GEOLOGIE: Die Porphyroide des Rheinischen Schiefergebirges

Begonnen von Holger Adelmann, Mai 17, 2012, 23:05:02 NACHMITTAGS

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Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

heute berichte ich über ein interessantes wie kompliziertes und vielfältiges Gestein, über die Porphyroide.

Viel Spass beim Anschauen.
Holger

Der Begriff "Porphyroid" meint etwa "porphyrähnliches Gestein", also ein Gestein, welches mehr oder weniger grosse Einschlüsse in einer recht homogenen Grundsubstanz enthält.

Der Begriff Porphyroid wurde von LOSSEN bereits 1869 eingeführt. Er verstand darunter kristalline, teils geschieferte Gesteine. Eine vulkanische Genese wurde damals bereits vermutet, allerdings war es unklar ob es sich um ehemals effusives (Lava-) Gestein oder einen Tuff handelte. Es wurde auch bereits vermutet dass das Gestein alteriert, also im Gegensatz zu seinem frischen Zustand mehr oder weniger stark verändert war. Das Konzept der Metamorphose von Gesteinen lag zu dieser Zeit in den Anfängen, somit dauerte die Klärung noch viele Jahrzehnte.

Bild: Porphyroid makroskopisch (Wissenbach, Dillkreis)




In der heutigen Zeit versteht man unter diesem Gestein tektonisch und diagenetisch beanspruchte ehemalige vulkanische Tuffe, hervorgegangen aus "saurem", d.h. SiO2-reichem Magma. Da SiO2 reiches Magma viel zähflüssiger als basaltisches Magma ist, sind saure Eruptionen oft explosiv und fördern viel mehr Tuffe als kompakte Laven.

Im Rheinischen Schiefergebirge war der saure Vulkanismus ganz überwiegend im Unterdevon aktiv. Vom tiefsten Unterdevon (Gedinne-Stufe) bis hin zum obersten Unterdevon (Ober-Ems Stufe) finden sich mindestens 6 Lagen dieser Tuffe, die im Laufe der Zeit zu Porphyroiden wurden. Typische Fundorte im Rheinischen Schiefergebirge sind das Sauerland, das Bergische Land, sowie Lahn- und Dill-Mulde. Die meisten unterdevonischen Ausbruchszentren für das Rheinischen Schiefergebirge werden im Sauerland vermutet, sind aber heutzutage äusserst schwer zu lokalisieren.

Porphyroide bestehen meist aus einer Grundmatrix aus ehemaliger vulkanischer Asche. Wegen des explosiven Charakters der SiO2 reichen Vulkane bildeten sich oft hochaufgeschäumte Glas-Aschen-Tuffe, daher ist bei manchen Porphyroiden die ursprüngliche Glasscherben-Textur noch hervorragend erkennbar. Die ehemaligen (jetzt "entglasten") Scherben zeigen oft noch die bogige oder Y-förmige Struktur, die Wandbruchstücke der ehemals winzigen Glasblasen darstellen. Gelegentlich schmiegen sich die Scherben um Einsprenglinge herum.

Bilder Glasscherbentextur






Aufgrund einer meist unterseeischen Ablagerung der Tuffe enthalten Porphyroide oft einen beträchtlichen Anteil Sedimente. Porphyroide im eigentlichen Sinne dürfen bis max. 25% Sedimentanteil enthalten, vulkanische Gesteine mit mehr als 25% Sedimentanteil bezeichnet man als "Tuffite" (wobei im Tuffit der vulkanische Anteil auch als Aufarbeitung, also Erosionschutt, vorliegen kann). Die Sedimentfragmente können sehr klein bis viele cm gross werden und sind oft durch die nachfolgende Schieferung des Gesteins plattig eingeregelt.

Sediment-Fragment (unter Hälfte, darüber Glas-Aschentuff)



Sediment in den oberen 3/4, darunter Glas-Aschentuff




Es gibt aber auch Porphyroide die aus rein subaerischer ("unter der Luft") Ablagerung entstanden sind, hier besonders aus ignimbritischen Tuffen, die sich aus einer vulkanischen Glutwolke abgeschieden haben. Diese ignimbritischen Tuffe zeigen oft sphärische (kugelförmige) Quarz-Rekristallisationen, die dennoch die darunterliegende Glasscherbentextur nicht stören.

Gekreuzte Polarisatoren: Man sieht die radialstrahlige Quarz Re-Kristallisation



Parallele Polarisatoren: Man sieht die darunterliegende Glasscherben-Textur




Man bezeichnet diese Variante als Sphärolith-Tuff, gelegentlich auch als pisolithischen Tuff (lateinisch Erbse: pisi, pisum). Die Sphärolithe betragen meist 3-5 mm im Durchmesser.
Im Bergischen Land um Lindlar ist der Sphärolith-Tuff nicht selten, es gibt ihn dort in 2 Varianten (geologisch "Fazies"), einer grünlichen 'redox' -Fazies, sowie einer roten 'oxi'-Fazies.

