. Der große Temperaturgradient zur umgebenden Außenluft führt zu einer schnellen Abkühlung der Außenhaut, das Wachstum der vielen kleinen Grundmassekristalle(ohne erkennbare Fluidaltextur!) setzt die sinkende Viskosität zusätzlich bis zur vollständigen Verfestigung rasch herab, sodass die weitere Durchbewegung  nur noch zu Bruchprozesse in der Oberfläche führt.

Dieser Dünnschliff fordert gerade unmittelbar dazu heraus, etwas über die Wachstumsgeschwindigkeiten von Plagioklaskristallen in einer basaltischen Schmelze in Erfahrung zu bringen, um nachzuvollziehen, wie schnell die komplette Verfestigung der oberflächennahen Bereiche stattgefunden hat, und welche Zeitspanne zwischen dem Beginn des Wachstums der größten Einsprenglinge gelegen hat.

In der Literatur habe ich Wachstumsgeschwindigkeiten gefunden, die zwischen 0,1 bis 5 µm/s liegen. Bei der Wachstumsgeschwindigkeit für die Einsprenglinge habe ich einen Wert von 1,5 µm/s  und für die Kristallisation in der Grundmasse aufgrund abnehmender Viskosität einen Wert von 0,2 µm/s bei der Berechnung der Wachstumsdauer angesetzt.  Danach betrug die Wachstumsdauer für die größten Einsprenglinge mit ca. 8 mm Länge ca. 2 h, die ca. 100 µm großen Plagioklaskristalle haben die Lava innerhalb von ca. 15 min verfestigt.


Kamera: Canon 1000D
Mikroskop: Ortholux
Objektive: Leitz Achromate 3,5 ; 6 und 13
Kamera-Adaption: direkt am Trinotubus, ohne Zwischenoptik (daher die randliche Unschärfe)
Bildbearbeitung:  gerinfügige Tonwertkorrektur mit Picasa



Viel Spaß beim Ansehen
Udo Maerz








Bernhard Lebeda

Hallo Udo

vielen Dank für diesen wunderbar lehrreichen Beitrag!!

Wird abgespeichert!!

Viele unversteinerte Grüße


Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Rawfoto

Hallo Udo

Spitzen Beitrag, danke fuer die umfangreiche Beschreibung ...

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Udo,

auch von mir vielen Dank für Deinen sehr informativen Beitrag!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

moräne

Hallo Udo

Das sind sehr schöne Bilder, besonders das mit dem zonierten  Kristall  und seinen durchsiebten Nachbarn gefallen mir gut.
Ich schleife zur Zeit an einem Stück Fassadennaturstein, was ich in Italien bei einem Steinmetz auf seiner Müllhalde fand, und das ich auch immer als vielleicht vom Ätna kommend, ansah.
Wir werden das in ein paar Wochen sehen.
Grüße
Gerd

Ralf

Lieber Udo,

danke für diesen schönen Beitrag.

Das ermutigt mich, im Winter meinen Basalt aus dem Steinbruch bei Mayen ebenfalls mal zu schleifen, denn jetzt weiß ich ja, wen ich bei der Interpretation des Schliffs fragen kann......



Holger Adelmann

Hallo Udo,

vielen Dank fuer diesen lehrreichen und super bebilderten Beitrag  :)

Herzliche Gruesse
Holger