Das Will BX 300 – eine Hommage an eine Jugendliebe

Begonnen von Florian Stellmacher, Februar 24, 2012, 13:33:13 NACHMITTAGS

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Florian Stellmacher

Liebe Freunde verkannter Größen,

wer sich eigentlich nur für das Mikroskop interessiert, möge bitte meinen sentimentalen Sermon übergehen und gleich nach unten scrollen!

Es muss wohl 1981 gewesen sein, vielleicht war es aber auch schon etwas früher, als ich, damals 14 Jahre alt, zum ersten Mal ein BX 300 gesehen habe. Nun muss man dazu sagen, dass ,,gesehen" eine deutliche Übertreibung ist, denn was ich davon zu sehen bekam, war lediglich eine Werbedruckschrift, zwei Seiten (in Farbe!), auf der Vorderseite das Mikroskop mit dem Label ,,NEU" und ,,für anspruchsvolles Mikroskopieren", auf der Rückseite eine kurze technische Beschreibung. Kein wildes Layout, keine verzückt am Mikroskop sitzenden Blondinen im weißen Kittel, kein unverständlicher Abkürzungssalat. Das reichte damals aus, um einen Teenagermund wässrig zu machen! Meine mikroskoptechnische Lebenswirklichkeit sah zu diesem Zeitpunkt deutlich anders aus: LOMO Biolam (damals mit viel Brimborium von Neckermann als ,,original russisches Forschungsmikroskop" importiert) – meine Träume gingen eher in Richtung eines Kreuzobjektführers, eines 20er Achromaten, eines Binokuartubus oder (wie verwegen!) einer ansetzbaren Beleuchtung (die Neckermann trotz aller Ankündigungen niemals geliefert hat). Natürlich kannte ich die tollen Mikroskope von Leitz (das Orthoplan war schon eine unfassbar tolle Maschine, unfassbar und unerreichbar), das Zeiss Photomikroskop (das Design fand ich damals absolut schrullig, kein Vergleich zu Leitz) oder Olympus (Mann, das BHS, war das futuristisch!) – aber das waren alles Mikroskope für Profis, Nobelpreisanwärter oder Millionäre. Das BX 300? Immer noch ziemlich teuer, im Vergleich zum Zeiss Standard mit Einbauleuchte und 5-fach-Revolver aber schon eher preiswert.





Was für mich damals eine Art Sport war, war das Studium von Werbebroschüren und Preislisten der verschiedenen Hersteller, ich kannte also bereits viele Mikroskope, die wenigsten aber von Angesicht zu Angesicht. Ein prägendes Erlebnis war es entsprechend, als ein Laborbedarfhändler mir einen Blick in ein Olympus BHS mit den Großfeldokularen (SZ 26,5) gewährte. Oh je, das hat meine Beziehung zu meinem LOMO schon ziemlich belastet!
BX 300. Ein zweifelsfrei synthetisches Wort, aber von einer Firma, die ihre Mikroskope Vm oder Vb irgendwas nannte, war auch nichts anderes zu erwarten. Immerhin: BX hießen und heißen später ja auch Mikroskope von Olympus, auch ein Citroen, dessen vom Rost verschonte Überreste inzwischen vollständig zu Walzblech verarbeitet worden sein dürften, signalisierte mit ,,BX" Modernität und Anspruch. 300. Das war doch mal eine Zahl! Mercedes 300E – nur ein Beispiel. Insofern war doch alles in Ordnung.
Das Design? Um ganz ehrlich zu sein, ich fand es damals ein wenig altbacken. Ein Mikroskop sollte für mich damals möglichst so aussehen wie ein weißes Laborlux, am besten mit den schwarz-grauen Handauflagen des Olympus BHS (Leitz hat das dann ganz zum Schluss auch tatsächlich so gebaut, nennt sich Laborlux S und ich finde es wunderschön). Das BX war irgendwie dicht an den V-Stativen designt, Plattfuß mit schmalem Stativ, dessen Tubusträger irgendwie schmächtig gegenüber dem Rest des Mikroskops wirkte. Also, ich hätte das wohl irgendwie anders gemacht, auf der anderen Seite: Das Mikroskop ist schön groß, man sitzt bestimmt gut daran, dachte ich mir. Dass ich mir neue Produkte erst einmal schön gucken muss, geht mir auch heute noch mitunter so, da habe ich mich sogar an so manche deutsche Nobellimousine erst nach längerer Zeit gewöhnen können (und das auch nicht immer).
Wie man der Werbedruckschrift vielleicht ansehen kann, habe ich mir dieses Blatt ziemlich oft angesehen. Und dabei – welch Hexenwerk, möchte man meinen! – fand ich das BX 300 immer begehrenswerter. Selbst als Will eine Version mit Durch- und Auf(!)licht-Fluoreszenz anbot, konnte der komisch geriffelte Eimer mit der Lampe drin nichts an der subtilen Erotik des BX 300 ändern. Eins wurde mir immer klarer: Will baute Mikroskope, die man sich vielleicht irgendwann einmal zusammensparen konnte, Will, das war die Firma, die auch mich nicht im Regen stehen lassen würde! Irgendwann, dann habe ich auch einmal eins!





