eupeodes corollae Rüssel Querschnitte

Begonnen von Jürgen H., Mai 06, 2012, 19:36:51 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker

im Anschluss an die bereits gezeigten Gehirnschnitte von eupeodes folgen hier einige Schnitte, die mehr oder weniger quer durch den Rüssel geführt sind. Zur allgemeinen Orientierung soll zunächst eine Zeichnung aus Seifert, entomologisches Praktikum, dienen, die den Rüsselaufbau von leckend saugenden Mundwerkzeugen am Beispiel von calliphora (Schmeißfliege) im Längsschnitt zeigt.



Der erste Querschnitt zeigt die Situation vom körperentferntesten Teil des Rüssels (Labellen) Die folgenden Querschnitte bewegen sich körperwärts.



Ganz auffällig sind beim ersten Querschnitt die Pseudotracheen PT, Röhren, die wie Tracheen der Insekten aussehen, aber an einer Seite offen sind. Sie sind jeweils quer getroffen. Die Gestalt erinnert im Bild an einen Reißverschluss. Die Pseudotracheen dienen dem Insekt, das sich im wesentlichen von Pollen ernährt, möglicherweise zum Zerreiben der Pollen. Anzunehmen ist aber vor allem, dass in ihnen, wie bei der Hausfliege, in Folge der Kapillarwirkung die mit dem Rüssel aufgetupfte Nahrungsflüssigkeit körperwärts steigt.

In die Zwischenräume zwischen den Pseudotracheen sind gelegentlich stiftförmige Gebilde eingelagert (SH1), die vermutlich Sinneszellen zur geschmacklichen Untersuchung der Nahrung darstellen. Sinneszellen vermute ich auch in den äußeren weichhäutigem Teilen des Rüssels (SH2).

V ist eine quer getroffene chitinöse Verstärkung des Rüssels. DZ halte ich aufgrund der Größe und der riesigen Zellkerne für Drüsenzellen, habe aber einen Drüsenausgang nicht finden können. Es sind jedenfalls nicht die Speicheldrüsen; diese befinden sich im Körper selbst, der Ausführungsgang der Speicheldrüsen zeigt sich später.  Es muss sich um eine weitere  Sekretproduktion handeln, die anderen Zwecken dient. Musca d. besitzt an dieser Stelle Labellendrüsen, deren Funktion ich leider nicht kenne.

Lbr ist bereits die Spitze des Labrums (umgewandelte Oberlippe), die hier wohl eigentlich zweiteilig ist. Ich vermute, dass ein Teil des Labrums abgeschwommen ist.

Beim nächsten Querschnitt ist die Situation noch nahezu unverändert:



DL könnte ein innen liegendes Drüsenlumen sein. Die Muskulatur M  ist teils längs, teils quer getroffen. Eine genaue Funktionszuordnung ist mir nicht möglich.

Im nächsten Schnitt sieht man, dass sich die Pseudotracheen allmählich von beiden Seiten her auflösen. Labrum (Lbr) (chitinöse Oberlippe) und Hypopharynx (Hph) sind als getrennte Teile der Mundwerkzeuge bereits gut sichtbar.



Den nächsten Schnitt hatte ich bereits gezeigt:




Hypopharynx Hph und Labrum Lbr sind, wenn auch getrennt, doch eng aneinandergeschmiegt und umschließen so den Nahrungskanal (Nk). Im Hypopharynx ist der Speichelkanal mit Speichel sichtbar (Sk)
Die Muskulatur M1 dürfte der Beweglichkeit des Rüssels dienen, die Muskulatur M2 hingegen der Erweiterung des Nahrungskanals. Zwei Apodeme (Ap) dienen der Versteifung und wahrscheinlich auch als Insertionsstelle für Muskulatur. Die paarigen Nerven (N) liefern wohl dem Gehirn die Informationen der Tasthaare und der Geschmackssensillen

Um die Saugfunktion besser darzustellen, habe ich der Übersichtlichkeit halber eine kleine Zeichnung gemacht:



Das Labrum besteht hiernach aus zwei ineinander geschmiegten nahezu ringförmigen Chitinteilen. Beide Teile sind weichhäutig miteinander verbunden (WV). Zwischen beiden Teilen liegen einzelne Muskelstränge einer Zugmuskulatur (M2). Kontrahiert die Muskulatur, wird der innere Ring in Richtung des äußeren Rings gezogen; das Lumen des Nahrungskanals erweitert sich und es entsteht eine Sogwirkung. Gleichzeitig ist dafür gesorgt, dass sich auch bei der Muskelkontraktion der innere Ring immer dicht an den Hypopharynx anschließt.  Ich vermute, dass die Stelle bei F ähnlich wie eine Feder wirkt und so den Antagonisten zur Muskulatur M2 ersetzt.

Vergleichbar ist die Situation in Seifert, Entomologisches Praktikum hinsichtlich des Haustellums von musca d. dargestellt:



Zum Schluss noch ein Ausschnitt aus Bild 1:



Die zwei Sinneshaare  (SH) zwischen den Pseudotracheen (PT) sind so deutlich zu sehen. Man kann erahnen, dass die Sinneshaare innen hohl sind (vermutlich chemosensorische Sinneszellen, am Mikroskop sieht man das besser, als auf diesem Coolpixbild) Hinter den Pseudotracheen verläuft eine Kette von Zellen Z1, deren Bedeutung ich nicht kenne.

Paraffinschnitte, Färbung Azophloxin/Hämatoxylin Ehrlich, Photos mit 20er Objektiv bis auf das letzte, dass mit dem 63er Öl geschossen wurde.

Schöne Grüße

Jürgen

Ronald Schulte

Jürgen,

Sehr interessanten Beitrag obwohl es für mich noch was 'Algebra' ist.
Bin neugierig ob du die Farbezeit mit Azophloxin gleich so lange machst wie bei Eosin? Meist Farbe ich damit etwas kürzer weil es bei mir schnell überfärbt und sich nicht mehr so gut auswaschen lässt wie Eosin.

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

hebi19

Hallo Jürgen

Vielen Dank für deine Dokumentation. Ich bin wirklich beeindrukt.

Martin - der aktuell auch den Seifert studiert.
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

Holger Adelmann

Lieber Jürgen,

mir gefallen Deine Insektenschnitte wiederum sehr gut.
Auch scheinst Du das Problem mit dem harten Chitin gut im Griff zu haben, es sind ja kein Zerreissungen zu sehen !

Grosses Kompliment  :)

Herzliche Grüsse
Holger


Jürgen H.

Lieber Ronald,

Das Schlimme ist, dass es kaum "Algebrabücher" auf dem Gebiet der Insektenhistologie gibt, die vernünftige Bilder des histologischen Materials zeigen. Das Gute ist: Es gibt ganz hervorragende Zeichnungen, die vielleicht noch viel mehr wert sind, als die schönsten Bilder. Ich wundere mich immer wieder, wieviel Aufwand das vergangene Jahrhundert darauf verwendet hat, solche Zeichnungen zu erstellen. Insbesondere der Herr Snodgrass hat hervorragende Zeichnungen hinterlassen, die die funktionellen Zusammenhänge verdeutlichen: Siehe das erste Bild meines Beitrags.

Azophloxin lasse ich 8 min aufziehen: Möglicherweise zu lange, wie die teils überfärbte Muskulatur in meinen Bildern zeigt. Eosin differenziert m.E. besser, wenn die Färbung gelingt....wenn....

Lieber Martin,

schön dass es da einen Mitstreiter auf dem Gebiet der Entomologie gibt! Ich finde die Vielfalt der Organe bei den Insekten, z.B. bei den Mundwerkzeugen, immer wieder beeindruckend, vor allem aber auch den außerordentlich differenzierten Feinbau von all den kleinen Brummern, Krabblern und Fipsern. Wenn ich mir das ansehe, verfalle ich geradezu in Ehrfurcht: und all das für ein kurzes Insektenleben der Imago von ein paar Tagen... Vielleicht bekommen wir bald auch Bilder von Dir u sehen?


Lieber Holger,

In diesem Fall lief es mit dem Chitin tatsächlich ziemlich glatt, sogar bei einer Schnittstärke von 5 µ.
Im Griff habe ich das Problem allerdings nicht ganz. Es geht eben mal so, mal so. Parallel hatte ich eine Syrphus eingebettet. Die Einbettung ist total misslungen, obwohl sie nach dem gleichen Protokoll verlief und ich diese Schwebefliege genauso zerteilt habe wie die eupeodes. Alle Blöcke von Syrphus sind nicht richtig von Paraffin durchdrungen und das Chitin splittert. Der einzige Unterschied des Einbettungsverfahrens bestand darin, dass Syrphus mit Chloroformgas betäubt wurde, während ich eupeodes einfach kurz in das Eisfach gestellt habe. Jetzt kann ich über die Ursachen der unterschiedlichen Ergebnisse rätseln. Es ist schlicht schwierig, die Luft aus den Tierchen zu vertreiben, selbst wenn sie in Kopf, Thorax und Abdomen zerteilt sind.

Nach meinen Erfahrungen ist jedenfalls ein ausgesprochen sorgfältiges Entwässern wichtig. Der Rest scheint Glück zu sein. Sicher wird auch das Alter des Insekts eine Rolle spielen.

Schöne Grüße

Jürgen

Lothar Gutjahr

Lieber Jürgen,

immer wieder und noch einmal HUT AB ! Das sind Dinge, da würde bei mir schon die Feinmotorik versagen, so einen Schnitt aufzunehmen und zu handhaben.
Umsomehr freue ich mich neidlos über so eine Dokumentation und sage "Weitermachen" und herzlichen Dank fürs Zeigen.

Gruß aus dem heute trüben Berchtesgadener Land

Lothar

Jürgen H.

Hallo Lothar,

Danke fürs Lob. Aber: bei einem, der hinter Lothars Basteleien steht, kann ich nicht glauben, dass beim Auflegen von ein Paar schlichten Paraffinschnipseln die Feinmotorik versagen würde.;-) Und wenn Du wüsstest... Manchmal könnt ich einen Mikromanipulatur fürs schlichte Auflegen eines Deckglases gebrauchen. :-)

Und ich staune immer wieder über die Arbeit der Kollegen und ihr Wissen: Was die Technik angeht, die Präparation von Pflanzen, von Wasserorganismen, von Gesteinsdünnschliffen. Schön, dass es dieses Forum als Austausch all dieser Spezialitäten gibt!

Schöne Grüße

Jürgen


Fahrenheit

Lieber Jürgen,

vielen Dank für Deinen spannenden und interessanten Beitrag - von den perfekten Präparaten gar nicht zu reden!

Besonders faszinierend finde ich die Struktur, die aus den Pseudotracheen gebildet wird. In Deinem Ausschnitt aus Bild 1 hast Du auch Drüsengewebe bezeichnet. Könnten die Sinneszellen auch Ausgangskanäle dieser Drüsen sein?

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Jürgen H.

Lieber Jörg,

vielen Dank für Deine Antwort!

ZitatIn Deinem Ausschnitt aus Bild 1 hast Du auch Drüsengewebe bezeichnet. Könnten die Sinneszellen auch Ausgangskanäle dieser Drüsen sein?

Darüber habe ich auch gerätselt!

Die Beschäftigung mit meinen Schnitten zeigte mir dann einige Stellen wie diese, die etwas unterhalb der Stelle des ersten Bildes im ersten Beitrag (in distaler Richtung) gelegen ist:



die mit SZ1 bezeichnete Zelle scheint hier keinen Kontakt zu den mit DZ bezeichneten Drüsenzellen zu haben. Solche großlumigen Zellen mit großem Zellkern habe ich weder im vorherigen noch im nächsten Schnitt in unmittelbarer Nähe der Zelle SZ1 gefunden. (wobei "die" Zelle SZ 1 auch eher aus meheren Zellen bestehen dürfte)

Anders hingegen die Zelle SZ2...

Alle SZ Zellen liegen jedoch immer an dem hinter den Pseudotracheen verlaufenden Zellband ZB.

Zu den graubräunlichen fädigen Gebilden im Präparat habe ich auch keine Erklärung Artefakte?

Der ganze etwas geschrumpelte Eindruck des Präparates kann allerdings damit zusammenhängen, dass die Streckung des Rüssels durch Aufpumpen geschehen könnte (so bei musca d.) und nur das Einziehen des Rüssels muskulär funktioniert.

Schöne Grüße

Jürgen