Beobachtungen am Rütteltierchen (Limnostrombidium viride)

Begonnen von Michael Plewka, Oktober 22, 2011, 13:09:17 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

liebe Tümplerinnen und Tümpler,

im Plankton findet man  häufig einen rasend schnell schwimmenden Ciliaten: Limnostrombidium viride. Das  Fotografieren desselben ist ein sportliche Herausforderung, da der Ciliat bei zu starker Quetschung schnell platzt. Also ist bei der Präparation Vorsicht geboten. Hier einige Details zur Morphologie.

1.Limnostrombidium viride; charakteristisch ist ein Saum von Extrusomenbündeln, die äquatorial angeordnet sind (gelbe Pfeile). Das Präparat ist auf das "Neoformation-Organell" (gelbe Dreiecke) fokussiert, welches bei den Neubildung des Oralapparats eine Rolle spielt. Die Art L. viride weist desweiteren funktionsfähige Chloroplasten auf (grüne Dreiecke), die von gefressenen Grünalgen stammen:




2. anderes Exemplar. Man erkennt die Cilien der äußeren (AM) und die inneren (IM) Membranelle der Oralregion. (grüne Dreiecke): funktionsfähige Chloroplasten (Kleptoplasten = "gestohlene" Chloroplasten); Ex: mediane Extrusomenbündel; EEx: ausgestoßene Extrusomenbündel; gelbe Dreiecke: ventrale Cilienreihe.




3.Fokus auf die äquatoriale Cilienreihe (gelbe Pfeilspitzen), die Cilien bestehen lediglich aus einem Basalkörper und eine ca 2µ langen Borste. Grüne Pfeile: Extrusomenbündel. Im hinteren Teil der Zelle (=unten) sieht man die polygonalen Platten (PoP). Objektiv 100x:




4.Fokus auf das "Neoformation Organell" (gelbe Dreiecke), aus dem sich die neue Mundregion bildet:




Bei näheren Untersuchung (hier der obige Bildausschnitt mit anderer Fokusebene)  fand ich einige Merkmale, die in der Literatur zunächst nicht zu finden waren (gelbe Pfeile). Es stellte sich dann heraus, dass dieses Exemplar sich bereits in einer Phase der Zellteilung befand. Es sind dieses bereits Anlagen der neu entstehenden Mundöffnung. Ebenfalls zu sehen: der Makronukleus (Ma; die Grenzen des Ma sind durch gelbe Dreiecke markiert)) und die Extrusomenbündel (E):




Ich gebe gerne zu, dass ich mich bisher mit der Zellteilung von Ciliaten nur sehr oberflächlich beschäftigt habe. Im Grunde genommen war meine Vorstellung die: die meisten Ciliaten teilen sich quer, die peritrichen Ciliaten (Beitrag korrigiert) teilen sich längs. Das war´s-

Bei näherer Betrachtung ergibt sich allerdings ein hochkomplexes Bild der verschiedenen Möglichkeiten, wie die Mundregion der Tochterindividuen gebildet wird. Sehr stark vereinfacht wiederum kann man sagen, dass bei vielen Ciliaten die beiden Tochterindividuen am Ende der Teilung hintereinander liegen. Die Teilung erfolgt also nicht spiegelsymmetrisch.
Hier einige Beispiele (aus KAHL, verändert):
1. Didinium sp.;  2. Coleps sp.; 3. Condylostoma sp.; 4. Chilodon sp.; 5. Caenomorpha sp.. Unten ist Limnostrombidium zu sehen:






Limnostrombidium dagegen weist einige Besonderheiten auf. Hier liegen die sich bildenden Tochterindividuen zwischenzeitlich quasi spiegelsymmetrisch vor, sie sind also zeitweise analog wie die linke und rechte Hand zu interpretieren.
Dazu kommt, dass für die Bildung des neuen Zellmunds ein besonderes Organell beobachtet wurde, das "neoformation-organelle" (einen deutschen Ausdruck habe ich nicht gefunden), ein schlauchförmiges Organell, das sich durch den hinteren Teil der Zelle windet.

Hier ein weiteres Teilungsstadium: beginnende Zellteilung: links die sich neu bildende Mundregion (grün). Erkennbar ist die äußere (AM) und die innere (IM) Membranelle der Oralregion:





fortgeschrittene Zellteilung: Die Cilien der Oralregion der Tochterzelle sind bereits deutlich länger (links):




Als nächstes bildet sich eine Einschnürung:





nahezu beendete Zellteilung: Die beiden Tochterindividuen verdrehen sich gegenseitig durch die verstärkte Aktivität der oralen Cilien und trennen sich dabei voneinander:




Limnostrombidium viride; quasi getrennte Tochterindividuen:





die Tochterindividuen weisen noch einen "Schwanz" auf (gelbes Dreieck), der aber nach einigen Minuten resorbiert ist:



