Botanik: Gewöhnlicher Perückenstrauch (Cotinus coggygria) *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Juni 08, 2012, 13:24:49 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Perückenstrauch (Cotinus) gehört zur Familie der Sumachgewächse. Dabei handelt es sich um Bedecktsamer. Im Juni / Juli blüht der Perückenstrauch.
Zur Gattung Cotinus werden 3 Arten gerechnet. Sie sind in Nordamerika sowie in Ost - Asien heimisch. Fossil seit dem Miozän (es begann vor etwa 23,03 Millionen Jahren und endete vor etwa 5,332 Millionen Jahren).
Cotinus war bei PLINIUS  ein Gehölz aus dem Apennin, aus dem eine Purpurfarbe gewonnen wurde. (PLINIUS ca. 23–79 n. Chr., war Historiker und Fachschriftsteller).
-Naturalis historia, eine enzyklopädische Naturkunde -
Das Epitheton  coggygria leitet sich vom griechischen ,,kokkygea" ab, das bei THEOPHRAT (um 371 v. Chr.–287 v. Chr., griechischer Philosoph und Naturforscher in der Antike) einen Strauch bezeichnet.
Unbedingt ratsam ist das Tragen von Handschuhen beim Schnitt eines Perückenstrauches.
Der orangefarbene bis scharlachrote Farbstoff Fisetin wurde früher häufig  zum Rotfärben von Wolle benutzt.
In den Blättern und der Rinde sind adstringierende Stoffe, Tannine enthalten, die zur Blutstillung genutzt wurden. Anwendung als Adstringens in der russischen Volksheilkunde bei Verbrennungen und Vergiftungen.
Das Holz wurde als Drechslerholz genutzt.
Warum der Name Perückenstrauch ?
Die Blütenstiele sind mit spreizenden Haaren versehen und verleihen so dem gesamten Fruchtstand das Aussehen einer Perücke. Die Schauwirkung wird von den behaarten Blüten- und Fruchtstielen erzeugt, die Blüten selbst sind unscheinbar.

Bild 01 Gewöhnlicher Perückenstrauch (Cotinus coggygria)

Das Foto habe ich in einer Gärtnerei aufgenommen.

Systematik:

Ordnung: Seifenbaumartige (Sapindales)
Familie: Sumachgewächse (Anacardiaceae)
Unterfamilie: Anacardioideae
Gattung: Perückensträucher (Cotinus)
Art: Gewöhnlicher Perückenstrauch
Wissenschaftlicher Name: Cotinus coggygria
Trivialnamen: Perückenbaum, Fisettholz oder Färbersumach, Schmack, Venezianischer, Ungarischer oder Tiroler Sumach
Englischer Name: purple smoke bush

Arbeitsanleitung:

Original Färberezept siehe Seite von Herrn Armin Eisner http://www.aeisner.de/
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf :

1. Probe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 5 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan.

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahmen wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.


Junger Spross, Querschnitt

Geschnitten habe ich alle Pflanzenteile mit dem Reichert - Jung Schlittenmikrotom Hn 40 auf eine Stärke von 40 µm.

Bild 02 Spross, Übersicht, quer, Cotinus coggygria

Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 03 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Cotinus coggygria

PER = Periderm, RP = Rindenparenchym, vZ = verdickte Zellen, aE = ausgebildete Epithelzellen, SE = Sekretgang, Ph = Phloem, sX = sekundäres Xylem, K = Kambium, Xy = Xylem, T = Trachee

Bild 04 Vergrößerung aus der Übersicht, Cotinus coggygria


Bild 05 Vergrößerung aus der Übersicht, Cotinus coggygria

Lentizelle und Sekretgang
Die ,,Korkwarzen" ermöglichen dem äußeren Sprossgewebe den Gasaustausch.

