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Der vergessene Thymian *

Begonnen von Rolf-Dieter Müller, Juni 23, 2012, 01:00:17 VORMITTAG

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Rolf-Dieter Müller

Liebe Forumsmitglieder,

für mich gab es einmal einen guten Grund zumindest einen Sommer lang aromatische Pflanzen auf meinem Balkon zu halten. Das war sehr lange her, und irgendwie ist der mit dem Thymian bepflanzte Balkonkasten nicht erneuert worden und hielt sich so über die Jahre ohne besondere Pflege, gestresst durch Sommer/Winter, ständiger Austrocknung und sicherlich ausgelaugter Erde.

Trotzdem treibt der Thymian im Frühsommer, zwischenzeitlich aber immer weniger. Wieso eigentlich, denn nach jedem Winter sieht der Kasten irgendwie nicht gut aus. Um diese Frage zu beantworten, habe ich heute Abend mit dem Rasierklingenmikrotom einen alten Spross aus dem junge Triebe kommen geschnitten und als Wasserpräparat mikroskopiert.

Der Schnitt sieht doch ganz gut aus, besonders die Fluoreszenzaufnahme (Bild 1) zeigt widererwarten vieles an lebendem Chlorophyll. Ausgenommen das was um den Spross herum zu sehen ist. Das ist kein aus dem Schnitt verschlepptes Chlorophyll, das dürfte eher Chlorophyll von Algen sein die sich an dem überalterten Thymian angesiedelt haben.

Damit man einen ersten Eindruck von dem vergessenen Thymian, es dürfte der Kriechende Thymian (Thymus polytrichus) sein, bekommt, zeigt Bild 3 einen Spross mit neuen Trieben (links), daneben ein Überblick vom Balkonkasten mit Streichholz zum Größenvergleich (rechts).

Bild 2 ist eine Hellfeldaufnahme (Halogenlicht) des Sprossquerschnitts zur allgemeinen Orientierung.

Beide Mikrobilder sind aus je zwei Einzelbildern zusammengesetzt, aufgenommen mit dem 10x/0,3 PlanNeofluar.

Bild 1 - Primärfluoreszenz (470 nm LED-Auflicht, Zeiss Filtersatz 09).


Bild 2 - Hellfeld


Bild 3 - Habitus


Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter Müller

Hans-Jürgen Koch

Lieber Rolf-Dieter,

Deine Primärfluoreszenz, wie immer 1A..

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

koestlfr

Hallo Rolf-Dieter,

tolle Panoramen und ich freu mich schon auf die Bilder der gefärbten Schnitte!

Liebe Grüße aus dem verregneten Wienerwald

Franz
Liebe Grüße
Franz

Rawfoto

Hallo Rolf-Dieter

Du zeigst da wieder ein spannendes Thema, ich hatte auch Thymian auf der Terrasse, der hat über Jahre das gleiche erleben dürfen und war auch nicht unter zu kriegen ...

Liebe Grüße aus Wien

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Rolf-Dieter,

danke für die schönen Bilder!

Dein altes Thymianstämmchen scheint eine gut besiedelte Borke zu haben, zumindest lässt das kräftige Rot an dieser Stelle auf Algen oder Moose schließen.

Herzliche Grüße
Jörg 
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Holger Adelmann

Toll, die Fluoreszenzaufnahme.

Wie Jörg finde ich auch die intensive rote Fluoreszenz in der Borke spannend, bitte schau doch mal nach Algen, lieber Rolf-Dieter.

Herzliche Grüsse
Holger



Eckhard

Lieber Rolf-Dieter,

eine spannende Sache hast Du da mit der Primärfluoreszenz ausgegraben. Gibt es ausser Chlorophyll noch einen Inhaltsstoff, der rot fluoresziert, oder ist Chlorophyll in den Markstrahlen vorhanden?

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

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Rolf-Dieter Müller

Heute möchte ich zu dem Thymian-Beitrag noch einen Ausschnitt ergänzen.

Vorher aber noch meinen Dank zu Euren Kommentaren.

@Hans-Jürgen, ja ich finde die Primärfluoreszenz als Ergänzung zu nativen und vielmehr aber zu gefärbten äußerst interessant.

@Franz, wenn ich schneide werden üblicherweise Schnitte gleich als Wasserpräparat (wie die im Eröffnungsbeitrag gezeigten beiden Bilder) verarbeitet. Darüber hinaus lege ich Schnitte unfixiert und ungefärbt in Glycerin ein und natürlich kommen die meisten in AFE für Färbungen, die ich in der Regel einen Tag später mache. Die Darstellung eines gefärbten Schnittes ist also in Vorbereitung.

@Gerhard, interessant Deine Bestätigung. Der Thymian scheint wirklich robust zu sein. Meiner ist ca. 15 Jahre im Kasten, ab sofort bekommt er aber von mir mehr Aufmerksamkeit.