Dass Will 1988 von der Helmut Hund GmbH geschluckt wurde, machte mir, inzwischen Student, einen Strich durch die Rechnung! Aber die Marke war bereits gesetzt, entsprechend kaufte ich mir ein Hund H500. Das sah nun sogar schon eher nach Leitz aus, hatte zwar immer noch keine schwarzen Handauflagen, trotzdem ein hübsches Mikroskop! Dass die bei Leica inzwischen im Unendlichen fischten und Okulare mit 30 mm-Feldhaubitzenformat verbauten – was soll's! Dafür bekam ich ein ehrliches und im Vergleich zu den anderen Herstellern preiswertes Mikroskop. Mit diesem H500 habe ich lange gearbeitet und viel Freunde daran gehabt. Dann kamen mit den Jahren Mikroskope vom Schlage eines Orthoplans, Phomis, Ortholx' etc. hinzu, und so wandert das H500 zuerst in den Schrank und dann zu einem Bekannten, dem ich es für relativ wenig Geld überlassen hatte. Die Trauer war danach so groß, dass ich mir dann irgendwann wieder ein H500 kaufte – die offizielle Begründung lautete: Bei Hund bekommt man einen DF-Variokodensor und einen günstigen Kardioid-DF-Kondensor. Stimmt ja auch.

Was war aus meinem BX300 geworden? So ganz vergessen hatte ich es nicht. Irgendwann einmal stand ich im Stadt- und Industriemuseum in Wetzlar vor einer Vitrine, darin stand es. Mir wurde warm ums Herz. Das Design war inzwischen zu einem Klassiker gereift, und mir wurde klar: Das will ich haben!

Inzwischen besitze ich ein BX 300. Das Mikroskop ist solide gebaut, lediglich die Bodenplatte hat sich an einer Seite gelöst. Das Stativ ist mäßig schwer und lässt sich gut tragen. Die Fokussierknöpfe sind aus billigerem Kunststoff als beim Zeiss Standard, ansonsten mach alles einen gediegenen Eindruck. Auffällig ist, dass der Feintrieb relativ grob übersetzt ist, aber daran gewöhnt man sich schnell. Die 10W-Einbauleuchte liefert für Hellfeld genug Licht, im Dunkelfeld ist sie aber etwas überfordert. Die Kondensor-Halterung ist deutlich praktischer als beim H500, der Kondensorwechsel gelingt mit wenigen Handgriffen. Der Tisch läuft angenehm. Ein großes Plus ist der 5-fach-Revolver, den ich inzwischen mit 45 mm-Objektiven von Hund und Will bestückt habe. Diese sind kontrastreicher als die älteren 37 mm-Objektive, die aber keineswegs schlecht sind. Die 10x WF-Okulare in CW-Fassung sind nicht für Brillenträger ausgelegt, irgendwann werde ich sie daher ersetzen. Das Bild ist klar und homogen ausgeleuchtet, es empfiehlt sich aber dringend, einen Blaufilter zu verwenden. Gelegentlich wird auch einmal ein Trinokuartubus angeboten, dieser würde das Mikroskop endgültig komplett machen.







Es gibt also einige objektive Gründe, die für das BX 300 sprechen. Preise bis 300 € dürften für ein gut erhaltenes Mikroskop in Ordnung gehen. Billigimporte im gleichen Preissegment stellen aus meiner Sicht keine ernstzunehmende Alternative dar.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Haus@Hund

Hallo Frank!

Toller Bericht - das BX300 ist tatsächlich für uns ein Klassiker, den ich Hobbymikroskopikern, die einen Tipp haben wollen, auch immer wieder gerne empfehle. Hier kann ich auch immer guten Gewissens den Rat geben, bei Problemen in unserem Service nachzufragen. Die Chance ist sehr groß, dass wir da noch was machen können!

Gerade eben war jemand mit seiner Tochter da, der ihr zu Weihnachten ein BX200 von privat gekauft hatte. Triebe laufen noch butterweich, Optiken (37 mm) bis auf die üblichen Abnutzungserscheinungen an den Okularen i.O. und das beste: es war noch ein Kardioid-Kondensor NA1,4 dabei! Er hatte das ganze Paket übrigens für 120 EUR gekauft...

Gruß aus Wetzlar-Nauborn,

Jörg (Haus@Hund)

Peter V.

Hallo,

Florian, zunächst vielen Dank für diesen schönen Aufsatz!

