lange Stacheln an Pediastrum!?

Begonnen von rekuwi, Juni 07, 2012, 16:13:08 NACHMITTAGS

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rekuwi

Liebe Algenkenner,

auch ich fand im Hattsteinweiher (bei Usingen) Pediastrum simplex. Bei meinen Exemplaren fielen mir lange "Stacheln" jeweil am Ende eines Horns auf. Hier zwei unterschiedliche Exemplare, ich konnte mind. zwei Stacheln erkennen:





Aufnahmen mit dem 40x Objektiv und DIK.

Wer hat die auch schon beobachtet; was weiß man darüber?
Bei den Aufnahmen von Bernd sind sie am 3. Foto ebenfalls zu erkennen.

Liebe Grüße
Regi

ruhop

Hallo, Regi.

Schöne Aufnahmen hast Du da! Der Hattsteinweiher wird ja so langsam der Renner.

Also, diese Fäden habe ich auch schon gelegentlich beobachtet. Eine der Infos, die ich früher einmal eingeholt habe, meinte, sie würden der besseren Schwebefähigkeit dienen. Das mag sein, aber hat mich nicht überzeugt, denn diese Fäden müßten dann erheblich öfter auftreten.

Vielleicht meldet sich ja Andreas (Pediastrum, sic!). Der ist eher in der neueren Planktonliteratur zu Hause.

Gruß aus dem Hintertaunus

Holger

JB

#2
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10604.0

Der Englische Begriff ist "bristle", manchmal auch "spine".

Literatur:

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1529-8817.1988.tb04250.x/abstract
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022532080900714

Nach Schnepf et al. (1980) betraegt der Durchmesser der Faeden bei Pediastrum biradiatum nur 80 nm!

rekuwi

Lieber JB, lieber Holger

danke für die Links. Also ein altbekanntes Thema, aber für mich halt spannend. So ganz genau ist noch nicht raus warum die so was haben.
Schwebehilfe und "Antigefreßwerden" sind auch meine Favoriten.
Bin gespannt ob noch Näheres zu erfahren ist.

Liebe Grüße
Regi

7an

Hallo.

ZitatAsexual reproduction mostly via coenobial formation after production of biflagellate zoospores. Every cell in colony capable of coenobial formation but this rarely synchronous. Zoospores released from parental cell wall in vesicle that persists throughout period of swarming and shortly after new coenobium formed.

Quelle: http://algaebase.org/search/genus/detail/?genus_id=43414

Die zwei Flagellen würden passen...

JB

Hi 7an,

Schau mal bei Schnepf et al. (1980) nach; definitiv keine Flagellen! Keine 9x2+2 Struktur und auch keine Bewegung. Das bei diesem Exemplar 2 Plasmafaeden zu sehen sind ist Zufall; von einem zu einem Duzend ist alles moeglich.

Link: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022532080900714

Beste Gruesse,

Jon

Bernd Kaufmann

Hallo Regi,

diese Fortsätze an Zackenrädchen finde ich derzeit in meinen Proben auch häufig, habe aber auch keine stichhaltige Erklärung dafür gefunden.



Viele Grüße
Bernd ©¿©
www.aquamax.de
Lieber per Du.

Pediastrum

Hallo,

die langen hyalinen Borsten sind typisch für die Gattung Pediastrum.  In der Bestimmungsliteratur wird darauf nur teilweise hingewiesen. In "The Freshwater Algal Flora of the British Isles" 2011 befindet sich meines Wissens kein Hinweis darauf.  In "Die Binnengewässer Band XVI Teil 7/1" gibt es zumindest Anmerkungen dazu. Wir haben das in unseren Gewässern auch schon häufig beobachten können:

http://www.planktonforum.eu/index.php?id=33&no_cache=1&L=&tx_pydb_pi1[gattung]=1031&tx_pydb_pi1[zellform]=&tx_pydb_pi1[details]=16141&tx_pydb_pi1[start]=0&tx_pydb_pi1[cur]=7

Nach dem allgemeinen Verständnis handelt es sich um Schwebeborsten, die das Aussinken aus der oberen Wasserschicht verlangsamen soll. Ich kenne jedoch keine Untersuchungen/Veröffentlichungen dazu. Die Ausbildung von morphologischen Anpassungen zur Verbesserung der Schwebefähigkeit machen grundsätzlich dann Sinn, wenn das Gewässer thermisch geschichtet ist und die warme obere Schicht (Epilimnion) vergleichweise schmal ist. Das ist vor allem bei kleineren Gewässern der Fall oder bei Gewässern mit einem hohen Gehalt an Huminstoffen.

