Serratia marcescens - Oder der Keim der Blutwunder

Begonnen von Hyperion, Januar 18, 2012, 23:32:00 NACHMITTAGS

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Hyperion

Hallo,

ich versuche hier mal meine Ergebnisse - wie im Mikrobiologiefaden angekündigt - zu präsentieren, in der Hoffnung bei dem ein oder anderen vielleicht Interesse daran zu wecken, die Mikroskopie ein bischen auszuweiten.

Ich zeige hier einen einfachen Versuch, welcher sich leicht in wenigen Tagen durchführen lässt. Alle Aufnahmen entstanden daheim, also nichts was man nur an einer Uni o. Ä. machen kann.

In dem Versuch wird Prodigiosin aus dem MIKRO (ja deshalb stehts hier im Forum  ;D ) organismus Serratia marcescens isoliert. Prodigiosin ist blutrot im sauren (wenn es konzentriert ist, dazu reicht schon Kohlensäure oder schwache Fettsäuren) und gelb im alkalischen. Der Keim wächst auch auf Brot und wird so für das ein oder andere Blutwunder in der kirchlichen Geschichte verantwortlich sein.

Da ich viel von fast allem habe, ausser Zeit gibt es hier einfach mal unkommentiert eine Darstellung mit Bildern. Die Sachen sind eigentlich fast selbsterklärend, ansonsten stehe ich für Fragen aber gerne zur Verfügung  ;)

Extrahiert wurde mit einer 1:1 Mischung aus Ethylacetat und Aceton, die Spektren wurden aber in saurem / basischem Ethanol aufgenommen (100 µl des Rohextrakts durch einen Luftzug trocknen lassen und in 1 ml EtOH aufnehmen).

Die Absorptionsmaxima stimmen mit denen aus der Literatur überein. Mikrokristalle hab ich probiert, dafür ist der Extrakt aber noch zu unsauber und müsste erst präparativ über Säulen usw. weiter gereinigt werden. In der Zelle liegt der Farbstoff nämlich meist als Fettsäuresalz vor und wegen der flexiblen Seitenketten in der Struktur ist eine Kristallisation sehr schwierig. Dampft man die Lösung ein, fällt es nur amorph aus.

Grüße Hyperion



hebi19

Hallo Hyperion

Vielen Dank für die Dokumentation aus dem eher selten vertretenem Bereich der Mikrobiologie.
Zur Vervollständigung könnte man vielleicht noch ein Mikrofoto des Bakteriums einfügen.
Ausserdem finde ich sehr interessant das Du es aus einer Probe deines Badezimmers selektiert hast, wie ich dem parallelem Faden entnahm.?.?
Ich finde die Mikrobiologie im übrigen auch recht interessant und habe gerade heute wieder in der "Morphologie und Entwicklungsgeschichte der Pflanzen - Braune u.a." (noch eine alte VEB-Ausgabe) bei den Bakterien rumgeschmökert....

Grüße
Martin
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

Hyperion

ZitatIch finde die Mikrobiologie im übrigen auch recht interessant

Ist sie auch! Und man kann auch erstaunlich viel damit mikroskopieren, wenn man will. zumindest wenn man ein Fluoreszenzmikroskop hat.

Naja aber wie man hier sieht ist das allgemeine Interesse daran eher gering.... Was ich zwar nicht verstehe, denn eigentlich kommt man an Mikroorganismen noch leichter als an Zieralgen heran. Tragen wir doch alle mehr Bakterien in und auf uns als wir Zellen haben.

Ich vermute nur das vielen der Apparative Aufwand zu hoch ist? Ist aber nur eine Vermutung. Vielleicht kann ja jemand anderes dazu was sagen.

Man siehts auhc an den Experimentierkästen für Kinder. Es gibt Kosmos Chemiekasten, ein Mikroskopierset, Elektronikbaukästen. Nur einen Mibikasten oder einen Biologiekasten findet man nirgens....

hebi19

Zitat von: Hyperion in Januar 20, 2012, 11:12:18 VORMITTAG
Zitat... oder einen Biologiekasten findet man nirgens....
Moin, moin Hyperion

das ist "nicht ganz" richtig - die Biologie wird schon behandelt - in Form von "Blumenszuchtkits - Beobachtungsgläser mit eingebauter Lupe - Artemia (Urzeitkrebs)-kits......" - Bakterien sind vielleicht für 12-jährige ziemlich wenig spektakulär und man "sieht" recht wenig oder erst nach "viel Arbeit und ziemlich Geduld". Ausserdem ist das "Hygieneproblem" für den Kithersteller nicht so ganz einfach und auch wohl für die Zielgruppenmütter ziemlich kaufhemmend!  Beim Bakterienzüchten sollte man schon wissen, was man tut. Der Kithersteller kann die notwendige Sorgfalt nicht unbedingt voraussetzen. Die heutigen Chemiebaukästen sind deshalb meiner Meinung nach auch soweit abgemagert, dass sie eigentlich nicht mehr so richtig attraktiv sind......

