Zeiss Standard Junior: Wartung und Pflege des Tischtriebes

Begonnen von -JS-, Mai 13, 2012, 22:04:09 NACHMITTAGS

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-JS-

Liebes Forum,

der folgende Artikel beschäftigt sich mit den für eine Grundwartung (Reinigung und Neufetten von Schwalbenführungen und Zahntrieben) des Tischtriebes eines Standard Junior von Zeiss notwendigen Arbeiten.
Bestimmte Angaben mögen für einen erfahrenen Anwender eventuell banal klingen, sie sollen jedoch auch dem Ungeübten zeigen, daß sauber vorgenommene Wartung kein Buch mit sieben Siegeln ist.
Es ist ferner anzumerken, daß auf die Wartung des Planetengetriebes sowie auf die komplette Zerlegung des Getriebes im Standard Junior in diesem Artikel ausdrücklich nicht eingegangen wird. Zum Einen würde der Artikel (so er es denn nicht schon ist) unhöflich lang werden, zum Anderen wird für das Planetengetriebe ein Fett mit speziellen Eigenschaften hinsichtlich der Viskosität benötigt, zu denen mir leider keine Unterlagen vorliegen.


Bild 1:
L: Für die notwendigen Zerlegungsarbeiten wurde das Junior von allen optischen und nicht notwendigen mechanischen Bestandteilen befreit.
M: Es ist ein kräftiger Schraubendreher für das Lösen der vier Schrauben notwendig, welche das Stativ mit dem Fuß verbinden. Der links neben dem Werkzeug erkenntliche schwarze Zylinder ist das Gegenlager für eine Antischlupf-Feder, auf die später noch eingegangen wird.
R: Die Fußplatte ist entfernt und damit der Weg für die nach unten vorgenommene Abnahme des Kondensorhalters freigegeben.


Bild 2:
L: Für das Lösen der Tischverschraubung wird ebenfalls ein kräftiger Schraubendreher benötigt, die Schrauben können sehr fest sitzen.
M: Um für die Reinigung und Neufettung an den Tischtrieb heranzukommen, müssen zunächst einige Teile demontiert werden. Hier ist die Abnahme der Zahnstange für die Kondensorverstellung gezeigt. Es ist zu beachten, daß die einzelnen Elemente oftmals mit unterschiedlich geformten Schrauben befestigt sind. Die Zahnstange z.B. ist am oberen Ende mit einer Zylinderkopf-, am unteren mit einer Senkschraube befestigt.
R: Abnahme der Schwalbenführung für die Kondensorverstellung. Auch hier sind unterschiedliche Schrauben für die Befestigung verwendet und sollten beim Rückbau nicht verwechselt werden.

Vor weiteren Arbeiten ist zunächst die Tischhalterung mit dem Grobtrieb an den unteren Anschlag zu bringen. Dies entlastet die Antischlupf-Feder und erleichtert die im Folgenden gezeigten Tätigkeiten.


Bild 3:
L: Lösen und Herausnahme der Verbindungsschrauben zur Zahnstange für die Tischbewegung. Die obere Schraube ist hier als Senkkopf-, die links neben dem Schraubendreher sichtbare als Zylinderkopfschraube ausgeführt.
M: Lösen der unteren Halterungsschraube für die Schwalbenführung des Mikroskoptisches.
R: Abnahme der Tischhalterung nach unten und Lösen der oberen Halterungsschraube für die Schwalbenführung. Die obere Schraube ist ca. 30% länger als die untere. Beim Rückbau dürfen diese beiden Schrauben auf keinen Fall verwechselt werden, da sonst die Feder beschädigt werden kann.


