Botanik: Zweierlei vom Balkan-Storchenschnabel (Geranium macrorrhizum) *

Begonnen von Fahrenheit, Mai 27, 2012, 09:17:19 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fahrenheit

Lieber Pflanzenfreunde,

hier mal wieder etwas zu einem Vertreter aus der großen Familie der Storchschnabelgewächse (Geraniaceae). Wegen seines in der Regel oberirdisch liegend Rhizoms hat mich der Balkan-Storchenschnabel (Geranium macrorrhizum) neugierig gemacht. Die Pflanze gehört zu den größeren Storchenschnabel-Arten und ist häufig in städtischen Beeten und Rabatten anzutreffen - insbesondere, da Hunde den würzigen Duft wohl als weniger angenehm empfinden.  ;D
Weil er zusätzlich nett ausschaut und ein guter Bodendecker ist, findet der Balkan-Storchenschnabel aber auch gerne ein Plätzchen in privaten Gärten, so auch in unserer Straße. Heimisch ist die Art im Südwesten und Süden der Alpen und auf dem Balkan und dem Apennin. Sie besiedelt in Höhenlagen von 200 bis 1700 m steinige, kalkreiche Böden und Felsen in warmen Lagen.

Bild 1: Blüte des Balkan-Storchenschnabels


Der Balkan-Storchschnabel, auch Großwurzelige Storchschnabel (eine Anspielung auf das Rhizom, die auch im Art-Epitheton anklingt) oder Felsen-Storchenschnabel aus der Gattung der Storchschnäbel (Geranium) ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 20 bis 50 cm erreicht. Wir haben es schon geahnt: als Überdauerungsorgan wird ein ca. 5 bis 15 cm langes, kräftiges Rhizom ausgebildet.
Der aufrechte Stängel ist, wie in der Familie üblich, überall von kurzen Drüsenhaaren und langen, mehrzelligen Haaren bedeckt. Dies gilt auch für alle anderen oberirdischen Pflanzenteile. Die langstieligen Laubblätter sind handförmig gespalten mit tief kerbsägigen (eher schattiger Standort) bis fiederspaltigen Abschnitten (eher sonniger Standort). Der Blattdurchmesser der im Umriss fünf- bist achteckigen Blätter kann über 10 cm erreichen. Die beiden Blätter direkt unter dem Blütenstand sind gegenständig und sitzend, die kleinen mattbraunen Nebenblätter sind spitz-eiförmig.
Der Blütenstand ist doldig mit fünfzähligen, zwittrigen Einzelblüten. Die Kelchblätter am kugelförmigen Kelch sind bis 11 mm lang, lang begrannt und rötlich. Die fünf Kronblätter sind bis 18 mm lang und am Grund behaart. Je nach Standort und Bodenbeschaffenheit reicht ihre Farbe von weiß über ein blasses Lila bis zu einem kräftigen Karminrot. Die zu den Staubbehältern hin purpurroten Staubfäden sind stark verlängert (bis 22 mm lang) und ragen weit aus dem Kelch heraus. Am Ende der Blütezeit von Juni (im Flachland schon ab Mai) bis August entwickeln sich die bis zu 6 cm langen namensgebenden Kapselfrüchte, die im reifen Zustand an den Verwachsungsstellen der Fruchtblätter aufreißen und die Samen meterweit davon schleudern.

Im Netz findet man Hinweise auf eine pharmazeutisch Verwendung des aus den Pflanzenteilen gewonnenen Zdravec-Öls, jedoch ohne nähere Angaben - zumindestens habe ich keine gefunden.

Bild 2: Balkan-Storchenschnabel am Gartenzaun


Bild 3: Auch eine Illustration darf nicht fehlen

Diesmal aus Icones plantarum rariorum von Nicolao Josepho Jacquin (1781) als Beleg für die karminroten Blüten, die ich in unseren Breiten noch nicht gesehen habe. Leider hat der Zeichner beim Rhizom etwas oberflächlich gearbeitet ...  :)

Wie immer kurz zur Präparation:

Blütenstängel und Rhizom wurden frisch auf dem Handzylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter geschnitten. Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm.
Anschließend wurden die Schnitte für etwa 20 Minuten in AFE fixiert.

Gefärbt habe ich die Schnitte mit Rolf-Dieter Müllers W3Asim II. Entsprechende Arbeitsblätter können im Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden.

Um die natürliche Farbe der Korkhülle des Rhizoms zu zeigen, habe ich einige Schnitte in Wasser gemacht und diese ungefärbt fotografiert.

Und nun zu den Präparaten:

Bild 4: Zunächst ein Blick auf die Schnittführung beim Blütenstängel und dem Rhizom:

Wie man hier schön sehen kann, trägt der Balkan-Storchenschnabel seinen wissenschaftlichen Namen zu Recht.

Bild 5: Nun der Querschnitt des Blütenstängels in der Übersicht (Makroaufnahme mit der Canon PS S3is)

Schön zu erkennen eines der langen, mehrzelligen Haare und der unterbrochene Sklerenchymring, an dessen Innenseite die Leitbündel sitzen. Diesmal leider mit einem nicht ganz gelungenen Weißabgleich ...

Bild 6: Ein wenig näher heran, Vergrößerung 50x, Stapel aus 11 Bildern.


Bild 7a/b: Der Querschnitt im Detail, Bild 7b mit Beschriftung; Vergrößerung 100x, Stapel aus 5 Bildern.


Die Beschriftung von Außen nach Innen (Links nach Rechts):
Cu:   Cuticula
Ep:   Epidermis
RP:   Rindenparenchym
SklR: Sklerenchymring
SklK: Sklerenchymkappe - Verstärkung des Rings über dem Leitbündel
Pl:    Phloem
Ca:   Cambium
T:    Trachee
Xl:    Xylem
PXl:  Primäres Xylem
MP:  Markparenchym

Ein Cambium im Blütenstiel und somit ein offen kollaterales Leitbündel mit sekundärem Dickenwachstum bei einem Blütenstängel? Für mich sieht es danach aus ...

Bild 8: Das Leitbündel des Blütenstängels, Vergrößerung 200x, Stapel aus 8 Bildern.

Zwischen Phloem und Xylem sind direkt links von der ersten Reihe Tracheen die für das Cambium typischen "Backsteinzellen" erkennbar. Auch interessant: die Zellgruppe unterhalb der Sklerenchymkappe, die vom Phloem nierenförmig umfasst wird. Leider habe ich in meinen Schnitten nirgends Siebplatten gefunden - ob es sich bei dem Bereich um ein primäres Phloem handelt?

An einer Stelle lag der Blütenstängel am dahinter liegenden Gartenzaun an, was wohl durch Windbewegung und Reibung zu einer kleinen Verletzung geführt hat. Die musste natürlich auch betrachtet werden ...

Bild 9: Verletzung der Epidermis und des darunter liegenden Rindenparenchyms, Vergrößerung 400x, Stapel aus 5 Bildern.

In der Umgebung der Verletzung ist eine Sklerifizierung der Zellwände als Abwehrreaktion gegen Pilzbefall zu erkennen: in der linken Bildecke auf ca. 11 Uhr glaube ich Pilzhyphen im Zelllumen zu erkennen.

Nun zum Rhizom ...

Bild 10: Zunächst wieder eine Übersicht (Makroaufnahme mit der Canon PS S3is)

Auffällig sind die Leitbündel mit hier schon erkennbaren, unterschiedlichen Differenzierungsgraden und die Korkschicht als Begrenzung des Periderms.

Bild 11a/b: Etwas näher heran, Bild 11b mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus 14 Bildern.


Beschriftung von Außen nach Innen, diesmal von Rechts nach Links:
Per:  Periderm mit Kork
LBj:  Juveniles, noch nicht ausdifferenziertes Leitbündel
LBa: Adultes Leitbündel
D:    Der Querschnitt ist mit Drusen übersät ...
MP:  Markparenchym, das Grundgewebe des Rhizoms

Bild 12a/b: Die unterschiedlichen Leitbündel, Vergrößerung 200x, Stapel aus 11 bzw. 13 Bildern.