Hier ist der Rest eines geplatzten Individuums zu sehen, die Pellikuka hat sich wieder zusammengezogen / regeneriert. Der Ciliat war mindestens noch für ca 20 min (Beobachtungszeitraum) aktiv. Das Bild ist als Hinweis zu verstehen, dass verletzte und verstümmelte Ciliaten nicht immer als solche erkannt werden können und dann zu Fehlbestimmungen führen.
Die gelben Pfeile zeigen auf die orangefarbenen Stigmen der Kleptoplasten, was zeigt, dass diese von Grünalgen stammen (bei den  Eugleniden  z.B. befinden sich die Stigmen außerhalb der Chloroplasten):




viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße Michael Plewka

Jan Kros

Hallo Michael
Wunderschöne Aufnahme von einen interessante Ciliat
Sehr lehrreich, danke fürs zeigen
Herzlichen Gruss
Jan

Ernst Hippe

Lieber Herr Plewka,
unglaubliche Aufnahmen und großartige Dokumentation - das sollte in den MIKROKOSMOS! Ich vermute, alles ist geblitzt, denn so still hält das Tierchen bestimmt nicht.
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

biokai

hallo michael,
die bilder sind grandios!
wie hast du das gemacht?
herzliche grüse,
kai

Joost van de Sande

Hallo Michael,

Wieder SUPER in jeder Hinsicht.

Viele Grüße

Joost

Bernd

Hallo Michael,

wirklich fantastische Aufnahmen, und das von so einem schnellen Schwimmer, Respekt!

Noch eine Anmerkung:
ZitatIm Grunde genommen war meine Vorstellung die: die meisten Ciliaten teilen sich quer, die (einige der) Heterotrichen, z.B. das Trompeten"tierchen" Stentor  teilen sich längs. Das war´s-
Peritriche Ciliaten teilen sich längs, alle anderen, auch Stentor, teilen sich quer.

Viele Grüße
Bernd

Michael Plewka

hallo zusammen,
recht herzlichen Dank für die anerkennenden Kommentare...
@ Bernd: Du hast natürlich recht! Wie ich schon sagte: bei mir herrscht große Unwissenheit!

noch etwas zur Technik:

-Sammeln: zum einen mikroskopiere ich das Probenwasser so umgehend  wie möglich; zum anderen lasse ich die Proben in einem engen Gefäß einen Tag stehen. Es sammeln sich dann die sauerstoffbedürftigen Organismen an der Wasseroberfläche in höherer Konzentration. Davon wird dann etwas auf den Objektträger pipettiert. Das hat den Vorteil, dass man kein Sediment in der Probe hat, so dass das Deckglas möglichst flach aufliegen kann (Schichtdicke).

-Mikroskop: ist hier beschrieben:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10276.0
Der Bitz ist von Jürgen Stahlschmidt.


beste Grüße Michael Plewka

Bernhard Lebeda

Hallo Michael,

das sehe ich ja jetzt erst. Dass Du fotografieren und präparieren kannst, hast Du schon oft bewiesen. Aber diese Serie schlägt auch an Deinem Standard gemessen alle Rekorde. Wer je versucht hat diese Strombidium Typen zu fotografieren, kann einfach nicht begreifen, wie man da ganz cool mit der Ölimmersion auf den Ciliengürtel halten kann.

S a g en h a f t!!

Viele Grüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

G. Helbig

#8
Zitat von: Bernhard Lebeda in Oktober 26, 2011, 00:14:57 VORMITTAG
Wer je versucht hat diese Strombidium Typen zu fotografieren, kann einfach nicht begreifen, wie man da ganz cool mit der Ölimmersion auf den Ciliengürtel halten kann.

Hallo Herr Plewka,

ich kann mich der Bewunderung nur anschließen. Dieses Können macht den wahren Meister aus.

Viele Grüße

Gerald Helbig

Michael Plewka

hallo zusammen, hallo Bernhard, hallo Herr Helbig,

natürlich freue ich mich über Euer  Lob aus berufener Feder. Es ist allerdings so, dass   auch andere Menschen hier in diesem Forum diesen Ciliaten bereits sehr schön abgelichtet haben. Schaut man mal ins alte Forum, so gibt es da den Beitrag von Martin Kreutz mit einem sehr schönen Video dazu (leider nicht mehr abrufbar); ebenso hat Ralf Wagner das Viech unter dem Namen "Strombidium viride" gezeigt. Es lohnt sich unbedingt, die Diskussion dort zum Thema Kleptoplasten zu lesen! Es lohnt sich m.E. sowieso, das alte Forum -zu welchem mikroskopischen Thema auch immer- durchzustöbern. Ist es nur mein subjektiver Eindruck oder trifft es tatsächlich zu, dass "damals" viel mehr inhaltliche Diskussionen (gemeint ist: Diskussionen über das, was man mit dem Mikroskop sieht) als technische Diskussionen geführt worden sind?

fragende Grüße Michael Plewka