Bild 4:
Die Schwalbenführung für die Tischverstellung wird vorsichtig (und bitte ohne den Einsatz von Schraubendrehern als Hebel !) von den Pass-Stiften abgezogen. Danach ist der Blick auf das Innere des Zahnradgetriebes frei. Die Messingplatte mit der Zahnstange am innerwärtigen Ende kann gegen den Federzug vorsichtig aus dem Gehäuse gezogen werden.
Für das Foto wurde die Platte mit einem Drahtende an der Achse des Handrades provisorisch befestigt.
Wie im Bild 4R zu sehen, ist der Zustand der Zahnstange einwandfrei, ebenso derjenige des kleinen Übertragungsritzels sowie des im Foto ebenfalls teilweise erkenntlichen Hauptrades.
Das ist leider nicht immer so. Aus welchen Gründen auch immer können Zahnstange und Ritzel die abenteuerlichsten Formen haben - meist ist Gewalteinwirkung von außen die Ursache, oft auch Verschleiß, sehr häufig leider auch unregelmäßig oder niemals vorgenommene Wartung und Pflege.
Das hier gezeigte Junior von Zeiss-Winkel ist um 1955 gefertigt und mit Sicherheit auch viel benutzt worden, aber von Verschleiß kann im gezeigten Beispiel keinesfalls die Rede sein.
Ist die Zahnstange allerdings beschädigt (fehlende oder teilweise herausgebrochene Zähne, Zähne mit unterschiedlichen Höhen), kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß auch das Übertragungsritzel Schäden aufweist.
Im vorliegenden Fall war alles in Ordnung, so daß nun die Reinigungsarbeiten anstanden.
Hierzu wurden alle erreichbaren Flächen des (nicht weiter zerlegten) Getriebes zunächst vom alten Fett befreit, anschließend mittels in Wundbenzin getränkten Q-Tips die Fettreste abgelöst.
Alle Gleitflächen der Schwalbenführungen wurden nach einem Benzinbad und anschließender Trocknung dünn mit Nadellagerfett eingestrichen, die Zahntriebe mit Hytex EP2, einem Schmiermittel für optische Feingetriebe von Texaco.


Rückbau:
Der Rückbau der gereinigten und frisch gefetteten Teile ist relativ einfach, wenn die Angelegenheit mit den unterschiedlich ausgeführten Befestigungsschrauben beachtet und ein wenig Geduld im Kampf mit der (zuweilen äußerst hinterlistigen) Feder aufgebracht wird.
Als Vorbereitung ist mittels Grobtrieb der untere Anschlag des Tischhubes anzufahren (Linksdrehung).


Bild 5:
L: In die Oberseite der Messingplatte wird die Senkkopfschraube wie gezeigt um 3-5 Gewindegänge eingeschraubt. Sie dient in dieser Form als Handgriff und Montierhilfe.
M: Die Schraube wird durch die Aussparung in der Schwalbenführung für den Tischtrieb gesteckt und danach die Messingplatte etwa 1 cm nach oben (im Bild nach rechts) gezogen und festgehalten. Anschließend wird die Schwalbenführung auf die Pass-Stifte gedrückt. Die Messingplatte bleibt an der in Bild 5M gezeigten Position arretiert und die Handgriff-Hilfsschraube kann nun entfernt werden.
Die Schwalbenführung wird zunächst noch nicht mit dem Stativ verschraubt.
R: Die Tischhalterung wird von unten auf die Schwalbenführung geschoben, bis die beiden Bohrungen mit den Gewindelöchern in der Messingplatte übereinstimmen. Anschließend werden die beiden Halteschrauben (oben Senk-, unten Zylinderkopf) eingesetzt und sehr gut festgezogen.
Im Anschluß muß nun der Verfahrweg der Tischhalterung auf den unteren und oberen Anschlag der Triebbewegung angepasst werden.


