Polsubstanzen: Das hatte ich nicht erwartet !

Begonnen von Jens Jö, Februar 24, 2012, 01:32:07 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Jens Jö

Hallo,

ok, ich bin kein Chemiker, vielleicht habe ich dieses Fach etwas unterschätzt . . .

Meine Idee war, zwei Substanzen mit Schmelzpunkten im Abstand von 10 Grad zu mischen, aufzuschmelzen und abzukühlen.
Erwartet hatte ich, daß die erste Substanz auskristallisiert mit Pfützen der zweiten, welche anschließend kristallisiert.
Probiert habe ich das mit Me-Acetanilid (mp 101 °C) und Resorcin (mp 110 °C).
Entstanden ist ein Gel, das bei Raumtemperatur (und später auch bei -30°C) überhaupt nicht erstarrt, geschweige denn kristallisiert.

War die Idee zu blöde ?
Gibt es Gemische, die nacheinander auskristallisieren ?

Gruß
Alfred

Klaus Herrmann

Hallo Alfred,

Zitatok, ich bin kein Chemiker, vielleicht habe ich dieses Fach etwas unterschätzt . . .

aber die erste Stufe hast du schon mal elegant genommen: die Chemie hat mit der Alchemie begonnen!  ;)

Da hat man auch mehr oder weniger alles Mögliche plus Mumienpulver gemischt und erhitzt. Böttcher hat so angeblich das Prozellan erfunden.  ???

Aus Resorcin (plus Formaldehyd) kann man Kunststoff machen. Beim N-Methyl-Acetanilid ist der Anilinstickstoff zwar geschützt, aber vielleicht lässt sich die Acetylgruppe bewegen abzuspalten. Es kann vielleicht zu Reaktionen kommen mit unterschiedlichen Produkten ---> "Pampe" die nicht mehr kristallisiert.

Oder es gibt eine Schmelzpunkterniedrigung, die das Auskristallisieren verhindert.

Ich habe auch ein anderes Phänomen beobachtet und beschrieben: selbst Reinsubstanzen ergeben bisweilen unterkühlte Schmelzen die nie oder sehr verzögert kristallisiern. Beispiel: Papaverin und Colchicin. Das erste nach Tagen das 2 nach Monaten noch nicht.

Also: die Probe aufheben und immer mal wieder im Pol betrachten. Und ansonsten weiter alchimieren mit anderen Mischungen - es kann durchaus reizvolle Bilder geben!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

olaf.med

Lieber Alfred,

als Ergänzung zu Klaus' Ausführungen:

Das Schmelz- und Kristallisations-Verhalten von Gemischen hängt davon ab, ob die beiden Substanzen miteinander mischbar (im Sinne von Mischkristallbildung) sind, ob sich Kristalle  intermediärer Zusammensetzung bilden, oder ob keine Mischbarkeit vorliegt. Ein kleines bißchen habe ich diese Problematik hier für Mischkristallbildung angekratzt http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10332.0. Die komplette Thermodynamik von Mehrphasensystemen würde eine einsemestrige Vorlesung füllen.

Aber, ja, es gibt sehr wohl Gemische, die nacheinander kristallisieren, dann darf es aber keine Mischkristalle zwischen den Endgliedern geben. Ein ganz einfaches Beispiel dafür ist Meerwasser im Winter. Das Eis, das sich bildet ist Salz-frei, die restliche Lösung wird immer Salz-reicher bis ein Temperaturminimum erreicht wird, bei dem eine letzte konzentrierte Lösung existiert. Diesen Punkt nennt man Eutektikum. Kühlt man weiter ab, entstehen gleichzeitig Kristalle von Eis und Salz nebeneinander. Darüber haben wir hier http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9056.15 am Ende des Threads schon mal diskutiert.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Jens Jö

@Klaus: Du verstehst es, einem Mut zu machen

@Olaf: herzlichen Dank für den tollen Link auf Deinen Beitrag. Die Thematik kannte ich nicht, aber bei meinem Experiment hatte ich in der Tat "zonar gebaute Kristalle" erwartet. Was man in diesem Forum nichts alles lernen kann . . .

Liebe Grüße
Alfred