Gruß, Andreas

http://www.planktonforum.eu


BergerN

Liebe Foristen,
ist es möglich die Stachellänge gleicher Algenarten aus unterschiedlichen Gewässern zu vergleichen?
Ich habe an einer anderen Algenarten fadenartige Auswüchse beobachtet, die an den Algen aus Fließgewässern bis zu 10 mal länger waren, als diejenigen der Algen aus Standgewässern.
Die Fließgewässer Algen waren dabei alle durch ihre Fäden mit größeren Pflanzen verbunden.
Was in einem Fall also Schwebehilfe und Fraßschutz sein könnte,wäre möglicherweise auch als Befestigung nutzbar.

Endlich wieder sonnige Grüße aus Hamburg,
Ncik

Klaus

Hallo Regi,

schöne Aufnahmen! In der mir zur Verfügung stehenden Literatur wird auch nur konstatiert, dass es diese Fortsätze gibt. Eine Erklärung der Funtion habe ich nicht finden können. Mir sind die Fortsätze früher auch schon mal aufgefallen:



Bei der Aufnahme handelt es sich um einen extrem vergrößerten Ausschnitt, daher die miese Qualität!

Gruß

Klaus

Ernst Hippe

Liebe Regi,
gratuliere, daß Du diese Pediastrum-Borsten gefunden hast! Ich kannte sie bisher nur aus der Literatur und dem Forum. Jetzt habe ich meine Probe nochmal durchgekämmt und auch einige wenige gefunden. Das mag aber an meiner unzureichenden optischen Ausrüstung liegen. Man braucht wohl eine 100er Ölimmersion!
Über die Funktion der Borsten steht auch in dem Spezialbuch von Komárek/Jankovská nichts, aber ein Hinweis, daß solche Borsten auch bei anderen kokkalen Grünalgen vorkommen.
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

Bernd Kaufmann

#11
Hallo Ernst,

die Borsten sind auch mit schwächeren Objektiven ohne Ölimmersion zu sehen. Meine beiden Aufnahmen sind leichte Ausschnittvergrößerungen mit A-Plan 40x/0,65 Ph, die bestimmt nicht zur Spitzenklasse der Zeiss-Objektive gehören. Und man sieht sie sogar im Hellfeld, wenn auch besser im Phasenkontrast.

EDIT: Auch Regi gibt ja an, dass die Aufnahmen mit dem 40x-Objektiv gemacht wurden.
Viele Grüße
Bernd ©¿©
www.aquamax.de
Lieber per Du.

JB

#12
@Pediastrum, Klaus

Eine Untersuchung habe ich gefunden. Im oben angegebenen Link findet sich folgendes:

"The bristles can be easily removed from mature colonies with a vortex stirrer. Removal of bristles from mature colonies in culture results in the loss of buoyancy and subsequent settling to the bottom of the flask."

Gawlik, S. R. and Millington, W. F. (1988), STRUCTURE AND FUNCTION OF THE BRISTLES OF PEDIASTRUM BORYANUM (CHLOROPHYTA). Journal of Phycology, 24: 474–482. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1529-8817.1988.tb04250.x/abstract

Beste Gruesse,

Jon

Pediastrum

Hallo Klaus,

danke für den Literaturtip. Damit ist geklärt, dass es wie vermutet mit einer Anpassung zur Verminderung der Sedimentation zu tun hat.

Habe das Paper auch gleich in unsere Literaturdatenbank hinzugefügt.

http://www.planktonforum.eu/index.php?id=2&no_cache=1

Gruß, Andreas

rekuwi

Liebe Pediastrumfreunde,

herzlichen Dank Euch allen die ihr Wissen hier kundgetan, und zusätzlich mit weiteren Bilder das Thema ergänzt haben.

Mein Resümee: es handelt sich um Schwebeborsten und bei günstigen Beobachtungsbedingungen sind sie sichtbar. (Also nicht stark schütteln oder rühren, dann fallen sie ab! ;))

Liebe Grüße
Regi