PALÄOBOTANIK - die Unterdevonischen Landpflanzen des Rhynie Chert

Begonnen von Holger Adelmann, Februar 25, 2012, 17:40:14 NACHMITTAGS

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Holger Adelmann

Liebe Kollegen, insbesonders natürlich die Botanikfraktion :)

heute berichte ich über eine einmalige Fossil-Lagerstätte bei der Ortschaft Rhynie in der schottischen Grafschaft Aberdeenshire.
Dort haben im Unterdevon vor ca. 400 Millionen Jahren kieselige Wässer von nahen heissen Quellen die frühen Landpflanzen in einer Weise konserviert, wie es wohl heute nur mit Fixierflüssigkeiten möglich ist.
Selbst so delikate Strukturen wie die Antheridien und Archegonien sind mitunter erhalten, ebenso wie die Zellkerne mancher pflanzlicher Gewebe.

Im Gegensatz zu den sonst üblichen versteinerten Landpflanzen die sich weitgehend als plattgedrückte, zerrissene Pflanzenhäcksel in devonischen Sedimenten erhalten haben,
sind hier ganze 3-Dimensionale Pflanzenpackungen wie in Harz eingegossen. Dadurch wurde die räumliche Struktur exzellent konserviert.

Das kieselige Gel muss recht rasch ausgehärtet sein, sonst wären die hervorragenden Konservierungen nicht zu erklären. Das Endprodukt des Versteinerungsprozesses
ist ein feuersteinartiger, grauer und sehr harter Hornstein - der Rhynie Chert (Chert = engl. für Hornstein)

Ich möchte die hervorragenden Web Ressourcen hier nicht kopieren, sondern einige Links hier angeben, die sehr spannend zu lesen sind:
http://www.abdn.ac.uk/rhynie/
http://www.uni-muenster.de/GeoPalaeontologie/Palaeo/Palbot/erhynie.html

Der Fundort ist heute lange erloschen und von ausgedehnten Wiesen bedeckt. In den 90er Jahren unternahm man noch ein paar Bohrungen, um an etwas Gestein zu kommen
und um die Dicke und Ausdehnung der Lagerstätte einigermassen abzuschätzen. Heute wird man dort also nichts mehr finden,
allerdings sind aus der Zeit vom Anfang des 20. Jahrhunderts immer mal wieder kleine Stücke aufgetaucht. Diese werden bei Börsen recht hoch gehandelt.

Mit grossem Glück gelang es mir, zwei kleine Handstücke zu bekommen, die ich bei Krantz in Bonn komplett aufarbeiten und zu Dünnschliffen verarbeiten liess.

Hier ein paar Fotos von Dünnschliffen durch den Rhynie Chert, die den sehr guten Erhaltungszustand dieser urtümlichen blütenlosen Pflanzen dokumentieren.
Die Architektur der typischerweise quergetroffenen Sprosse ist meist sehr primitiv, mit 2-3 Zell-Lagen eines recht gleichförmigen Mantels.
Oft fand sich darin ein exzentrisch gelegenes Leitbündel. Andere Strukturen stellen sicher Sporangien und Sporen dar.

Ich muss das Fotografierte noch anhand der Literatur bestimmen, denke aber dass ich zumindest Aglaopython sp. und Rhynia gwynne-vaughanii gefunden habe.

Viel Spass beim Anschauen und lesen der exzellenten Dokumentation im Web.

Alle Aufnahmen mit dem Leitz Orthoplan im Hellfeld, Plan Apos, Moticam 2300

Holger

Folgende zwei Bilder zeigen einen Querschnitt durch einen Spross, ich vermute Aglaophyton. Das asymmetrisch liegende Leitbündel ist im ersten Bild markiert.




Folgende zwei Bilder zeigen einen ähnlichen Befund (das zweite Bild zeigt das Leitbündel im Detail).