Bild 06 Spross, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF


Junger Spross, Längsschnitt

Bild 07 Spross, Übersicht, längs, Cotinus coggygria

Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 08 Vergrößerung aus der Übersicht, Cotinus coggygria

Schwarz/weiß

Bild 09 Spross, längs, Vergrößerung aus der Übersicht , Cotinus coggygria


Bild 10 Spross, längs, Vergrößerung aus der Übersicht Cotinus coggygria


Bild 11 Spross, längs, Vergrößerung aus der Übersicht  Cotinus coggygria


Bild 12 Spross, längs, Markparenchym, Polarisation,  Cotinus coggygria


Bild 13 Spross, längs, Markparenchym, Polarisation,  Cotinus coggygria


Bild 14 Spross, längs, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Bild 15 Spross, längs, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Bild 16 Spross, längs, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Bild 17 Spross, längs, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Bild 18 Spross, längs, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Bild 19 Spross, längs, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Bild 20 Spross, längs, Tüpfelgefäße, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF


Blattstiel, Querschnitt

Bild 21 Blattstiel, Übersicht, quer, Cotinus coggygria

Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 22 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Cotinus coggygria

CU = Cutitula, EP = Epidermis, HY = Hypdermis, R = Rindenparenchym, SE = Sekretgang, SK = Sklerenchym, PH = Phloem, K = Kambium-Ring, Xy = Xylem, MP = Markparenchym
Der Sekretgang liegt inmitten des Phloems, die Siebröhren und Geleitzellen liegen deutlich über dem Sekretgang. Der Kambium-Ring zeigt sehr wenig sekundäres Leitgewebe.

Bild 23 Vergrößerung aus der Übersicht, Cotinus coggygria


Bild 24 Vergrößerung aus der Übersicht, Cotinus coggygria

Sektergang Sekretgang

Bild 25 Vergrößerung aus der Übersicht, Cotinus coggygria


Bild 26 Vergrößerung aus der Übersicht, Cotinus coggygria

Cuticula und Epidermis

Bild 27 Blattstiel, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Cotinus coggygria

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF und Halogen – Pilotlicht.

Bild 28 Blattstiel, quer, Dunkelfeld, Cotinus coggygria


Literatur :

Peter A. Schmidt/Ulrich Hecker ,,Taschenbuch der Gehölze" ISBN 978-3-494-01448-7
Schubert/Wagner ,,Pflanzennamen und botanische Fachwörter" 8. Auflage 1984
Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen ISBN 978-3-89996-508-7

Dank an Detlef für die Informationen zum Blattstiel.

Mit freundlichem Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Detlef Kramer

Lieber Hans-Jürgen,

schöne ausführliche Arbeit, wie immer. Zwei Anmerkungen:

1. Abb. 22: rück den Pfeil bitte ca. 15 mm nach links zu den großlumigen, dünnwandigen Zellen, denn das sind die typischen Siebröhren und Geleitzellen. Da hatte ich mich in meiner email wohl unklar ausgedrückt. Für Alle: Hans-Jürgen hatte mir die beschrifteten Fotos zur Korrektur geschickt. Dabei ist mir aufgefallen, dass im Blattstiel die Sekretgänge mit samt ihren Epithelzellen und Stützzellen im Phloem eingebettet sind, d.h. das Phloem geht außen herum, Das macht auch Sinn, denn so kann der SK als "Sink" für die organischen Stoffe dienen, die in den Siebröhren transportiert werden. Etwas mehr dazu am 16. in DA!

2. Abb. 24: Kommt da wirklich Sekt raus? ;) ;D

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Hans-Jürgen Koch

Lieber Detlef,

danke für Dein Lob. Deine beiden Anmerkungen habe ich bearbeitet.