Zu "Hund" kann ich auch nur sagen, dass ich das Unternehmen als "sympathisch" mit einem Herz für Leute mit kleinerem Geldbeutel kennegelernt habe. Nicht nur, dass Ersatzteile zu wirklich erträglichen Preisen angeboten werden (so z.B. der Objekthalter für das H500, der erstaunlich preiwert ist). Mit dem vor ca. 2 Jahren bei Hund in den verdienten (Un)ruhestand verabschiedeten Leiter der Services, Herrn Reinhardt, habe ich öfter gesprochen und er hat mir zweimal ein altes Mikroskop (BX200 und Vb365) zu éinem wirklich guten Preis wieder grundlegend "fit" gemacht. Ob es aktuell auch noch so "persönlich" bei Hund zugeht, weiß ich nicht, vermute es aber.
Fakt ist (Jörg schrieb es ja und weiß es natürlich besser als ich), dass Hund sich auch heute noch "liebevoll" um die alten Will-Schätzchen kümmert und das zu Preisen, die man nicht nur als Institut stemmen kann.
Hoffentlich bleibt es so.....

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

rhamvossen

Hallo Florian,

Sag mal, wieviele Mikroskope hast du eigentlich? Ja ich weiss, es ist eine Art von Krankheit, ich hab auch zu viele ;) Beste Grüsse,

Rolf

Florian Stellmacher

Lieber Rolf,

darüber werde ich Stillschweigen bewahren, aber es sind schon mehrere... ;)

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
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Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
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Reimar W. F.

Hallo Forumpartner,auch ich hatte mir das Mikroskop Will BX300  damals neu gekauft.

Ich hatte viel Freude damit, bis auf ein defektes Netzteil und Rostbildung an den Lamellen der Kondensorblende.Es  war es ein solides Mikroskop das ich später verkaufte.


Viele Grüße Reimar

Peter V.

Lieber Florian,

was ich jetzt erst in dem Propsket sehe: "Garantie: zeitlich unbegrenzt" !!!!
Na, das waren noch Zeiten......

Hezrliche Grüße
Peter
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Florian Stellmacher

Lieber Peter,

stimmt - lebenslange Garantie! Hat das H500 auch, wenn ich mich recht entsinne.

Hat hier jemand schon mal so einen Fall erlebt? Bezieht sich das nur auf die Mechanik oder auch z.B. auf die Elektronik?

Vielleicht kann Jörg ja etwas dazu sagen?

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
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Robert Götz

#8
Die Vorgängermodelle waren noch schwarz.
Leider wurde mir als Lieferzeit auf Anfrage sechs Wochen genannt, was einem 14jährigen, der das Geld schon zusammen hat, zu lang ist.
Sonst wäre das mein erstes Mikroskop geworden:



Gruß
Robert


Florian Stellmacher

Lieber Robert,

das BX 200 war zum Schluss auch in leicht eierschalfarbenem Lack erhältlich. Das Laborbedarf-Geschäft, in dem ich immer meine Objektträger und andere Glaswaren gekauft hatte, lag unmittelbar auf meinem Schulweg. Dort stand immer ein Pappaufsteller auf dem Verkaufstresen, auf dem für dieses Mikroskop Werbung gemacht wurde, auch noch in Zeiten, in denen das Nachfolgemodell schon längst auf dem Markt war. Leider wurde das Geschäft inzwischen komplett umgebaut und der Pappaufstller entsorgt - ich trauere ihm ein wenig nach...

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
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Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
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Peter V.

Hallo,

dass die Will-Mikroskope gute Arbeitsgerät im mittelpreisigen Segment mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis waren, zeigt sich schon an der hohen Verbreitung in Arzt- und Tierarztpraxen. Zugegebenermaßen waren sie vielleicht nicht immer Anwärter für höchste Designauszeichnungen, ich persönlich finde immer noch, dass der "halb gerade-halb gebogene" Stativhals nicht so recht zum eckigen Fuß passen will. Allerdings gibt es kein Mikroskop, das derart gut "tragbar" ist wie die Will/Hund-Modelle, die auf diesem Designentwurf fußen ( so auch die ganze Vb...Wilozyt"-Modelle.
Das BX 200 hingegen, insbesondere in schwarz, finde ich dagegen wirklich gut gelungen.

Herzliche Grüße
Peter
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Haus@Hund

Hallo zusammen,

ich habe gerade mal eine alte H500-Anleitung vorgekramt, die doch tatsächlich sagt:

"[...] Werksgarantie (unbegrenzt auf optische und mechanische Teile, 12 Monate auf elektrische und elektronische Teile) [...]"

Wer das damals haben wollte, musste allerdings die beigefügte Garantiekarte ausfüllen und zurückschicken - was jedoch nicht alle gemacht haben. Heute geben wir übrigens immer noch eine 20-jährige Instandsetzungsgarantie, d. h. auch bis zu 20 Jahre alte Geräte werden noch repariert - natürlich nur, wenn der Kunde den damit verbundenen Aufwand zu zahlen bereit ist. Bei allem, was älter ist, gibt es jedoch immer noch eine nichtverschwindende Chance, das unser Herr Wagner (Herrn Reinhardts Nachfolger) noch etwas machen kann, es gibt hier noch viele alte Teile.

Gruß aus Wetzlar-Nauborn,

Jörg