@Jörg, es sind sicherlich Algen und wäre der Spross dicker, könnten sich eventuell auch Flechten daran ansiedeln. Jedenfalls gibt es im Umkreis von wenigen Metern an anderen Stellen kleine Flechtenansiedlungen. Als Mikroskopiker stehen sie bei mir natürlich unter absoluten Schutz und werden nicht entfernt.

@Holger, Deinen Hinweis folgend habe ich nachgeschaut, ein guter Anlass mal wieder mein 63x PlanNeofluar zu ölen (siehe unten).

@Eckhard, in den Markstrahlen ist offensichtlich Chlorophyll enthalten, was anderes in Rot fluoreszierend kenne ich (noch) nicht. Vielen Dank übrigens, das Du es an eigenen Schnitten einer anderen Pflanze gezeigt hast und mir davon ein Bild zeigen konntest.

Jetzt zu Holger's Anregung, genauer in die Borke zu schauen.

Ich hatte ja Schnitte in Glycerin eingelegt, und einen besonders dünnen habe ich mit dem 63/1,25 PlanNeofluar im Ausschnitt aufgenommen. Gut ist hier die Besiedelung zu sehen.

Bild 4 – Hellfeld, der Schnitt ist nicht fixiert und nicht gefärbt. Glycerinpräparat


Bild 5 – Primärfluoreszenz (Autofluoreszenz), Anregungslicht 470 nm-LED / 700 mA, Auflicht, Zeiss Filtersatz 09 = Anregung 450 -490 nm, Emission 515 nm. Präparat wie Bild 4.


Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Klaus Herrmann

Lieber Rolf-Dierter,

einen schöneren und überzeugenderen Beweis könnte man sich nicht denken. Super Bilder! Gehört ins Lehrbuch!

Jetzt fehlt eigentlich nur noch der selbe Beweis bei den rot fluoreszierenden Pünktchen im Markstrahl - sind das nicht auch Algen?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Detlef Kramer

Lieber Klaus,

Algen in den Strahlen? Das passt nicht in mein Weltbild. Aber Plastiden sollten es sein, die eigentlich nur Stärke enthalten, aber in dem Fall vielleicht doch etwas Chlorophyll.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Klaus Herrmann

Lieber Detlef,

ZitatAlgen in den Strahlen? Das passt nicht in mein Weltbild

In meines ja auch nicht, aber Chlorophyll in den Markstrahlen ist auch ungewöhnlich ???

Warten wir auf R-D.´s Beweis!

Mir scheint auch, dass die Rotfluoreszenz in den Markstrahlen nicht so intensiv ist, wie die der Algen in der Borke, was ein Indiz sein könnte, dass es etwas anderes ist.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Eckhard

Lieber Rolf-Dieter,

die Aufnahmen mit dem 63x finde ich einfach grandios. Vor allem bei der Primärfluoreszenz kommt der Begriff "Photonensammler" in den Sinn :)
Erstaunlich ist für mich, dass das Chlorophyll der Algen immer noch intakt ist - trotz der Aufbewahrung in Glyzerin.


Lieber Klaus,

ZitatWarten wir auf R-D.´s Beweis!

da Rolf-Dieter sich auf meinen Kastanienschnitt bezogen hat, liefere ich hier den Corpus delicti: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=12844.msg96181#msg96181


Ob es sich bei der Primärfluoreszenz in den Markstrahlen um Chlorophyll handelt, weiss ich nicht. Aber auffällig ist das schon.

Herzliche Grüsse
Eckhard


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Rolf-Dieter Müller

#12
Bevor ich der Anregung von Klaus Herrmann nachkomme und den Hinweis von Eckhard unterstütze Detailaufnahmen in Primärfluoreszenz nachzureichen, möchte ich erst einmal die versprochene Färbung zeigen.

Präparation:


  • Frischer Stängel mit dem Haga-Rasierklingenmikrotom geschnitten
  • Schnitte für 24 Stunden in AFE(50) fixiert
  • Fixierlösung über 50% Ethanol und 30% Ethanol in Wasser ausgewaschen
  • Färben für 10 Minuten mit W3Asim II (Wacker simultan, enthält Acridinrot, Acriflavin und Alcianblau). Zum Anfang Farblösung mit dem darin enthaltenen Schnitt auf ca. 60° Celsius erwärmt
  • Gefärbten Schnitt in Wasser ausgewaschen
  • Differenzierung in 30% Ethanol bis keine Farbe mehr abgeht, dafür das Ethanol mehrmals gewechselt.
  • Entwässerung in 96% Ethanol, dafür 3x gewechselt
  • Einschluss in Euparal
  • Präparat wurde danach 8 Tage auf Wärmebank bei ca. 45° Celsius gehärtet (mangels Wärmeschrank erfolgte die Härtung auf meiner improvisierten Wärmebank. Das ist ein kleiner Zettelkasten aus Metall in dem von unten eine Heizfolie für Autorückspiegel eingeklebt ist).