Gruß

Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Rawfoto

Guten Morgen Hans-Jürgen

Gestern musst Du Schluckauf gehabt haben, ich habe bei jedem Perückenstrauch an Dich gedacht bei dem ich am Abend vorbeigefahren bin und das waren sehr viele :-))

Ich habe mir vor ca. drei Wochen auch einen Stamm eingelegt, die Farbe an der Schnittfläche ist wirklich toll. Die Kollegen von der Mikroskopischen Gesellschaft Wien haben mich vor dem Schneiden gewarnt, es gab da Anfang des Jahres Schnitte zum Färben und da habe ich beschlossen was nach Wien mitzubringen.

Wie hast Du Dir beim Schneiden getan?!?

Mein Stamm war ca. 5cm im Durchmesser und ich habe mir mit dem Stemmeisen Stücke abgespalten und in Lösung nach Prof. Schweingruber eingelegt ...

Bin schon gespannt, so wie es aussieht ist Deiner ja noch kleiner gewesen :-)

Liebe Grüße aus Bulgarien :-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Hans-Jürgen Koch

Hallo Gerhard,

"Gestern musst Du Schluckauf gehabt haben, ich habe bei jedem Perückenstrauch an Dich gedacht bei dem ich am Abend vorbeigefahren bin und das waren sehr viele :-)) "

Da es in Bulgarien eine Stunde später ist als bei uns, habe ich sicher schon geschlafen; ohne Schluckauf  ;D
Meine Topf-Pflanze ist ja noch jung an Jahren. Beim Schneiden hatte ich keine Probleme, der Spross war nich zu hart.

Gruß
Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Rawfoto

Lieber Hans Jürgen

Dann sollte ich die Gelegenheit nützen und auch eine Spross einlegen :-))

Nur für den Fall der Fälle ...
Werden meine Größen ein wenig in Essigsäure oder Glyzerin aufkochen ...

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für die tolle Dokumentation!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

danke für Dein feedback.

Gruß
Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Omaruru

Lieber Hans-Jürgen,
wieder eine tolle Arbeit.

Eine kleine Verbesserung zu deiner Beschriftung in Bild 03.
Die Differenzierung in Xylem und sekundärem Xylem ist in diesem Bild unsinnig, da es sich immer um sekundäres Xylem handelt. Allerdings scheint der aktuelle Jahresring noch nicht komplett lignifiziert zu sein.

Eine Bemerkung noch für Allergiker und solche die Solche kennen: Der Hautkontakt mit dem Sekret kann - z.B. beim Schneiden des Strauchs - sehr unangenehm werden !

Herzliche Grüße

Klaus
Ich bevorzuge ein kollegiales Du ;-).

Scientists like to name anything.
      Jack Horner

Hans-Jürgen Koch

Lieber Klaus,

danke für Deinen Hinweis zum Bild 3.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Omaruru

Lieber Hans-Jürgen,

ich hoffe in auch in deinem Sinne zu handeln, wenn ich die Antwort auf deine private Anfrage hier einstelle.
vielleicht ist sie ja auch für die Anderen interessant.

Die Farbunterschiede sind durch die Färbbarkeit der Zellwandbestandteile zu erklären.
In der jüngsten "grünen" Zone bestehen die Zellwände in erster Linie aus Primärwand mit ersten Auflagerungen von Zellulose Fibrillen.
In der "blauen" Zone wird der Aufbau der Sekundärwand durch Zellulose vervollständigt.
Erst ganz zum Schluß wird die Zellulosematrix durch Lignin inkrustiert und färbt sich dann rot.

Ausnahme: Die Tracheen ! Sie werden nach Bedarf vom Organismus angefordert und sollen dann auch schnellst möglich einsatzfähig sein, d.h. sie haben Priorität und entwickeln sich scheller als ihre Nachbarzellen. Damit wird auch sicher gestellt, daß sie sich zu Lasten der Nachbarzellen ausdehnen dürfen um den gebrauchten Leitungsquerschnitt bieten zu können.

Ich hoffe mich verständlich ausgedrückt zu haben.

Klaus
Ich bevorzuge ein kollegiales Du ;-).

Scientists like to name anything.
      Jack Horner