Lackuntersuchungen mit Auflicht-HF; -Pol; -Fluoreszenz

Begonnen von Klaus Herrmann, November 13, 2011, 11:47:30 VORMITTAG

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Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

werkstofftechnische Untersuchungen werden hier nicht so oft präsentiert. Die Bilder haben auch selten den hohen ästhetischen Reiz, den die meisten der hier gezeigten haben. Ich habe vor kurzem ein im industriellen Lackierbetrieb alltägliches Problem zu lösen gehabt, bei dem sich mal wieder gezeigt hat, dass man mit der Auflichtfluoreszenz völlig unproblematisch ein tadelloses Ergebnis erhält, das sonst mit keiner Methode zu erhalten ist.

An einem Automobil sind heute viele Teile der Außenhaut nicht mehr aus Stahl, sondern aus Kunststoff gefertigt. Ich kenne kein Auto bei dem die Stoßfänger noch aus Blech sind. Ganz extrem: die Boliden der Formel 1 sind völlig mit CFK (Carbonfaser verstärkte Kunststoffe) verkleidet.

Industrielackieranlagen sind bei hohen Stückzahlen immer Durchlaufanlagen, in denen nur noch Automaten arbeiten. Zur Optimierung des Lackierergebnisses (Lackschichtdicke, Lackerscheinungsbild) benötigt man zuerst mal eine exakte Bestimmung der einzelnen Lackschichten.

Polypropylen (PP) ist ein relativ preiswerter und leicht zu verarbeitender Werkstoff, leider aber nicht einfach zu lackieren, weil die Lackhaftung durch unpolare Oberfläche nur mit Tricks verbessert werden kann (z. B. "Beflämmen" mit einer oxidierenden Flamme). Auf die so aktivierte Oberfläche kommt als erste Schicht ein Primer (P) als Haftvermittler, dann folgt die farb- und effektgebende Schicht (BC) und als Decklack ein witterungsbeständiger Klarlack (CC).

Jede Schicht hat ein Schichtdicken-Optimum und das muss durch Einstellung einer Vielzahl von Lackierparametern erzielt werden.

Die einzige Möglichkeit der Bestimmung der Schichtdicken ist ein orthogonaler Querschnitt, der im Auflichtmikroskop ausgemessen wird.
Manchmal ist die deutliche Kontrastierung der einzelnen Funktionsschichten mit den üblichen Methoden HF, DF, Pol, DIC nicht zu erzielen und nur mit einer geeigneten Filterkombination der Auflicht-Fluoreszenz erhält man ein gutes Ergebnis.

Hier stelle ich ein solches Beispiel vor. Der Klarlack (CC) war vom darunter liegenden Basislack (BC) nicht sicher zu unterscheiden. Das geht nur mit einer Blauanregung BP 450-490  FT 510  LP 520 mit der Grünanregung BP 515-565  FT 580  LP 590 kann man sogar den Primer gleichzeitig sehen, der bei der Blauanregung eher undeutlich zu sehen ist.

Man sieht: eine Kombination der Methoden ist zwingend erforderlich!

Die Firma, für die ich diese Untersuchungen gemacht habe hat Englisch als Muttersprache, deshalb hat der Lack die Abkürzung C wie coat - nicht, dass wir jetzt eine Diskussion über die Reinheit der deutschen Sprache bekommen. ;)









Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Bastian

Hallo Klaus,

ich finde das sehr interessant. Endlich mal was anderes als immer nur Gemüse  :P

Zwei Fragen habe ich hier noch: Was macht denn denn der Glimmer in der BC Schicht? Oder steht Mica gar für etwas ganz anderes? Sorgen die Gimmerplättchen am Ende für den Metallic-Effekt, oder wie kann man das verstehen?

Offensichtlich lässt sich der Lack wohl sehr schlecht polieren, ist das auch ein diagnostisches Merkmal wie man es von manchen metallischen Werkstoffen, wie etwa Blei, her kennt?

Grüße,
Bastian

Klaus Herrmann

Hallo Bastian,

danke für dein Interesse!

das "Mica" ist hier ein Effektpigment. Früher waren das ausschließlich Alubroncen  und heute sind es oft beschichtete Glimmer. Für Merck ein großes Geschäft, wird von denen unter dem Markennamen "Iriodin" vertrieben. Unter dem Stichwort findet man beim Googeln üppig Antworten. Speziell für dich habe ich diesen Link gewählt: http://www.bastiandruck.de/leistungen/veredelung/iriodin/  :D
Nicht der informativste, aber eben... ;)

Ich bin mir aber nicht sicher, ob das nicht Alubronce ist. Müsste ich genauer untersuchen. Aber das war hier nicht die Fragestellung, es geht ausschließlich um die Schichtdicken. Beim CC sind es 32 µm.

Nicht nur in der Industrie ist Zeit Geld, deshalb werden Mikrotomschnitte von ausgewählten Proben gemacht. Hier als Beispiel ein halbierter Stoßfänger von dem schon alleine 7 Proben genommen werden. Der Lackierbetrieb bringt das Teil und will die Ergebnisse möglichst schon bevor die Probe überhaupt im Labor ist haben!  ;D ;D ;D

Zum Schleifen und Polieren ist da keine Zeit. Man sieht auch schön, wie unterschiedlich das Bruchverhalten der Lackschichten ist. Der Klarlack bricht grob muschelig - er ist am härtesten und dadurch auch am besten zu polieren, was in der Praxis auch schon wichtig ist.

Natürlich werden die Bilder schöner, wenn man aufwändig fein schleift und poliert - aber Schönheit zählt hier nicht. Und auf 1-2 µm kommt es nicht an.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Dieter Stoffels

#3
Lieber Klaus,

vielen Dank für die Darstellung Deiner Lackanalyse. Ich vermute, dass Du den Lackverbund angeschnitten hast oder? Wahrscheinlich handelt es sich um ein 2K-Lacksystem des Typs Urethan-modifierter Polyacryl- oder Polyalkydharzester. Die Fluoreszenz zur Unterscheidung von Teilschichten einzusetzen, ist sicher eine hilfreiche und wertvolle Methode, vor allem dann, wenn aromatische Amine als Härter eingesetzt wurden. Aber auch bei der Schichtanalyse von Verbundfolien leistet die Fluoreszenz gute Dienste. Auch hier liegen häufig sehr dünne Teilschichten vor, die aufgrund der Topografie des unterliegenden Substates nur schwer mikroskopisch erkannt werden können. Ich bin gespannt, wieviel Resonanz Dein Beitrag erhalten wird. Vielleicht besteht mehr Interesse an mikroskopischer Materialanalyse, als ich bisher dachte.

Nochmals vielen Dank für Deinen Beitrag!

Dieter


Lieber Bastian,

das mit dem Gemüse könnte Ärger geben. Ich glaube, es spricht für das Leistungsvermögen der Botaniker hier im Forum so stark vertreten zu sein. Übrigens, vieles was in der botanischen Histologie gezeigt wird gehört nicht zum Gemüse!

Viele Grüße!

Dieter






Florian Stellmacher

Lieber Dieter,

Zitatdas mit dem Gemüse könnte Ärger geben.

Och... Ich denke, dass erwachsene Männer, die den ganzen Tag an Blümchen 'rumschnibbeln, auch einen entsprechenden Humor haben sollten!  ;D

Herzliche Grüße,
Florian

P.S.: Lieber Klaus, auch ich finde es interessant, mal soetwas zu Gesicht zu bekommen - danke!
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Bastian

Zitat von: Dieter S. in November 13, 2011, 14:00:51 NACHMITTAGS
Vielleicht besteht mehr Interesse an mikroskopischer Materialanalyse, als ich bisher dachte.
Das will ich schwer hoffen; so gerne ich mir die Pflanzenschnitte ansehe, und das tue ich wirklich, freut es mich als materialwissenschaftlich orientierter Mensch eben auch mal etwas Technisches zu sehen. Kann natürlich sein dass das für die meisten langweilig ist, da es in aller Regel auf den ersten Blick nicht so ästhetisch erscheint. Ich finde aber dass es gerade das über den eigenen Tellerrand blicken ist, die das Lesen - und gelegentliche Schreiben - im Forum spannend macht.

Zitat
das mit dem Gemüse könnte Ärger geben. Ich glaube es spricht für das Leistungsvermögen der Botaniker, hier im Forum so stark vertreten zu sein.

Das sehe ich ähnlich gelassen wie Florian; das Leistungsvermögen der Botaniker ist aber tatsächlich beträchtlich und führt mir  natürlich auch vor Augen dass die Unbelebt-Mikroskopiker - hier muss ich mir wohl auch an die eigene Nase fassen - ruhig ein wenig mehr von Ihren Ergebnissen zeigen sollten...

Bastian


Dieter Stoffels

Lieber Bastian,

ich bin auch eigentlich davon ausgegangen, dass Du keinem zu nahe treten wolltest. Mich hat nur der Begriff Gemüse beeindruckt. Ich wäre auch an weiteren Beiträgen zur Materialanalyse interessiert und könnte sicher auch etwas beisteuern.

Viele Grüße!

Dieter

Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

ich denke keiner der Botanik-Histologen ist so empfindlich, dass das "Gemüse" zur Verstimmung führen wird. Ich selber bin ja auch begeisterter "Schnibbler", das aber eben nur als l´Art pour l´Art. Richtig "beschäftigen" tu ich mich mit allerlei Werkstofflichem und Lack ist ein Schwerpunkt.

# Dieter: Danke für deine Anerkennung. Du hast uns hier ja auch schon schöne und weit aufwändigere Beispiele gezeigt. Das Problem ist immer, dass die Auftraggeber nicht gerne sehen, wenn ihre Probleme öffentlich diskutiert werden. Deshalb darf man nicht erkennen von wem die Proben stammen.

In diesem Fall weiß ich selbst nicht zu welchen Auto der halbe Stoßfänger gehört- das ist auch nicht relevant.

Die 2 K PU-Lacke sind fast immer HDI (Hexamethylen-Di-Isocyanat) oder für noch bessere Qualität IPDI (Isophoron-Di-Isocyanat) mit einem Polyol als Reaktionspartner. Fürs Polyol gibt es eine große Variationsbreite mit der die Eigenschaften des Polymers beeinflusst werden.

Ich fände auch interessant, wenn die "Werkstoffzunft" hier noch mehr Ergebnisse zeigen würde! Also nur zu! :D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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moräne

Hallo Klaus

Werkstoffe finde ich auch immer interessant.
Ich habe da aus meiner Jobberzeit in einem Sintermetallbetrieb seit ewiger Zeit ein Stück grünliches,  wahrscheinlich nickelhaltiges  schlackiges Zeug aus dem  " Sintertunnel ", wo die aus Pulver gepressten Werkstücke auf einem Band durchliefen, und habe das kürzlich aus Bayern mitgebracht.
Ob man einen Dünnschliff daraus machen kann, werde ich noch sehen.
aus mangelnder Erfahrung kann ich nicht sagen, ob  bei so was mehr geht, als anschleifen und dann Kornflächen und Korngrenzenätzung.
Grüße
Gerd

Dieter Stoffels

#9
Lieber Klaus,

Deinen Ausführungen kann ich nur Zustimmen. Verschwiegenheit ist bei der Bearbeitung von Kundenproben oberstes Gebot. Bei der Materialanalyse kommt noch hinzu, dass sich Privates mit Beruflichem zu mischen beginnt. Viele Präparationstechniken der Materialanalyse sind selbst erarbeitet und stellen einen großen Wettbewerbsvorteil dar. Sie sind somit nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Zu wissen, dass  man eine Lackprobe schneiden kann, ist meist nur weniger als die halbe Miete. Das im Detail "Gewusst wie" ist in der Regel entscheident und führt zur Problemlösung.

Viele Grüße!

Dieter

Bastian

Zitat von: moräne in November 13, 2011, 16:48:52 NACHMITTAGS
... seit ewiger Zeit ein Stück grünliches,  wahrscheinlich nickelhaltiges  schlackiges Zeug aus dem  " Sintertunnel ", wo die aus Pulver gepressten Werkstücke auf einem Band durchliefen, ...
Hallo Gerd,

also jetzt wird es langsam richtig spannend: Schlacken! Was Besseres kann es doch gar nicht geben.... Ich würde das Material zunächst anschleifen und polieren. Danach dann erst einmal Gefüge und Phasenbestand beschreiben, bevor Du zum Dünnschliff übergehst. Mit Ätzen würde ich warten bis Du die Probe mikroskopisch erschöpfend beschrieben hast. HF, POL, etc. Da sollte schon eine Menge zu sehen sein, es sei denn es ist ein Glas....

Grüße,
Bastian

moräne

Hallo Bastian

Das werde ich so machen.
Allerdings habe ich kein Auflichtmikroskop, und deswegen denke ich, daß ich nach dem Polieren einer glatten Fläche in meinem Mikroskop wenig sehen werde.
Nachdem ich erste Antwort geschrieben hatte, ging mir das auch schon durch den Kopf.
Ich kam auf die Idee, daß man ein sehr dünn geschliffenes Plättchen vielleicht so ätzen könnte, daß man prakisch Löcher oder Streifen reinätzt, die dann eine Art durchsichtiges Muster ergeben könnten.
Als Experte auf diesem Gebiet kannst Du mir vielleicht sagen, ob es so etwas ähnliches bereits gibt.
Metallographie jedenfalls schätze ich sehr - ich bin nur dadurch auf die Gefügekunde gestoßen, daß  mir vor ewigen Zeiten antiquarisch die "Metallographie der technischen Kupferlegierungen " aus der Jahrhundertwende in die Hände fiel.
Grüße
Gerd

Bastian

Zitat von: moräne in November 13, 2011, 20:00:55 NACHMITTAGS

Metallographie jedenfalls schätze ich sehr - ich bin nur dadurch auf die Gefügekunde gestoßen, daß  mir vor ewigen Zeiten antiquarisch die "Metallographie der technischen Kupferlegierungen " aus der Jahrhundertwende in die Hände fiel.
Hallo Gerd,

also zunächst mal sind wir gerade dabei Klaus' Thread zu missbrauchen, aber wie betreibst Du denn dann Metallographie wenn Du kein Auflichtmikroskop hast? Die Gefügekunde finde ich auch extrem spannend  :)

Du kannst natürlich "einfach" einen Dünnschliff herstellen. Wie das manuell geht hat ja Klaus vor kurzem erst wunderbar beschrieben.- Mir fehlt dazu derzeit noch die apparative Einrichtung für eine mehr automatisierte Herstellung. Aber zu dem Thema gibt es ja auch schon einiges, sicher kennst du auch Herrn Abele's feines Maschinchen.-

Da ich aber über die Pol-Auflichtschiene in die Materie gerutscht bin, fange ich üblicherweise mit Auflicht an. Weisst Du denn nicht noch ein wenig mehr über die Umstände der Schlackenbildung? Gabs  irgendwelche Zuschlagstoffe, war Schlackenbildung an irgendeinem Punkt der Prozesskette erwünscht? Mich wundert das Ganze ein wenig, da es sich doch um Pulvermetallurgie handelt, oder? Bei grüner Farbe und Schlacke denkt man natürlich erst mal an Hochofenschlacke, die ist übrigens grün oder blau wegen submikroskopischer Eisentröpfchen, da ist also nicht viel mit mikroskopieren...

Naja mehr Details vielleicht besser als PM um Klaus Thread nicht noch total zu entführen.

Gruß,
Bastian


Fahrenheit

Lieber Klaus, liebe Lack- und Materialbeschauer,

dass das Fotoforum so Botanik-lastig ist, liegt ja nur an der hohen Produktivität der Pflanzenschnippler - allerdings, die Histologen sind ja auch recht stark vertreten. Aber das könnt Ihr doch locker aufholen!   ;D
Dann bekommen wir hier noch mehr so interessante Beiträge zu lesen, wie das Ausgangsposting oder Bastians Thread zur Metallverhüttung im Mittelalter.

So, nun muss ich aber mein Gemüse gießen.  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Klaus Herrmann

#14
Lieber Jörg,


ZitatAber das könnt Ihr doch locker aufholen!  
na da will ich doch gleich noch nachlegen:

auf der Probe habe ich noch einen schönen Lackfehler entdeckt, wollte eigentlich nur die Pol-Aufnahme wiederholen, weil die erste mir nicht gefiel.
Bei so hohen Kontrasten säuft schwarz gerne ab und weiss ist ausgefressen.

Auf dem Bild sieht man 2 "Spucker" im Primer. Manche Lacke neigen zum agglomerieren und diese Agglomerate flutschen gerne durch die Filter durch und werden bei der Spritzapplikation auf die Oberfläche "gespuckt". Wenn nun die Lackschichtdicke nicht ausreicht um den Batzen zu verschlucken, dann liegt er als Hügel oben auf. Hat der nachfolgende Lack eine zu geringe Schichtdicke  - oder ist die Deckkraft gering, dann sieht man den Übeltäter und es gibt Nacharbeit! Hier in diesem Beispiel ist die Deckkraft hoch und die Schichtdicke hoch genug - da war es gar nicht aufgefallen.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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