Bitte beachten: Üblicherweise wird mit 100% Isopropylalkohol entwässert, was auch weiterhin gemacht werden sollte. Das gilt besonders für die Etzold-Färbung. Die hier vorgestellte Präparation ist eine Probe um zu testen, ob man bei der Wackerfärbung ggfs. mit einer Reagenz weniger auskommt.

Das nachstehende Übersichtsbild ist mit Photoshop Elements 10 aus 15 Einzelaufnahmen zusammengerechnet, aufgenommen mit dem 16x/0,5 PlanNeofluar, immergiert mit Wasser. Mit Wasser kann ich aber nicht die volle Auflösung nutzen, denn sie gilt nur für Öl.

Dafür habe ich aber RAW-Bilder verarbeitet. Von der zusammengerechneten Originaldatei könnte ich ein Poster 100 x 100 cm bei 240 dpi ohne Auflösungsverlust ausbelichten lassen.

Bild 6


Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Holger Adelmann

Sehr schick, lieber Rolf-Dieter !

Kann man bei dieser Färbung sagen, welcher Farbstoff an welche (chemischen) Zielstrukturen bindet um somit einen Eindruck über den Aufbau der einzelnen Gewebe zu bekommen?

Die Algen kommen übrigens im Fluoreszenz-Bild mit dem hochauflösenden Objektiv ebenfalls toll heraus.

Herzliche Grüsse
Holger

Rolf-Dieter Müller

#14
Zitat von: Holger Adelmann in Juli 03, 2012, 23:56:05 NACHMITTAGS
...
Kann man bei dieser Färbung sagen, welcher Farbstoff an welche (chemischen) Zielstrukturen bindet um somit einen Eindruck über den Aufbau der einzelnen Gewebe zu bekommen?
...

Lieber Holger,

für die Wackerfärbung hat Robin Wacker dieses u.a. in seinem Mikrokosmos-Beitrag beschrieben: ,,Eine neue und einfache Methode zur polychromatischen Anfärbung von Paraffinschnitten pflanzlicher Gewebe für Durchlicht- und Fluoreszenzmikroskopie. Mikrokosmos Heft 4/2006, Seite 210-212.

Für meine hier gezeigte Färbung habe ich das in der Originalvorschrift enthaltene Astrablau durch Alcianblau ersetzt und verwende sie als auszudifferenzierende Simultanfärbung.

Es kann somit im Detail Abweichungen von der Originalschrift geben. Deshalb möchte ich mich bei der Beschreibung nur auf die Hauptmerkmale beschränken.

Acridinrot (=roter Farbstoff) färbt indifferent, jedoch nach Differenzierung in mit Wasser verdünntem Alkohol typisch lignifizierte (verholzte) Zellwände.

Alcianblau (= blauer Farbstoff) färbt typisch nicht-lignifizierte (unverholzte) Zellwände.

Acriflavin (=gelber Farbstoff) färbt lignifizierte und nicht-lignifizierte Zellwände indifferent, doch nach Differenzierung innerhalb der genannten Zellwandgruppen wiederum typisch. Es ergibt in Kombination mit Alcianblau ein Grün und in Kombination mit Acridinrot ein Tiefrot bis Orange. Bei jüngerem lignifizierten Gewebe zieht es nicht auf, dann färbt nur Acridinrot mit einem Magentaton (hier im Forum als Frühjahrsüberraschung bekannt, wenn in den Schnitten das Rot vermisst und gesucht wird). Bei nicht-lignifiziertem Gewebe kann man oft beobachten, das Kambium und/oder Phloem nicht angefärbt wird, es färbt dann nur Alcianblau mit einem Blauton.

Emig schreibt in seinem hervorragenden Buch ,,Stain technique", das Acridinrot für Färbungen genommen werden kann, die mit Safranin gute Resultate ergeben, jedoch heller aufzieht. Mit nachstehender Färbung kann ich das ganz gut zeigen. Auf Basis der Wackersimultanfärbung var. Alcianblau (W3Asim II) habe ich Acridinrot durch Safranin ersetzt und den Schnitt simultan gefärbt.

Jetzt ist dieser Schnitt etwas dicker und somit zieht die Färbung kräftiger auf. Aber ich denke man kann trotzdem ganz gut den Unterschied erkennen.

Eine Aufnahme (keine aus Einzelaufnahmen zusammengesetztes Bild) mit 10x/0,3 PlanNeofluar aufgenommen.

Bild 7: Thymian Spross quer, Simultanfärbung mit Safranin, Acriflavin und Alcianblau



Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter