Botanik-experten gefragt - Brennnesselblatt

Begonnen von knipser009, Juni 06, 2012, 19:27:35 NACHMITTAGS

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knipser009

zuerst, einen "Guten Abend" ans Forum

in der heutigen Ausgabe unserer saarländischen Regionalzeitung war das Bild eines Brennnesselblattes im Ausschnitt publiziert.
Es stammt aus
http://www.elektronenmikroskopie.info/shop%20-%20biologie-pflanzen.htm
Bild Nr 17

Meine Fragen sind folgende:

1. Was sind und welche Bedeutung haben die etwa zellgroßen Strukturen in den - ich nenne es einmal, da mir der biologische Fachbegriff dafür nicht bekannt ist, -  "Furchen"   ?

2. Regenerieren sich Brennhaare ? Nach dem Bild 16 könnte dies möglich sein.


einen schönen Abend noch

Wolfgang
Viele Grüße aus dem SaarPfalzKreis

Wolfgang
gerne per "Du"

Kurt Wirz

Hallo Wolfgang
Auf deine Fragen habe ich leider keine Antwort.
Auf das Bild eines Brennhaares der Brennnessel in deinem
Link und somit auf ein REM Bild habe ich sehr wohl eine Antwort.
So gut und gelobt die REM Bilder sind, die Farben sind reine Fantasie.
Ich zeige hier ein Brennhaar mit natürlichen Farben in Auflicht Fotografie unter
Zuhilfenahme des Stackings.
Ein jeder urteile selber was realitätsnäher ist.

Gut Stack

Kurt


Dieter Stoffels

#2
Hallo Wolfgang,

ich finde, Du hast hier eine schöne Frage aufgeworfen, die ich leider auch nicht sicher beantworten kann. Trotzdem möchte ich einen kleinen Versuch wagen. Das Brennhaar der Brennessel ist ein einzelliges Gebilde mit polyploidem Kern, das in einer Schüssel eines vielzelligen Sockels (einer Emergenz) sitzt. An der Emergenz beteiligen sich nicht nur epidermale, sondern auch subepidermale Gewebeanteile. Ein besonders Merkmal der Haarzelle ist die an der Spitze auftretende Verkieselungsreaktion (neben dem Gehalt brennend wirkender Inhaltstoffe). Bricht die Spitze bei einem mechanischem Kontakt tritt der Zellinhalt aus und die (einzellige) Haarzelle stirbt sicher ab. Die Frage ist nun, stirbt mit der Haarzelle auch der sie tragene zelluläre Sockel oder verfügt der Sockel über Initialzellen, die es ermöglichen, eine neue Haarzelle zu bilden (nicht zu regenerieren!).

Ich vermute, dass Letzteres zutrifft, da die Bildung einer neuen Emergenz für die Pflanze einen unötigen Aufwand darstellen würde. Die Frage muss somit lauten, bleibt der Sockel bestehen, oder muss er mit dem Bruch und dem Absterben des einzellingen Haares neu gebildet werden?


Viele Grüße!

Dieter

Eckhard F. H.

ZitatIch zeige hier ein Brennhaar mit natürlichen Farben in Auflicht

Hallo Kurt,
Dein Foto (übrigens erstklassig) zeigt einen schönen schwarzen Hintergrund. Theoretisch ist der auch zu erwarten. Meine Auflichtexperimente hingegen leiden alle unter hellem Hintergrund, sodaß die Objekte nur schemenhaft sichtbar sind. Hast Du eine Idee, woher das Streulicht im wesentlichen kommen könnte?
Gruß - EFH

Eckhard

Hallo,

ZitatWas sind und welche Bedeutung haben die etwa zellgroßen Strukturen in den - ich nenne es einmal, da mir der biologische Fachbegriff dafür nicht bekannt ist, -  "Furchen"   ?

Ich weiss nicht genau, welche Strukturen Du meinst. Die Oberfläche eines Blattes ist nicht "sauber". Sporen, Bakterien, Dreck - alles kann man finden. 

Ich habe auch Brennnessel Haare anzubieten:



Herzlicher Gruss
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

knipser009

hallo Eckhard

schönes Bild eines Stängelquerschnittes

Wie Brennnesselhaare aussehen ist mir bekannt . Sie sind für mich eines der Beispiele , die ich im Oberstufenunterricht von meinen Schülern mikroskopieren lasse.

