Erzmikroskopie: Grubenfeld "Gläser"

Begonnen von Stefan_O, April 26, 2012, 19:43:52 NACHMITTAGS

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Stefan_O

Salü Zusammen,

hier ein paar Impressionen der Nickelvererzung, welche im Rahmen der Exkursion https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=11842.0 besucht wurde. Holger hat über die Vorexkursion einen Bericht über die Lagerstätte geschrieben: http://www.mikroskopie-bonn.de/bibliothek/geologie/index.html#a1465

Ich habe diverse Proben zersägt. Da das Erz sehr spärlich verteilt ist, war es schwierig, genau eine der kleinen Linsen zu treffen. Immerhin, bei einer Probe hat es geklappt, diese möchte ich hier als Dankeschön an Holger und Jörg für die grandiose Vorbereitung und an die Teilnehmer als Dank für den schönen Tag zeigen. Die Bilder sind "quick and dirty" ohne grosse Kalibrierung und Weissabgleich, zeigen aber alles wesentliche.

Nic //, 100 um Balken:

Die Kamera macht reichlich kontrast, durchs Mikroskop betrachtet sind die Unterschiede zwischen Chalcopyrit und Millerit nicht so deutlich.


Ccp = Chalcopyrit; Mll = Millerit; Umn = Ullmannit; Pyr = Pyrit

Nic +, 100 um Balken:

Man sieht sehr schön, warum sich der Millerit gut bestimmen lässt...

Nic +, Probe gedreht, 100 um Balken:


Und ein etwas Pyrit-reicherer Ausschnitt:
Nic //, 100 um Balken:



Ccp = Chalcopyrit; Mll = Millerit; Umn = Ullmannit; Pyr = Pyrit

Zum Abschluss noch die Beweisführung für den Ullmannit in verkürzter Form. Zuerst die Reflektionskurven der drei Hauptminerale:



Aus den Kurven folgt, dass die Grauwerte im Bild vom Millerit und Ullmannit bei ca. 490 nm gleich sein müssten und die von Millerit und Chalcopyrit ab 580 nm aufwärts. Hier nun die Bilder:

400nm, 2600 ms Belichtungsdauer (100 W Halogen):


480nm, 85 ms Belichtungsdauer:


520nm, 47 ms Belichtungsdauer:


580nm, 31 ms Belichtungsdauer:


640nm, 99 ms Belichtungsdauer:


Wie man sieht, kommt das ganz gut hin. Die Kombination Chalcopyrit-Millerit-Ullmannit ist nicht unüblich und z.B. von Erzen aus Müsen beschrieben.

Liebe Grüsse,
Stefan

Holger Adelmann

Super, vielen Dank, Stefan. Dann haben wir ja in der Tat das Nickelerz dort finden können (Nickelsulfid und Nickelantimonsulfid), daneben Kupferkies und Pyrit - sehr schön :)

Der Millerit zeigt ja eine schöne Anisotropie im POL Auflicht.

Herzliche Grüsse
Holger


Stefan_O

#2
Hi Holger,

für die Bezeichnung "Erz" könnte noch etwas mehr drin sein. Millerit ist in der Tat stark anisotrop und zeigt dazu einen deutlich wahrnehmbaren Pleochroismus. Das ist wichtig bei den s/w Aufnahmen oben, weil sich je nach Stellung der Probe dann die Schnittpunkte verschieben. Der Millerit vom Gäser ist in der Farbe aber eher "dreckig", ich habe welchen aus Schweden (Slättbergsgruvorna), der strahlend blau bzw gelb ist. Das lässt sich mit der Kamera kaum erfassen (http://www.uranglasuren.com/ores/Example_S05/index.html). Millerit ist auch von der Hilfe Gottes, Oberscheld, beschrieben, also auch im Lahn-Dill-Gebiet kein unbekannter.

Gruss,
Stefan

Fahrenheit

Lieber Stefan,

schön, dass Dir unsere erste zweitägige Exkursion gefallen hat und vielen Dank für die professionelle Aufbereitung Deiner Fundstücke aus dem Grubenfeld Gläser. Beim nächsten Update unserer Webseite werde ich einen Link auf Deinen Beitrag hier setzen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Udo Maerz

Hallo Stefan,

neben den tollen Aufnahmen beeindruckt mich die Systematik der Differenzierung der verschiedenen Erzminerale anhand des Reflexionsvermögens bei unterschiedlichen Wellenlängen. Das ist wunderbar erläutert und mit den entsprechenden Bildern deutlich vor Augen geführt.

staunende Grüße
Udo Maerz

Stefan_O

#5
Hallo Zusammen,

wenn man schon Daten hat, soll man auch damit spielen. Ich habe aus den schmalbandigen s/w-Aufnahmen Falschfarbenbilder a la Astronomie gerechnet. Die Bilder wurdem mit ImageJ zum Stack verarbeitet, mit StackReg registriert, wieder zu Einzel-Bilder umgewandelt und dann mit dem RGB-Composer verarbeitet:

Kombination aus 400-480-680 nm (je 6 nm breit):



Kombination aus 440-520-680 nm (je 6 nm breit):



Die untere Kombination ist vom Original nicht so weit weg. Der Kontrast zwischen den einzelnen Mineralien ist höher, die Gesamtschärfe ebenfalls. Es ist bei einem NPL schon erstaunlich, wieviel man beim Filterwechsel kurbeln muss, damit das Bild wieder scharf wird. Aber Auflicht-Pol-Apo's hatte Leitz ja leider nicht.