Der Maßstab der beiden Bilder ist identisch. Schön sind die unterschiedlichen Verholzungsgrade an den Tracheen zu erkennen.
Und auch hier: viele Drusen, die oft in Gruppen beieinander liegen.

Lieber Detlef, vielen Dank für Deine Unterstützung bei der korrekten Bezeichnung der einzelnen Schichten des Periderms!  :)

Bild 13a/b/c: Das Periderm, Bild 13a ungefärbt (Einzelaufnahme auf Leitz HM im Tageslicht), Bild 13c mit Beschriftung. Vergrößerung 13a 100x, 13b/c 200x und Stapel aus 9 Bildern



Als Überdauerungsorgan ist das Rhizom gut geschützt. Beschriftung von Außen nach Innen (Oben nach Unten):
Kork: Äußerste Schicht des Periderms
Pl:    Phellem
Pg:   Phellogen, das Meristem des Periderms
Pd:   Phelloderm
RP:   Rindenparenchym

Weitere Impressionen vom Periderm des Rhizoms:

Bild 14: Die ungefärbte Korkschicht in ihrer natürlichen Schönheit, Einzelaufnahme auf dem Leitz HM bei Tageslicht, Vergrößerung 450x.

Ob auch hier wieder die Phlobaphene (Gerbstoffrot) für die Zellwandfärbung verantwortlich sind?

Bild 15: Nun einer der schon in Bild 4 erkennbaren alten Blattstielansätze gefärbt, Vergrößerung 100x, Stapel aus 13 Bildern.

Oben auf der "Nase" sind noch Reste der Drüsenhaare zu erkennen.

Bild 16: Noch ein Blick auf die Drusen, Vergrößerung 400x, Stapel aus 16 Bildern.

Solche großen Gruppen von drusenhaltigen Zellen habe ich bisher noch nirgends gesehen.

Das Rhizom als Überdauerungsorgan ist natürlich auch ein Speichergewebe und somit sind die Zellen des Parenchyms mit Amyloplasten beladen. Dazu noch zwei Aufnahmen zum Abschluss:

Bild 17a/b: Amyloplasten in den Parenchymzellen, Bild 17b pol/sw, Vergrößerung 400x, Stapel aus jeweils 8 Bildern.


In Bild 17a kann man erkennen, dass sich die Amyloplasten um einen Kristallisationskeim herum bilden. Da meine Kamera bei Pol-Aufnahmen Farbartefakte bildet, habe ich Bild 17b in Graustufen umgewandelt. Eines der eiförmigen Stärkekörnern ist typisch ca. 10 auf 13 µm groß. Unten links wieder eine Druse.

Vielen Dank fürs Anschauen! Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit 11.10.2013: Bilder wieder eingestellt.  ;D
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Anatol

Lieber Jörg,

sehr gut Arbeit!!!
Tolle Foto!
Sehr schönes Foto mit Kork!

Vielen Dank!


Herzliche Grüße

Anatoly

Jan Kros

Lieber Jörg
Wieder eine wunderschöne Arbeit, sehr interessant
Danke fürs zeigen
Herzlichen Gruss
Jan

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

wieder ein lehrreicher Beitrag. Der "Balkan-Storchenschnabel" ist schon eine interessante Pflanze.
Das Bild 7a ( Querschnitt im Detail) ist Dir super gelungen.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob, das mich sehr freut!

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Holger Adelmann

Sehr schöner Beitrag, vielen Dank, lieber Jörg.

Mir gefallen besonders die Drusen (Karbonat?), die durch die eng anliegenden Zellwände wie eingepackt erscheinen - sehr schön.
Aber schön ist auch die native Rinde.

Vielen Dank für die Mühe die Du Dir immer machst.

Herzliche Grüsse
Holger


Rawfoto

Guten Morgen Joerg

Auch von mir ein Danke fuers Zeigen, wie immer eine tolle Arbeit die Du uns da zeigst ...

Liebe Gruesse

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Gerhard, lieber Holger,

auch Euch vielen dank für Euer Lob!