Bild 6:
L: Die gesamte Vorrichtung aus Schwalbenführung und Tischhalterung wird nun vorsichtig um ca. 1 mm auf den beiden Pass-Stiften vom Gehäuse wegbewegt, ohne diese jedoch komplett abzunehmen.
Nach erneuter Prüfung (und ggfs. Korrektur) des Zustandes 'unterer Anschlag' des Grobtriebrades wird die Tischführung in die in Bild 6L mit Pfeil bezeichnete Position gebracht (wie gezeigt ca. 1 mm vom unteren Ende des Stativhalses nach oben hin) und die Schwalbenführung anschließend vorsichtig wieder zurück gedrückt, so daß sie sauber plan auf dem Stativ aufliegt.
M: Nach einem 'Probelauf' zur Absicherung, daß der obere Anschlag des Handrades mit dem Erreichen des Abschlussbleches an der Schwalbenführung zusammenfällt, wird zunächst die obere (längere !) Befestigungsschraube sehr gut festgezogen.
R: Montage und Festziehen der unteren (kürzeren) Befestigungsschraube der Schwalbenführung des Tischhalters.


Bild 7:
L, M, R: Darstellung vom Rückbau sowie der Montage von Schwalbe, Zahnstange (unterschiedliche Schraubenformen beachten) sowie des Trägers der Kondensorverstellung.
Im Anschluss werden sowohl der Tisch als auch der Fuß montiert.
Damit ist das Kapitel 'Wartung und Pflege der Tischverstellung eines Zeiss Standard Junior' abgeschlossen.


Bild 8:
Nach dem kompletten Rückbau der optischen und mechanischen Teile des 'kleinen Schwarzen' braucht man sich über die Funktion der Tischverstellung zunächst einmal sehr, sehr lange Zeit keine Gedanken zu machen.
Der im Bild gezeigte Binokulartubus ist leider noch nicht voll funktionsfähig. Der Lichtschutzlack seiner Prismen hat den Kampf mit dem Zahn der Zeit verloren, seine teilweise ziemlich bröseligen Reste müssen  bei Gelegenheit entfernt und durch eine Neulackierung 'aufgehübscht' werden. Das ist aber ganz zweifellos ein Projekt für lange Winterabende...

Nachsatz:
Ich möchte an dieser Stelle sowohl Bob für seine im Vorfeld gegebenen Tipps als auch Bernd für die Durchsicht der Rohfassung dieses Artikels meinen herzlichen Dank aussprechen.

Danke für's Lesen.

Viele Grüße
Joachim
... bevorzugt es, ge_Du_zt zu werden ...

Bastian

#1
Guten Abend Joachim,
das finde ich ungemein praktisch! Mir ist  gerade so eine Juniorin zugeflogen und man hatte mir mitgeteilt daß der Tischtrieb ein wenig Aufmerksamkeit verdient hätte. Anstatt das nun selber heraus finden zu müssen, brauche ich nun nur noch Deiner schönen Anleitung zu folgen. Hervorragend! Im übrigen finde ich die Doku mal wieder sehr gut gelungen.

Vielen Dank.  

Herzliche Grüße,
Bastian

Nomarski

Hallo Joachim,

sehr schön gezeigt, Bild 4 läßt schon erhahnen, daß zum Ausbau des Planetengetriebes erst dieses Zahnrad ausgebaut werden muß, was in die Zahnstange eingreift. Die nötige Vorarbeit hast du also schon geleistet und bist dann schneller, wenn das Planetengetriebe nun doch noch mal raus muß. ;D

Dann mal weiterhin frohes Schaffen!

Viele Grüße
Bernd

Bob

Hallo Joachim,

da hast Du ja wirklich eine erstklassige Anleitung fabriziert!
Damit sollten mehr von diesen schönen und edel verarbeiteten Mikroskopen einsatzbereit bleiben und es sollte zu weniger Schäden wegen Montagefehlern kommen.
Gerade die hervorragenden Fotos zeigen einem schon vor der Demontage, was auf einen zukommt.
Jetzt musst Du Dein Mikroskop nur noch in Betrieb nehmen, das sieht ja noch aus wie neu!

Beste Grüße,

Bob

Klaus

Hallo Joachim,

vielen Dank für die schöne Dokumentation! Die ausführliche Beschreibung und gute Bilddokumentation sind wirklich beispielhaft. Man bekommt fast Lust, sein Mikroskop auseinanderzuschrauben.....

Gruß

Klaus