Ansonsten hat es keinen wissentschaftlichen Hintergrund. Wen sowas interessiert, möge Gerbil im Auge behalten:
http://www5.informatik.uni-erlangen.de/research/areas/computer-vision/multispectral-image-analysis/
und
http://sourceforge.net/p/gerbil/home/Home/

Gruss,
Stefan

Bastian

Lieber Stefan,
kannst Du uns ein wenig mehr darüber berichten, wie Du die Bilder gerechnet hast, und was genau wir darin/daran sehen? Ich finde sie nämlich hoch interessant! Ich vermute die Antwort liegt in dem Satz
Zitata la Astronomie
aber, da ich mich für Astronomie nicht interessiere, weiß ich nicht genau was Du da zeigst.

Herzlich,
Bastian

Stefan_O

#7
Hallo Zusammen,

ich kann es mal versuchen. In der Astronomie ist oder war es üblich, ohne die scheussliche Bayer-Maske zu arbeiten, die eigentlich kaum Vorteile hat. Zudem verwendet man dort ebenfalls schmalbandige Filter. Das die Aufnahmen trotzdem farbig sind, liegt daran, dass mehrere s/w-Aufnahmen mit unterschiedlichen Filtern zu einer (Falsch-Farben)Farbaufnahme zusammengerechnet werden. Es gab auch glorreiche Zeiten, bei denen die sehr teuren Kameras drei Sensoren hatten, denen jeweils ein kompletter R, G oder B Filter vorgeschaltet war. Aus den drei gefilterten s/w-Einzelbildern wurde eben das farbige Bild zusammengerechnet. Alle Nachteile der Bayer-Maske entfallen dort. Das gleiche lässt sich auch mit schmalbandigen Filtern erreichen, wie oben gezeigt, nur entspricht das Bild dann nicht der Realität, da nicht der ganze sichtbare Wellenlängen-Bereich abgedeckt wird. Da sich Erze selten bewegen, braucht es keine drei Sensoren gleichzeitig, es geht auch sequenziell. Ich nehme mal an, dass in der Fluoreszenz-Mikroskopie bzw bei den konfokalen Mikroskopen ähnlich vorgegangen wird. (s/w-Kamera, die Wellenlänge der Fluoreszenz des Farbstoffes ist ja bekannt und kann hinterher wieder hineingerechnet werden, siehe Link unten).

ImageJ stellt mit dem RGB-Composer ein recht gutes Tool zur Verfügung, mit dem drei Bilder zusammengebastelt werden können. Der RGB Composer stammt übrigends auch aus einem Astronomie-Paket. Professionell wird das als Multispectral- oder Hyperspectral Imaging betrieben, bei der Satellitenaufnahmen in sehr vielen Bändern ausgewertet werden (siehe die Gerbil-Homepage). Multispectral Imaging kommt aber auch in anderen Bereich in Mode, siehe unten die Bohrkern-Analyse im Bergbau. Ich habe aber leider noch kein gutes Program gefunden, dass mehr als drei Bilder zu einem RGB Bild zusammenrechnet (die heissen dann Composite Aufnahmen). Gerbil wird das vermutlich später einmal können. Mit Hilfe der s/w-Aufnahmen bei definierten Wellenlängen kann eine Software zum Beispiel eine Segmentierung vornehmen mit dem Ergebnis, dass man Flächen % der einzelnen Minerale relativ leicht bestimmen kann. In den wenigen Publikationen in der Erzmikroskopie wurde dazu MultiSpec verwendet.

Zum Vorgehen: drei beliebige Bilder werden in ImageJ geöffnet und mit StackReg registriert, damit die Einzelbilder genau übereinander liegen. Dann folgt mit dem RGB-Composer die Erstellung des farbigen Bildes. Dort muss der Plug-in nur wissen, welche Aufnahme den R, den G und den B Bereich abdecken soll. 440-520-680 nm ergeben realtiv realistische Aufnahmen. Da in engen Wellenlängen-Bereichen gearbeitet wird, entfallen auch sämtliche Korrekturprobleme mit der Optik. Wie geschrieben, ist ist erstaunlich, in wie weit man beim Filterwechsel am Feintrieb drehen muss, damit das Bild wieder scharf wird.