Bilder Sphärolith-Tuff (Makros) redox (grün) und oxi Fazies (rot)






Weitere häufige Bestandteile der Porphyroide sind Quarz und Feldspat, volumenmässig viel geringer sind Schichtsilikate (hier: Glimmer), sowie magmatische Zirkonkristalle.

Der Quarz ist meist in 0,1 bis 5 mm grossen oft idiomorphen, manchmal auch randlich korrodierten Kristallen eingelagert. Schon makroskopisch ist er als fettglänzende Kügelchen oder kantige Bröckchen erkennbar. Die Quarzkristalle enthalten oft noch Einschlüsse von Fluiden aus Ihrer Bildungszeit.

Bilder Quarze








Feldspäte
Die Feldspäte aus den ehemals ignimbritischen Tuffen sind meist stark alteriert und korrodiert.

Bilder Feldspäte Ignimbrite






Die Feldspäte in den submarin abgelagerten Tuffen sind meist besser erhalten, allerdings sind die ehemaligen Plagioklase durch diagenetische Veränderungen, besonders der Na-Metasomatose (Ca im Mineral wird duch Natrium ersetzt) verändert. Durch diesen Vorgang wandeln sich Felspäte der Ca-haltigen Plagioklas-Reihe in Na-haltige Albite um.
Die Umwandlung erfolgt dabei oft nicht homogen. Die so entstehenden Feldspäte nennt man wegen des sich zeigenden Würfelmusters Schachbrettalbite.

Bilder Feldspäte Schachbrett-Albite








Glimmer
Glimmer sind volumenmässig stark untergeordnete Bestandteile der Porphyroide. Lediglich durch Entglasungsvorgänge in den Ignimbritischen Tuffen sind grössere Mengen feinschuppigen, apfelgrünen Serzit entstanden (siehe die grünen Flatschen im Bild des redox-Sphärolith-Tuffs oben). Ansonsten finden sich geringe Mengen von Biotit und Muskovit.

Bild Glimmer



Zirkone
Zirkone gehören zu den ältesten Mineralen der Erde und wurden bis ca. 4.4 Milliarden Jahren datiert. Die Tatsache daß Zirkonkristalle aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer mechanischen und chemischen Widerstandsfähigkeit eines der gegenüber Druck, Temperatur und chemischer Umwandlung stabilsten Minerale ist, sein Wachstum aber von den jeweiligen physikalischen und chemischen Bedingungen gesteuert wird, macht ihn für petrogenetische Aussagen interessant. Welche Parameter für das Wachstum der prismatischen und pyramidalen Flächen verantwortlich sind, wird allerdings noch diskutiert. Da ihre Kristallform und Grösse / Habitus somit die "Umweltbedingungen" ihrer magmatischen Genese wiederspiegelt, kann man Zirkone exzellent zur Identifizierung von zusammenhängenden magmatischen Herdprovinzen bei sauren und intermediären Vulkangesteinen heranziehen. Diese besitzen alle quasi einen Zirkon-Fingerabdruck, den Zirkon-Morphocode, z.B. nach Winter (1984). Der Morphocode ist eine statistische Verteilung bestimmter Habitusmerkmale der Zirkonkristalle.
J. Winter hat hiermit erstmals die sauren Vulkanite des Sauerlandes klassifiziert und teilweise bestehende Vorstellungen korrigiert (Winter 2006). Dies wurde möglich durch die Auswertung des Materials unzähliger Diplomarbeiten und Dissertationen aus dieser Region.

Bilder Zirkone aus Porphyroiden, dieser hier aus dem Porphyroid von Wissenbach (Bild 1)




Nach RÖSLER 1988 umgezeichnet.


RÖSLER, H.-J. (1988): Lehrbuch der Mineralogie. VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie,Leipzig, 844 S.
J Winter (2006): Zirkon-Tephrostratigraphie stratigraphische Abfolge und Genese der Keratophyr-Horizonte des Sauerlandes (Unterdevon, Rheinisches Schiefergebirge),
Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften (ZDGG) Band 157 Heft 2, p. 155 - 201


Fahrenheit

Lieber Holger,

vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag mit den wie immer erstklassigen Aufnahmen von Anschliffen und Dünnschliffen! Das gezeigte Material ruft doch gleich wieder schöne Erinnerungen an unsere Exkursion zu den Aufschlüsssen in der Dillmulde wach.

Insbesondere die kolbenförmigen Einschlüsse in den Quarzkristallen finde ich bemerkenswert. Wir hatten anhand Deiner Dünnschliffe ja schon einmal darüber gesprochen, wie diese entstanden sein könnten. Verstehe ich Deine Bildüberschrift richtig:
ZitatDie Quarzkristalle enthalten oft noch Einschlüsse von Fluiden aus Ihrer Bildungszeit.
Die Einschlüsse sind also bei der Auskristallisation aus wässriger Lösung entstanden, eventuell weil Salze mit höherer Löslichkeit länger in Lösung geblieben sind und vom entstehenden Quarzkristall mit dem Restwasser "zurückgedrängt" wurden? Was ja auch bedeuten würde, dass der Quarzkristall "in situ" entstanden ist?