Ich bin die nächsten 2 Wochen zu Hause - mit meinen Gehhilfen zwar etwas gehandicapt - aber mal sehen, ob ich auch mal ein mikrobiologisches Experiment anfange - steht nur schon zuviel aufm Schreibtisch:
das "neue" Mikrotom, ein Kulturansatz der Blutregenalge, ein Ansatz von Essigälchen, einige Sand und Planktonproben vom letzten Mittelmeerurlaub, ein Faunicarium mit Rosenkäfern, Radiolarienmergel von Barbados..... - ausserdem hat grad der Postbote meine letzte Buchbestellung gebracht: Entomologisches Praktikum - Gerhard Seifert. Habens die Rentner gut.......ich werd in den 2 Wochen sicher nicht fertig ohne Stress.

LG
Martin
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

crabtack

Hallo,
freut mich, dass es geklappt hat.
Sehe ich das richtig, dass in den Röhrchen der Farbstoff jeweils in Saurem, Neutralem und Alkalischem Medium ist?
Den Farbstoff könnte man doch gut als Indikator verwenden.

Also ein Mikrobiologiekasten währe wirklich etwas schwer zu machen und am Ende teuer.
Man braucht ja schließlich Mindestens einen Schnellkochtopf und Gasbrenner.
Und ohne ein vernünftiges Mikroskop wird das ganze nur für wenige interessant sein, da man nur ein paar Kolonien sehen kann.
Dann kann es natürlich noch passieren, dass die Kinder Salmonellen oder Schimmel züchten und dieses Risiko will wohl kein Unternehmen eingehen.

Gruß
Olaf

Hyperion

ZitatSehe ich das richtig, dass in den Röhrchen der Farbstoff jeweils in Saurem, Neutralem und Alkalischem Medium ist?

Nein, das linke ist der eingeengte Rohextrakt, das mittlere im sauren und das rechte im alkalischen. Ich weiss jetzt gerade nicht wo der Umschlagsbereich liegt, aber nicht im neutralen. Das würde ausserdem eine Mischfarbe aus rosa und gelb geben, wenn man genau den Umschlagsbereich treffen würde.

Ja man könnte ihn als Indikator verwenden.

Die Anti Tumor- und bakterienhemmenden Eigenschaften sind jedoch viel interessanter. Evtl. mache ich mal einen Filterplättchen Test mit verschiedenen Bakterien und dem Rohextrakt, momentan habe ich aber leider soviel zu tun, das ich wohl eher nicht dazu kommen werde....

Leo van Griensven

Dear Hyperion,
In daily life I study effects of biological agents on different tumor cells. I look into polarization of mitochondrial membranes, Ca transport and oxidation using fluorescent agents like JC-1 and dihydroethidium and a cell sorter. I would love to try your prodigiosin on some of my cell lines. I need only very little, less than 1 mg would largely do it. I promise to show pictures of treated cells cells on this site (assuming it works). Further details could be arranged through private e-mail (leo.vangriensven@gmail.com)
Thanks a lot.
Kind regards,

Leo

Hyperion

Hi,

of course i can send you a sample for free. But be aware that i have just a raw extract at the moment and because of the unpolar solvent I used, this extract is definitley NOT endotoxin free (like lipid A etc.).

If you use it direct in cell culture it will propably drive all your cells into apoptosis...

Leo van Griensven

Dear Hyperion,

For fluorescent staining it will be only in contact with the cells for 10- 30 minutes  at a low concentration. If it drives the cells into apoptosis, the morphological effect will be even more interesting. Also I could try a quick cleaning on C18.

Thank you,

Leo

Dieter Stoffels

Hallo Hyperion,

vielen Dank für Deinen Beitrag. Dass es sich bei der Mikrobiolologie um einen langweiliges Arbeitsfeld handelt, kann ich nur verneinen. Der Bereich der Mikrobiologie umfasst ja nicht nur Bakterien, sondern schließt ja auch die Pilze mit ein. Ich habe häufig beruflich mit mikrobiellen Frage- oder besser Problemstellung zu tun. Diese beziehen sich vor allem auf Abwässer, Prozesswässer, aber auch auf Probleme im Bereich der Klimatechnik. Um das Interesse und Verständnis im Bereich der Mikrobiologie steigern zu können, gehört meiner Meinung nach eine "Geschichte" dazu, die die Ökologie (Konkurrenzverhältnisse), abiotische Faktoren am Fundort und vielleicht (wenn vorhanden) eine Problemstellung beschreibt.  Auf diese Weise wird eine kleine Bakterie oder eine Pilzhyphe zum Hauptakteur von dem man gerne mal etwas ließt.

Viele Grüße!

Dieter