Folgendes Bild zeigt wiederum ein exzentrisch liegendes Leitbündel in einem Spross. Das Bild danach ein Detail der benachbarten Sprosswandung.




Folgendes Bild zeigt wiederum ein exzentrisch liegendes Leitbündel in einem Spross.


Die folgenden zwei Bilder zeigen Leitbündel in stärkerer Vergrösserung




Die folgenden drei Bilder zeigen Längsschnitte






Das folgende Bild zeigt ein Detail aus einer Spross-Wandung, eine Druse?


Die nächsten Bilder (Übersicht und Detail) könnten einen Spross von Rhynia darstellen, oder ein Schnitt an der Basis eines Sporangiums




Ditto




Die folgenden drei Bilder zeigen ein Sporangium (Bild 1) bzw. einzelne Sporen (Bild 2 und 3, Bild 3 gestackt).







Rolf-Dieter Müller

Lieber Holger,

letztes Wochenende habe ich Querschnitte eines rezenten lebendfrischen Mooses unfixiert und ungefärbt in Euparal eingeschlossen und heute Nachmittag die Präparate durchgemustert.

Ich war richtig überrascht die Zentralzylinder meines für die Ewigkeit präparierten Mooses vom Anschein her in in Deinen Leitbündeln wiederzusehen.

Dein Beitrag ist wahrlich spannend. Nach dem ich ihn jetzt schon zum dritten Mal gelesen habe, musste ich Dir nun antworten.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Fahrenheit

Lieber Holger,

fantastisch, wie gut das Pflanzenmaterial erhalten ist! Ein perfektes Fenster in die Vergangenheit.

Vielen Dank für den schönen und lehrreichen Beitrag.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Ronald Schulte

Holger,

Sehr beeindruckend, hier kommt deine Moticam auch völlig zum Recht.

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Holger Adelmann

Danke für die Kommentare, Freunde.

@ Rolf-Dieter: Es verwundert ja nicht, dass das Leitbündel Deines Mooses den hier gezeigten ähnelt, Moose sind ja auch rel. primitive Pflanzen und auch phylogenetisch schon recht alt

@ Jörg: Ja der Grad der Detailerhaltung ist wirklich erstaunlich, und dabei sind diese Fossilien nochmals knapp 100 Millionen Jahre älter als die von mir schon gezeigten Pflanzen aus aus der Steinkohle (Oberkarbon)

@ Ronald: Ja, ich bin mit der Moticam 2300 wirklich zufrieden, sie meistert fast alle meine Aufgabenstellungen. Jetzt da ich auch die EOS 5D adaptiert habe werde ich bald mal Vergleiche ziehen ...

Noch ein Nachschlag:

Wie in der Literatur öfters zu lesen sind die Sporen ursprünglich als Tetraden (also als Vierergruppe) angeordnet, auch so etwas konnte ich in meinen Proben sehen:


Ausserdem bestand die Lebensgemeinschaft damals aus vielen anderen Lebewesen, Pilze z.B., deren zarte Hyphen auch hervorragend erhalten sind:




Andere Strukturen wie z.B. die beiden folgenden kann ich hingegen noch nicht zuordnen.
Diese "Fächer" finden sich recht häufig:


Diese Struktur ist mir völlig unklar (Detail):


bzw. in der Übersicht:



Jürgen Boschert

Hallo Holger,

könnten Deine letzten 3 Bilder nicht Tracheen zeigen ?

Beste Grüße !

JB
Beste Grüße !

JB

Holger Adelmann

Hmmm - in der Übersicht sieht's mir nicht nach Tracheen aus, Jürgen. Eher nach einer Kapsel oder sowas. Aber ich bin ja kein Botaniker.

Wahrscheinlich haben diese primitiven Ur-Pflanzen sowieso noch keine so hoch spezialisierten Gewebe wie z.B. Tracheen ...?

Herzliche Grüsse
Holger






TPL

Lieber Holger,
ich bin begeistert!
Nicht nur darüber, wie gut diese frühen Landpflanzen erhalten sind, sondern auch, dass Du Dich so ernsthaft mit diesem interessanten, aber doch reichlich exotischen Thema befasst und etwas von diesem seltenen Material auftreibst und es so gekonnt dokumentierst. DANKE für's Zeigen!

Zum absoluten Alter habe ich verschiedene Angaben gelesen, die von 396 (z.B. in der deutschen Wikipedia) bis 411 Ma (z.B. in der englischen Wikipedia, basierend auf Parry et al. 2011) reichen. Vielleicht ist das Alter im deutschen Beitrag noch nicht aktualisiert...? Spannend, auf jeden Fall, dass es diese nicht unerheblichen Diskrepanzen (20 M.y.) gibt.

Herzliche Grüße,
Thomas

Daniel Steiner

Hallo Holger,

solche fossile Pflanzengewebe aus Rhynie Chert konnte ich im Holzanatomie-Kurs letzten November auch bewundern und fragte mich schon damals, wie man an ein solches Stück herankommt... ???
Was mich ausserdem interesiert: Wie dünn sind diese Schliffe?

Herzlichen Dank fürs Zeigen dieses hervorragenden Materials,
Daniel

Holger Adelmann

Danke Thomas & Daniel  :)

Ja, das Material ist irre. Ich versuche, noch mehr Material aus UK zu bekommen - mal sehen.

Daniel, die Schliffe sind - wie in der Petrologie üblich - 30 µm dick.

Nachtrag: Folgendes Bild zeigt ein angeschnittenes Stück (ca. 6 cm breit) des grauen Hornsteines (ähnlich Feuerstein).
Man sieht die Stängelquerschnitte als runde Strukturen.

Dermnächst hoffentlich noch mehr.

Herzliche Grüsse
Holger




HDD

#10
Lieber Holger

Ein fantastischer Bericht und ganz hervorragend, mit hochinteressanten Aufnahmen dokumentiert.
Solche Berichte werten das Forum ungemein auf.

Herzlichen Dank für diese wunderbare Darstellung. Ich werde es mir archivieren.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Dünnschliffbohrer

Hallo Holger,
in der Tat ein sehr interessantes Material, dieser Rhynie-Chert. Deine Fotos gefallen mir sehr gut. Insbesondere das Sporangium, so etwas ist mir bisher noch nicht unter gekommen. Die Pflanzen sind gut erhalten. Soweit mir bekannt, muss der aber nicht sehr schnell aber nicht sehr schnell verkieselt worden sein, da es sich um eine Art fossilen Torf gehandelt haben soll, der im ersten Schritt bereits durch die Huminsäuren konserviert wurde, und erst danach durch die Kieselsäure imprägniert wurde. Aber vieleicht gibt es da inzwischen auch neuere Erkenntnisse, die Internetseiten dazu hab ich mir aus Zeitmangel noch nicht durchlesen können, und meine Literatur auf diesem Gebiet ist nicht auf dem neuesten Stand.
Du hast auf alle Fälle Recht, bei den Psilophyten gab es noch keine Tracheen. (Ich glaube, die gibt es sogar erst bei den Bedecktsamern, müsste ich aber noch mal nachlesen.) Die Leitbündel sind als Protostelen mit kleinzelligem Protxylem, umgeben von etwas größerzelligem Metaxylem ausgebildet. Darum liegt aussen das Phloem, wiederum umgeben von einer dicken Innen- und einer nicht ganz so dicken Aussenrinde. Diese Rindenschichten sind oft nicht gut erhalten, daher kommt es bei deinem Material zu einer Verlagerung des ursprünglich zentral gelegenen Leitbündels, welches jetzt frei in den "Rohr" der derben Epidermis - "postmortal" exzentrisch - herumliegt.
Bei dem Gewebe mit den "Fächern" handelt es sich um so genannte Kohäsionsgewebe aus der Wand des Sporangiums.
Es ist nicht notwendig, bei Schliffen durch derartiges Material, die petrographische Normschliffdicke einzuhalten. Es sollen ja keine Interferenzfarben beobachtet werden, sondern die Anatomie möglichst gut erkennbar sein. Mein deutlich dickerer (s.u., ich bitte die schlechte Qualität meiner schnell gemachten, nicht gestackten Fotos zu entschiuldigen), selbst gemachter Schliff wurde von einem versierten Fachpaläobotaniker deswegen kritisert, weil ich ihn zu dünn gemacht hatte. Dabei hatte ich möglicherweise auch einen kleinen Arthropodenrest weitgehend weggeschliffen, der freilich erst nach dem der Schliff fertig war, zu erkennen gewesen ist. Sowohl für die 3-dimensionale Beobachtung unter dem Stemi, als auch für die heutigen Stacking-Methoden reicht es ja, wenn er hinreichend transparent ist.
Viel Spass bei der weiteren Beschäftigung mit dieser äußerst interessanten Materie. - Dsb.


"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Rawfoto

Guten Morgen Holger

Jetzt zieht es mich zum 5. Mal zu Deinem Bericht, er fasziniert mich einfach extrem. Der Umstand wie viel Zeit vergangen ist bist Du uns diese Einblicke (in wie immer topp Qualität) ermöglichst ...

Ich gratuliere Dir zum Auftreiben des Materials!!!

Ich bin mir sicher ich werde noch einige Male zu diesem Thread zurückkommen. Die Firma Krantz leistet ja auch wirklich gute Dienste, unglaublich ...

Liebe Grüße aus Wien :-)

Gerhard

So, und jetzt wird gefrühstückt, die geistige Nahrung hatte ich ja schon ==> jetzt folgt das Müsli :-))
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Holger Adelmann

Abermals danke fuer's Feedback, Freunde.

@ Horst-Dieter:
Es ist wirklich speziell aber schön dass es trotzdem gut ankommt.

@ Dsb:
Guter Punkt mit der Schliffdicke. Wenn ich noch mal Material bekomme werde ich auch mal dicker schleifen lassen.
Danke für die schönen Ergänzungen, besonders hinsichtlich der mir noch unbekannten Strukturen.

@ Gerhard:
Ja diese Zeitspanne ist schon faszinierend. Es ist irre, dieses uralte Leben quasi wie eingefroren vor sich zu haben.
Ich habe irgendwo gelesen, dass es auch ähnliche Hornsteine aus dem Silur geben soll - das wären dann aber wirklich die ALLERERSTEN Landpflanzen. Ob dieses Material dann aber so gut erhalten ist ...? Ich bleibe dran  ;)

Herzliche Grüsse
Holger

Holger Adelmann

Update meines Threads vom Februar

Liebe Kollegen,

ich hatte das grosse Glück, in meiner Sammlung von Rhynie Chert Schliffen gestern Abend eine ideal getroffene Spaltöffnung zu entdecken !

Dies hat mich ziemlich fasziniert, zeigt sie doch, dass sich die Anatomie der Spaltöffnung dieser sehr frühen Landpflanzen nicht entscheidend von den Spaltöffnungen heutiger (rezenter) Pflanzen unterscheidet.

Klaus Hermann hatte ja kürzlich Spaltöffnungen (Stomata) von Pflanzen aus dem Tertiär der Grube Messel gezeigt, diese sind ca. 50 Mio Jahre alt:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=13145.0

Die Spaltöffnung der Pflanze aus dem Rhynie Chert hier ist allerdings aus dem Unterdevon und ca. 400 Mio Jahre alt !
Es belegt sich mit diesem Fund wieder einmal mehr der unglaublich gute Erhaltungszustand der Gewebe im kieseligen Chert (feuersteinartiger Stein).

Herzliche Grüsse & viel Spass beim Anschauen dieses Methusalems  ;)
Holger