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Ulrich S

Hallo Holger,
toller Beitrag,
Danke für die Arbeit die Du Dir gemacht hast es uns zu erläutern.
Die Dünnschlifffreunde sind ja in der Minderheit hier.
Grüße
Ulrich
Es kommt immer anders wenn man denkt

moräne

Whow Holger
ein super Beitrag
jetzt weiß ich daß ich nicht bis zum Mont Dore ( französisches Zentralmassiv ) fahren muß, um einen Ignimbrit zu bekommen.
Ich denke,ich werde schon bald mal Deine Aufschlüsse besuchen.
Grüße
Gerd

olaf.med

Lieber Holger,

Glückwunsch - Du wirst von Beitrag zu Beitrag informativer; wirklich ganz prima!

Hallo Jörg,

die kolbenartigen Einbuchtungen im Quarz werden als Resorptionserscheinungen interpretiert, d.h. der ursprünglich schön idiomorph gewachsene Quarz wird in der Schmelze wieder angelöst wie ein Malzbonbon im Mund. Dabei werden nicht nur die Kanten gerundet, sondern es entstehen auch solche taschenartigen Gebilde die mit Schmelze gefüllt werden, die dann bei der schnellen Abkühlung bei der Eruption feinkörnig auskristallisiert. Die beiden runden "Einschlüsse" sind auch Resorptionsschläuche deren Hälse man durch Schnitteffekte nicht sieht.

Glück Auf, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Fahrenheit

Lieber Olaf,

danke für die Aufklärung! Ich hatte bei Fluiden gleich an wässrige Lösungen gedacht und nicht an Schmelzen. Interessant, dass sich dabei solche Blasen bzw. Kanäle bilden.
Der Zirkon in den letzten beiden Bildern scheint ja ähnliche Strukturen aufzuweisen - oder täusche ich mich da?

Herzliche Grüße
Jörg
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Für draussen: Leitz HM

olaf.med

Hallo Jörg,

ja, das sieht genauso aus. Von Zirkon kannte ich solche Erscheinungen bisher noch nicht.

Herzliche Grüße, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Holger Adelmann

Vielen Dank für's nette Feedback, Freunde.

Hier ist noch eine schöne Dipl. Arbeit im Netz für den, der mehr über Porphyroide lesen möchte:
http://oberrheingraben.de/Diplom/

Herzliche Grüsse
Holger

Rawfoto

Lieber Holger

Absolut spitze, wunderbare Arbeit ==> danke für das Zeigen und für Deine Mühe der dazu passenden Beschreibungen ...

Liebe Grüße :-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

HDD

Lieber Holger

Super Beitrag der schöne Erinnerungen an die Exkursion weckt.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Ronald Schulte

Holger,

Für mich eine unbekannte Welt aber es scheint mir ein sehr gut Dokumentierten und wunderbar bebilderter, Kompletten Beitrag.
Hast du die Histologie Gans verlassen oder ist dies ein kleinen Seitensprung?

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Holger Adelmann

Danke, Gerhard, Horst-Dieter und Ronald.

Das schöne an der Geologie ist das man den ganzen Tag beim Sammeln der Gesteine in der Natur verbringt, meist in toller Landschaft, etwas für die Fitness tun kann, und die Schliffe dann später wenn sie fertig sind zuhause mikroskopiert.

Aber keine Sorge Ronald, ich sitze nämlich IM MOMENT gerade an einem histologischen Präparat  8)

Herzliche Grüsse
Holger


Lothar Gutjahr

Lieber Holger,

da ich vom einen wie vom anderen keine Ahnung habe staune ich einfach ehrfürchtig. Da kommt aber auch die Frage. Der Kompromiß könnte der Schliff eines schönen Kalziumoxalatsteines sein ? Hast du da schon mal drann gedacht. Kann ja afür sich alleine gezeigt werden, muß ja nicht gleich eine Niere im Schnitt dabei sein. ;D Oder lohnt da schon ein Anschliff ? Zwei Stück selbstproduzierte  habe ich noch in einem Filmdöschen. Unser Kater spielt damit liebend gerne weil es so schöm rappelt.

Gruß Lothar

Winfried Todt

Hallo Holger,
ein lehrreicher Beitrag. Die Anschaulichkeit der Darstellung ist Dir gut gelungen.


Hallo Lothar,
außer Harnstein gibt es noch Nierenstein, Gallenstein, Urinstein und nicht zu vergessen die großen Hinkelsteine über die einige hin und wieder stolpern.

Viele Grüße in die Runde
Winfried