Liebe Freunde historischer Mikroskope,
heute möchte ich ein Mikroskop vorstellen, das mir ganz besonders am Herzen liegt. Gebaut wurde es in den frühen 1860er Jahren von der Firm William Ladd, Optical, Mathematical and Philosophical Instruments, 11 and 12 Beak-Street, Regent-Street, London.
Die Firma Ladd wurde 1846 gegründet. Zum Lieferprogramm zählten neben Mikroskopen auch sog. mathematische Instrumente, Geräte für elektrische Experimente, Teleskope, Instrumente für die Spektralanalyse, "Phantasmagoria Laterns", Zeichengeräte, pneumatische Geräte und meteorologische Instrumente [1]. Letztlich dürfte Ladd, obgleich diese Firma diverse zusammengesetzte Mikroskope sowie ein einfacheres "aquatisches" Mikroskop (offenbar nach Ellys) im Programm hatte, nicht allzu viele Mikroskope gefertigt haben, entsprechend selten findet man solche Instrumente in Büchern oder Sammlungen. Im 19. Jahrhundert war er üblich, dass - vor allem kleinere Hersteller - einfach die erfolgreichen Konstruktionen der Konkurrenz nachbauten. Umso verwunderlicher ist es, dass Ladd in zweierlei Hinsicht eigene Wege beschritten hat, die im Rückblick auf die Entwicklung des Mikroskops diesem Hersteller einen besonderen Platz zuweisen: Einerseits wurde zur Realisierung von Grob- und Feintriebs 1851 erstmals eine recht komplexe Lösung durch einen Kettenantrieb verwendet [2], der später nur vereinzelt bei anderen Modellen (z.B. Beck's Universal Microscope) aufgegriffen wurde. Zum anderen hebt sich das Design der Ladd-Mikroskope von den Instrumenten anderer Hersteller hervor. Ladd hat insbesondere beim Design des Fußes einen individuellen Weg beschritten, der das Stativ ein gutes Stück weit zeitlos erscheinen lässt. William Ladd starb 1881, seine Firma wurde von Harvey & Peak übernommen und erlosch 1909 [2].
Mein Mikroskop ist, was gemessen an der Größe zunächst verwundert, als „Educational Microscope“ ausgelegt. Das Stativ wurde mit zwei nach J. J. Lister (dem Vater des berühmten schottischen Chirurgen) achromatisch korrigierten Objektiven, zwei Okularen, einem Dunkelfeldkondensor, einem stage forceps und einer einfachen Polarisationseinrichtung mit in Kork gefassten Nicol-Prismen ausgeliefert. Ferner dürften noch ein bulls eye condenser sowie eine life box zum ursprünglichen Lieferumfang gehört haben, beide sind leider inzwischen verloren gegangen. Die Ausstattung zielt hier also nicht etwa z.B. auf den Einsatz in der Mediziner-Ausbildung, viel mehr ist alles dabei, was zu einem richtigen „Gentleman's Microscope“ gehört. Es dürfte also am ehesten für den Filius betuchter Eltern gedacht gewesen sein, um diesem die Augen für alle Facetten des Mikroskosmos zu öffnen.

Wesentliches konstruktives Merkmal dieses Mikroskops ist, dass alle Elemente in Form einer optischen Bank angeordnet sind. Innerhalb der Bank befindet sich ein Kanal für die Fokuskette, die mit den Triebknöpfen verbunden war. Leider sind offenbar wesentliche Teile dieses Fokussiertriebes verloren gegangen, sodass dieser nicht mehr rekonstruiert werden konnte. Der enorm große Spiegel ist über drei Gelenke sehr fein justierbar. Ein offenbar einlinsiger optischer Kondensor wurde für Hellfeld ins Mikroskop integriert, ferner gab es einen bulles eye condenser, der zwischen der Lichtquelle und dem Stativ aufgestellt wurde. Dieser fehlt. Die verstellbare Irisblende war zur Entstehungszeit dieses Mikroskops noch nicht erfunden, stattdessen sitzt unter dem Tisch eine Lochblendenscheibe, die über zwei Stellschrauben in zwei Ebenen zentrierbar ist, ferner kann der Beleuchtungsapparat über eine weitere Schraube in der Höhe verstellt werden. Der Tisch ist nicht als Kreuztisch ausgeführt, wiederum ein Indiz für die eher einfachere Bestimmung des Mikroskops. Der Tubus ist über einen schwarz lackierten Schlitten mit der messingfarbenen optischen Bank verbunden, wodurch – vor allem bei entsprechender Beleuchtung – der Eindruck entsteht, er schwebe über dem Stativ! Bei einem komplexeren Stativ von Ladd [3] ist in einem Fenster des Schlittens noch eine Mikrometerschraube zu sehen, diese ist bei meinem Mikroskop nicht vorgesehen. Die Objektive haben ein RMS-Gewinde. Der knapp 3,5 cm durchmessende Tubus mit Innentubus kann eine mechanische Tubuslänge von 19 bis über 30 cm realisieren (für englische Mikroskope nicht ungewöhnlich). Eine Besonderheit stellt der Fuß dar, der nicht etwa, wie es der damalige Zeitgeschmack eigentlich vorgegeben hätte, eine Drehachse zwischen zwei massiven Messingplatten, die hochkant auf einer Y-förmigen Basisplatte aus Messing stehen, darstellt, sondern in einer leichten Konstruktion aus Messingrohr besteht, die dem ganzen Stativ eine einmalige Leichtigkeit verleiht. Eine ähnliche Konstruktion gab es erst sehr viel später wieder, z.B. bei einem Stutzflügel der Pianofabrik Schimmel in den 1960er Jahren!

Der originale Kasten - mit Schlüssel!

1/4 inch Objektiv mit cannister, handgraviert.

Der Dunkelfeldkondensor

Die Gravur
Das Mikroskop präsentiert sich heute in einem kosmetisch neuwertigen Zustand – das war nicht immer so! Als ich das Instrument (durchaus unter kritischen Bemerkungen meiner Frau) erwarb, stellte es eigentlich einen Haufen Messingschrott dar. Unter der irrigen, gleichwohl verbreiteten Annahme, man könne den Wert des Instruments heben, indem man mit reichlich Messingpolitur die Oberfläche auf Hochglanz wienert, hatte jemand die Oberfläche des gesamten Mikroskops restlos ruiniert. Es war auch Brasso zwischen Außen- und Innentubus gelaufen, wodurch diese Teile bombenfest miteinander verklebt waren. Auch die ursprünglich schwarz lackierten Teile waren blank poliert worden, wobei man so natürlich auch die Lötstellen am Fuß sehen konnte. Der Fuß selbst war gebrochen, einer der drei Füße lag daneben, sodass das Mikroskop nicht stehen konnte. Gleichwohl sah ich das enorme Potential des Mikroskops und kaufte es. Da es nicht aufstellbar war, ließ ich es zunächst in seiner Kiste schlummern, wartend auf bessere Zeiten. Diese sollten kommen!
Als ich
Olaf Medenbach um Rat bat, wie ich den Fuß wieder zusammensetzen und lackieren könnte (dies war die minimal erforderliche Teilrestaurierung), bot er mir an, sich das Mikroskop selbst einmal anzusehen. Ich schickte es ihm, und bereits nach kurzer Zeit bekam ich eine Mail, deren Inhalt ich hier, sein Einverständnis voraussetzend, im Auszug wiedergeben möchte:
„Dein Mikroskop ist gestern angekommen und ich habe es natürlich aus Neugier gleich zerlegt. Danach habe ich den ganzen Abend Trauer getragen. Welche ignoranten Vollidioten vandalieren ein so schönes Objekt völlig? Wie schön es einmal war, kann man an der Unterseite des Kondensors noch bewundern - alles andere ist ja völlig rund und vergnadelt durch dieses absolut idiotische "buffing.“ Dann habe ich mein Mikroskop für einige Wochen nicht mehr wieder gesehen. Auf der Kornrade 2011 überreichte mir Olaf dann mein Ladd-Mikroskop – vollständig restauriert und nicht nur mit gelötetem und neu lackiertem Fuß! Ich war sprachlos, um ehrlich zu ein, lief mir sogar ein Kullertränchen die Wange herunter (Peter ist mein Zeuge!). So wunderschön, wie es heute vor mir steht, hatte ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt!
Olaf hat den Fuß gelötet, wozu er eigens ein Gestell bauen musste, um die Teile in der richtigen Position zu fixieren. Die verklebten Teile wurden gelöst und das ganze Mikroskop demontiert. Die Oberflächen wurden wieder mit dem Strich versehen und für die Lackierung vorbereitet,
die Gravur hat er nachgestochen. Anschließend wurde das ganze Stativ neu lackiert, und der Tisch wurde neu gebeizt. Die Präparateklammern hat Olaf neu gemacht, da die alten kaputt waren. Sicherlich habe ich noch einiges vergessen, was Olaf noch an Problemen überwinden musste. Ach ja: Die Füße stehen heute wieder auf kleinen Korkplättchen, die Olaf aus Flaschenkorken aus Klaus Herrmanns Weinkeller geschnitzt hat!
Zum Abschluss will ich Olaf für seine unglaubliche Hilfsbereitschaft von ganzem Herzen danken. Wer Olaf kennt, der weiß, dass er als Restaurator historischer Instrumente (beileibe nicht nur Mikroskope!) einen exzellenten internationalen Ruf genießt, der seiner Bekanntheit als Sammler in nichts nachsteht. Daher wäre ich nie auf die Idee gekommen, Olaf um eine Restaurierung zu bitten (die könnte ich mir auch gar nicht leisten!). Umso glücklicher bin ich, dass Olaf das Wunder an meinem Ladd aus purem Idealismus und Freude an der Wiederauferstehung dieses wunderbaren Mikroskops vollbracht hat. Dafür nochmals mein allerherzlichster Dank!
Herzliche Grüße,
Florian
[1]
Ladd Leferkatalog 1861[2] Bracegirdle B.: Notes on Modern Microscope Manufacturers, Quekett Microscopical Club 1993
[3]
W. Ladd Beak St. Regent St. W. c. 1864, monocular microscope with chain drive focusing