Was ich aber noch nie selbst im Mikroskop gesehen und z.B im "Strassburger" , ..., gelesen bzw gesehen habe, sind diese  im publizierten (s.Posting 1 ) Bild Nr 17 von mir angesprochenen Strukturen . Für Staub etc, scheinen mir diese zellulären (?) , kleinen, kugeligen in den "Furchen" liegenden Strukturen zu regelmäßig angeordnet.

lG

Wolfgang
Viele Grüße aus dem SaarPfalzKreis

Wolfgang
gerne per "Du"

reblaus

Hallo Wolfgang -

die Brennnessel hat netznervige Blätter; was du als "Furchen" bezeichnest ist der Rand eines Feldes unter dem eine Blattader verläuft. Dort ist das Blatt dünner, weil kaum Interzellularen vorhanden sind und das Schwammparenchym "verdichtet" ist.

Die geheimnisvollen, etwas zerknautschten Teilchen kommen meist, aber nicht ausschließlich in den "Furchen" vor. Da die Art der Präparation (critical point drying?) nicht beschrieben ist, kann man nur spekulieren wie die vorher ausgesehen haben. Verdorrte Emergenzen? Brennhaar"embryonen"? Am ehesten würde ich Eckhards Vermutung zustimmen: Schlunz!

Viele Grüße

Rolf


Dieter Stoffels

#7
Lieber Wolfgang, liebe Mikroskopiker,

mit diesem Beitrag möchte ich nochmals die Frage aufnehmen: Regenerieren die Brennhaare der Brennnessel?

Zur Beantwortung dieser Frage habe ich eine kleine Brennnessel (Urtica urens) ausgegraben und in Standorterde ,,getopft". Ein kurzer Sprossabschnitt wurde mit zwei Kabelbindern begrenzt und der Spross in Längsrichtung mit  einem schwarzen Tintenstrich markiert. Anschließend wurde die Pflanze unter einem Operationsmikroskop montiert und sprossständige Brennhaare mit Emergenz (Brennkomplex) stereoskopisch fotografiert.

Im Rahmen des Versuches wurden Brennhaare an ihren Spitzen (Langschnitt Ls) und kurz oberhalb der beginnenden Emergenzen (Kurzschnitt Ks) mit einer Mikroschere/Augenschere dekaptiert. Diese Maßnahme soll den Bruch der Brennhaares durch Fremdkontakt simulieren. Der Spossabschnitt mit den behandelten Brennhaaren wurde erneut fotografiert. Anschließend wurde die Brennnessel wieder im Halbschatten an ihren ursprünglichen Standort (jedoch getopft) gepflanzt. Auf diese Weise unterliegt die Pflanze während des weiteren Wachstumes den natürlichen Standortbedingungen.

Versuchsauswertung

Verwendete Abkürzungen:

Bh      Brennhaar
Eg      Emergenz
GvBh   Dreiergruppe von Brennhaaren
Ks      Kurzschnitt (kurz oberhalb der Emergenz)
Ls      Langschnitt (an der Spitze des Brennhaares)
Sp      Spross
sMa    schwarze Markierung

In Abbildung A wird eine Aufnahme des Sprossabschnittes im Ausgangszustand gezeigt. Zu erkennen ist der Spross, an dem grüne Emergenzen mit Brennhaaren unterschiedlicher Größe und Länge zu beobachten sind. Neben den großen Komplexen sind basal auch Gruppen kleiner Brennhaare (hier eine Dreiergruppe) zu erkennen.


Spross der Brennnessel Urtica urens im Ausgangszustand


In Abbildung B wird der gleiche Sproßabschnitt gezeigt, nur wurden die Brennhaare der Komplexe an den Spitzen sowie kurz oberhalb der Emergenzen dekaptiert. Nach dieser Behandlung wurde die Brennnessel an ihren natürlichen Standort zurück verpflanzt.


Spross der Brennnessel Urtic urens nach Dekaptierung

Nach 17 Tagen im Freilang wurde die Brennnessel eingeholt und der Sprossabschnitt, wie oben beschrieben, stereoskopisch untersucht. Der durch Kabelbinder begrenzte Sprossabschnitt ist interkalar gewachsen und weist eine altersbedingte, rotbraune Färbung auf. Anzeichen einer Degeneration der Pflanze oder deren Organe sind nicht zu beobachten. Werden die dekaptierten Brennaparate (Brennhaar und Emergenz) untersucht, ist an ihnen keine Veränderung zu beobachten. Die haartragenden Emergenzen sind nach wie vor durch das Vorhandensein von Chloroplasten grün gefärbt und zeigen keine Anzeichen eines Abbaus. Das Bild der zuvor dekaptierten Brennhaare ist unverändert (vergleiche Abb. B mit Abb. C). Eine Neubildung von Brennhaaren an den apikalen Bereich der bestehenden Emergenzen hat nicht stattgefunden. Auch an der Basis der Emergenzen ist kein induzierender Effekt zu beobachten, der zu einer verstärkte Neubildung von Brennkomplexen hätte führen können.


Spross der Brennnessel Urtica urens nach der Rückpflanzung

Bewertung

Nach einem 17-tägigem Aufenthalt der  Brennnesel im Freiland konnte keine Neubildung von Brennhaaren an den bestehenden Emergenzen festgestellt werden. Die haartragenden Emergenzen bleiben nach der Dekaptierung der Brennhaare unverändert und zeigen keine Anzeichen eines Degradation.  Auch konnte kein induzierender Effekt beobachtet werden, der im basalen Bereich der Emergenzen für eine verstärkte Neubildung von Brennhaaren sorgt (dieser Effekt wird in der Literatur für die brennhaarbesetzten Blattoberseiten beschrieben). Der Versuch lässt den Schluss zu, dass mit dem Bruch des Brennhaares der ,,Brennaparat" unverändert erhalten bleibt. Ein Ersatz des Brennhaares (z.B. durch Initialzellen) auf der bestehenden Emergenz scheint nicht stattzufindet. Somit handelt es sich bei dem Brennhaar und der Emergenz um eine Bildung, die nur im Ganzen ersetzt werden kann. Hierfür spricht auch das Bild eines ,,frühen" Brennhaarkomplexes, bei dem die Dimension der Haarzelle der der Emergenz enspricht (siehe Abb. C, Dreiergruppe von Brennhaaren).

Herzliche Grüße!

Dieter

plaenerdd

Hallo Dieter,
ich finde es toll, dass Du Dir diese Mühe gemacht hast, um es zu wissen. Gut dokumentiert. Schon fast eine kleine Belegarbeit für ein Botaniksemester. Ich hatte auch darüber nachgedacht, es auszuprobieren, aber es ist beim Nachdenken geblieben.
Viele Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Rawfoto

Hallo Kurt

Unglaublich was Du in letzter Zeit für Bilder produziert hat, echt spitze!!!

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

aman

Huhu,

wirklich tolle Bilder, die sind echt gelungen. Kann man auch dieses getrocknete Brennnesselblatt so unter das Mikroskop legen, oder muss es ein frisches Blatt sein?

Liebe Grüße

Klaus Herrmann

Hallo
ZitatKann man auch dieses getrocknete Brennnesselblatt so unter das Mikroskop legen, oder muss es ein frisches Blatt sein?
Kann man natürlich, aber wenn dann erst mal in Wasser aufweichen, sonst zerbrechen die jetzt schon vorhandenen Bruchstücke noch mehr. Fraglich ist auch ob da noch intakte Brennhaare zu sehen sind. Also frisch ist um Klassen besser.
Kleiner Tipp: stell dich mal vor in der Rubrik Mikroskopiker im Netz. Und wenn du dich umschaust, dann werden fast alle mit einem Vornamen angesprochen, den sie auch mit einer freundlichen Grußformel verbinden, wenn sie einen Beitrag geschrieben haben.
Ganz Faule wie ich machen sich eine fest stehende Unterschrift, dann vergisst man sie nicht.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

plaenerdd

Hallo aman,
auf jeden fall kann man diese getrockneten Pflanzenteile unter dem Mikroskop eindeutig bestimmen. Da gibt es eigene Literatur dazu wie den "Farbatlas pflanzlicher Drogen". Kräuterkunde" gibts nicht nur bei Harry Potter.
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Klaus Herrmann

#13
Zitatauf jeden fall kann man diese getrockneten Pflanzenteile unter dem Mikroskop eindeutig bestimmen.

Na sicher doch, aber auch da wird mit "Wasser gekocht" Die Pharmazeuten (auch die Frau Rahfeld, obwohl der Hinweis sehr versteckt ist - überhaupt sind die praktischen Hinweise in diesem Buch sehr dürftig) nehmen auch noch Chloralhydratlösung zum Aufhellen.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

A. Büschlen

Hallo Klaus,

du schreibst:
Zitat"Wasser gekocht" Die Pharmazeuten (auch die Frau Rahfeld, obwohl der Hinweis sehr versteckt ist - überhaupt sind die praktischen Hinweise in diesem Buch sehr dürftig

Welches Wasser meinst du, und  welche praktischen Hinweise möchtest du erweitert haben?

Es gibt z.Z. zu dieser Thematik wohl kein anderes Buch das in seiner Ausführung so konsequent gehalten ist und als Bestimmungshilfe genutzt werden kann. Und sogar eine Zeit lang als PDF angeboten wurde ;)

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.