Gruss,
Stefan

Links:

Lot-Oriel Drill Core Analysis:                 http://www.lot-oriel.com/de/en/home/hyperspectral/
und hier:                                             http://www.lot-oriel.com/de/en/spectrum/ee-spectrum14/hyperspectral-imaging/
Multispectral/Fluorescence microscopy:  http://www.caliperls.com/products/microscopy-imaging-analysis/microscopy-imaging/
MultiSpec:                                           https://engineering.purdue.edu/~biehl/MultiSpec/index.html
Gerbil:                                                http://www5.informatik.uni-erlangen.de/research/areas/computer-vision/multispectral-image-analysis/
RGB-Composer:                                   http://www.astro.physik.uni-goettingen.de/~hessman/ImageJ/RGB_Composer/
StackReg:                                            http://bigwww.epfl.ch/thevenaz/stackreg/

Fahrenheit

Liebe Erzfreunde,

diesmal hat es etwas länger gedauert, aber wer möchte, kann nun auf der MKB-Seite ein wenig über die Exkursion zu den Aufschlüssen in der Dillmulde nachlesen.
http://www.mikroskopie-bonn.de

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Holger Adelmann

#9
Lieber Stefan, alle,

heute habe ich von meinen Anschliffen aus dem Gläser-Fund von der MKB Exkursion noch ein paar Auflicht-Hellfeld-Fotos gemacht (nicht POL).

Diese zeigen das recht schöne Gefüge aus den Erzen und der Nebengestein-Matrix (dunkelgrau-schwarz).

Viel Spass beim Anschauen.

Herzliche Grüsse
Holger

Alle Aufnahmen: Leitz Orthoplan NPL 20x POL, Auflicht, Moticam 2300












Bastian

Hallo Holger,
wie schön noch ein paar Erze zu sehen! Kannst Du uns bitte noch mitteilen welche Erzminerale wir hier sehen? Ich nehme mal an die Proben kommen aus dem gleichen Vorkommen wie Stefans Erze weiter oben.

Herzliche Grüße,
Bastian

Holger Adelmann

#11
Vielen Dank Bastian,

ja, das Gestein ist vom selben Fundort.

Ich habe selbst noch keine Reflektionsmessungen bei verschiedenen Wellenlängen gemacht. Die Aufnahmen sind alle im "Weisslicht" entstanden.
Ich habe aber in meinem Fundus noch 3 Interferenzfilter gefunden: 435 nm, 544 nm und 592 nm.
Ich werde damit nochmals fotografieren, dann wird man schlauer sein.

Mir ging es auch besonders darum, einmal das bizarre Gefüge zu zeigen.

Ich beziehe mich mal auf das letzte Bild:
Das hellgelbe könnte Millerit sein, verwachsen / entmischt (?) mit dem hellgrauen Ullmannit, das weisslich ist wahrscheinlich Pyrit.

Aber ich schaue es mir nochmal bei verschiedenen Wellenlängen an. Stefan hat ja für einige Erzminerale ein paar Kurven gezeigt.
Ausserdem werde ich auch noch mit dem 50er Objektiv aufnehmen.

Herzliche Grüsse
Holger


Bastian

Hallo Holger,
oja, da freu ich mich drauf! Ich denke aber dass Du mit Deiner Einschätzung whl ganz gut hinkommst. Es git in dem Erz ja auch noch Chalkopyrit, wobei der Millerit (zumindest die paar die ich gesehen habe) einen Tick kräftiger im gelb ist.

Ich hoffe ich erzähle Dir hier keine ollen Kamellen, aber man kann die allermeisten Erze ja auch ohne Stefans tolle (das meine ich ernst - ich bin sehr neidisch!) Reflexionsmessungen bestimmen. Kennst Du den Ramdohr? Kann ich nur empfehlen; sollte beim Erzmikroskopieren unbedingt neben dem Mikroskop stehen, auch wenn der offenbar veraltet erscheint:

Klockmann, F., Strunz, H. & Ramdohr, P. 1978. Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. ed. Stuttgart: Enke.


Herzlich,
Bastian

Holger Adelmann

Ja ja der Ramdohr - nicht so einfach zu kriegen.
Der steht auf meiner Wunschliste, lieber Bastian.

LG
Holger

TPL

Zitat von: Bastian in Mai 06, 2012, 22:54:13 NACHMITTAGSKennst Du den Ramdohr? Kann ich nur empfehlen; sollte beim Erzmikroskopieren unbedingt neben dem Mikroskop stehen, auch wenn der offenbar veraltet erscheint:  Klockmann, F., Strunz, H. & Ramdohr, P. 1978. Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. ed. Stuttgart: Enke.

Hallo Bastian und Holger,
der "Ramdohr" ist wirklich sehr selten geworden (ich habe leider keinen!). Aber der zitierte Band hilft nicht bei der Suche, denn dass ist der "Klockmann".

Ihr sucht nach Ramdohr, Paul (1960): Die Erzmineralien und ihre Verwachsungen. 3. Aufl., Berlin, Akademie-Verlag, 1089 S.

Herzliche Grüße und Glückauf!
Thomas