Lieber Holger, nein das sollten Calciumoxalat-Drusen sein, die "klassische" Form, wie sie in vielen Pflanzen neben den Raphiden und Romboedern zu finden sind. Die warme natürliche Farbe der Rinde hat mich auch übberrascht, ich finde sie ebenfalls sehr schön.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

bewie

Hallo Jörg,

das ist ja eine gewaltige Dokumentation mit eindrucksvollen Bildern - für mich ein beinahe abendfüllendes Programm! Vor allem die Bilder 16 und 17 beeindrucken mich. Ist eigentlich bekannt, woraus die Drusen bestehen?

In jedem Fall vielen Dank für diese Bilderserie!

Herzliche Grüße
Bernd Wiedemann

Frank D.

#9
Lieber Jörg,

auch wenn ich mich in der anderen Ecke unseres Forums herumtreibe, erstaunen und begeistern mich eure Beiträge hier in der Anwenderrubrik doch immer wieder.
So auch Deine Vorstellung des "Storchenschnabels", die ich einfach klasse finde.
Das Kapitel eines schönen Buches.

Herzliche Grüße
Frank

Muschelbluemchen


RalfAusDrols

Hallo Jörg,

Deine Beiträge sind immer ein MUSS in meiner Linksammlung für Top-Beiträge
und wie ich es auch gerne mal hinbekommen würde.

MfG
Ralf

Eckhard

Lieber Jörg,

"Zweierlei vom ..." erinnert mich irgendwie an eine Speisekarte ;) Eine schöne Arbeit! Das schwarz/weiss Bild gefällt mir besonders.

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Ralf

Lieber Jörg,

danke für den schönen Beitrag.

Mich haben die Amyloplasten im Pol besonders beeindruckt, denn das habe ich bisher so schön dargestellt noch nicht gesehen.


Fahrenheit

#14
Liebe Freunde,

mit so viel Resonanz habe ich gar nicht mehr gerechnet! Abermals vielen Dank für Euer Lob! Da macht das Schreiben solcher Beiträge Spaß.

Lieber Bernd,

diese schönen, in der Aufsicht sternförmigen Drusen bestehen in aller Regel aus Calciumoxalat. Was ich so noch nicht gesehen habe, sind die "eingeschrumpelten" Zellhüllen drumherum. Bisher ist die Zellstruktur der Zelle, die die Druse in ihrer Vakuole beherbergt hat, bei der Präparation in der überwiegenden Zahl der Fälle erhalten geblieben. Ich habe keine Idee, woran das liegen mag, dass es hier anders ist.

Lieber Ralf (aus Drols),

der Aufwand für die Präparate ist gar nicht so groß. Ich arbeite mit einem einfachen Handzylindermikrotom, dem SHK-Klingenhalter und Einmalklingen von Leica, färben tue ich im Uhrglas, neben der Färbelösung braucht es da nicht viel Chemie (nur Wasser, Ethanol und Isopropanol und natürlich Euparal als Einschlußmittel).
Mit ein wenig Übung bekommt das jeder hin. Mir gelingt auch nicht jeder Schnitt und ab und an legt ein gefärbter Schnitt beim Eindecken mal die Ohren an, aber wir Hobbyisten haben ja Zeit und schneiden einfach ein paar Scheibchen mehr ab ...  :D
Bleib dran! Es ist wirklich nicht sehr schwer.

Lieber Eckhard,

ja, ein Tribut an die moderne Aufmerksamkeitsökonomie - irgendwie muss ich meine Leser ja in meinen Thread locken.  ;D

Lieber Ralf,

dabei ist das Schwarz-Weiß-Bild eine Notlösung. Meine Kamera produziert bei den Polaufnahmen hässliche Falschfarben und das Runterrechnen auf 256 Grautöne bringt in meine Augen das beste Ergebnis.

Bild 18: Original des Bild 17b, nur mit Tonwertanpassung, verkleinert und ein wenig nachgeschärft


Bild 19: Rumspielen mit den Farbwerten hat mich auch nicht wirklich befriedigt - zumindest mit dem Blick durch das Okular vor den Augen ...


Bild 17b: Das Endergebnis noch mal zum Vergleich


Allen herzliche Grüße
Jörg

Edit 11.10.2013: Bilder wieder eingestellt.  ;D
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM