Liebe Pflanzenfreunde,
da ist sie nun, die kleine Enttäuschung.
Genau gegenüber, an einem Zaunpfosten hat sich Stachys byzantina, ein Woll-Ziest breit gemacht, den ich dann auch unter das Messer genommen habe. Allerdings erst, nachdem mir Mila mit der Bestimmung unter die die Arme gegriffen hat - meine herzlichen Dank dafür!
Bild 1: der Woll-Ziest an der Ecke
Der Woll-Ziest ist eine Zierpflanze, die ursprünglich in der Türkei, Armenien und dem Iran beheimatet ist. Die Engländer nennen ihn Lambs Ear (Lammohr), eine hübsche Anspielung auf die wie alle Pflanzenteile stark behaarten Blätter.
Die mehrjährige Pflanze ist bei mildem Klima immergrün, in kalten Wintern sterben die Triebe jedoch ab und es erfolgt ein neuer Austrieb im nächsten Frühjahr. Blütezeit ist in den Monaten Juni und Juli, die Blüten stehen dann zwischen Hochblättern an den Blütenstängeln, die bis zu 40 Zentimeter aus dem Blattwerk der nicht blühenden Sprosse herausragen und im Gegensatz zu diesen nur wenige Blätter tragen. Die lilafarbenen, fünfzähligen Lippenblüten selbst stehen in dichten Scheinqirlen, die wegen der Hochblätter und der starken Behaarung ein sehr kompaktes Aussehen haben.
Hier noch einige weitere Bilder von der Pflanze, eine Illustration kann ich diesmal leider nicht zeigen.
Bild 2: Blütenstand des Woll-Ziest

Bild 3: Blattwerk des Woll-Ziest
Bild 4: Ein Lammohr

Vor den Bildern der Präparate zunächst ein Wenig zur Präparation:Der Spross wurde frisch auf dem Handzylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter geschnitten. Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm.
Anschließend wurden die Schnitte für etwa 20 Minuten in AFE fixiert.
Bild 5: Der Spross des Woll-Ziest auf dem Zylindermikrotom

Die Behaarung ist gut zu erkennen, sie trägt zu mehr als der Hälfte zum scheinbaren Sprossdurchmesser bei.
Gefärbt habe ich wieder nach W3ASim II. Entsprechende Arbeitsblätter können im
Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden.
Und nun die Bilder von den Präparaten:Bild 6: Zunächst wieder eine Markroaufnahme vom fertigen Schnitt

Da lässt sich die Enttäuschung schon erahnen: viele Haare um einen relativ konventionellen Sprossquerschnitt - nicht unähnlich dem einer Minze. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Gattungen der Familie der Lamiaceae (Lippenblütler): Stachys und Mentha. Ebenfalls ähnlich: der Sprossquerschnitt der Nesseln (Urticaceae) aus der Ordnung der Rosenartigen (Rosales).
Bild 7: Eine Übersicht über den Spross, Vergrößerung 50x, Stapel aus 10 Bildern

Die hier durch den Schnitt stark ausgedünnte Behaarung ist leider voller Luftblasen, die sich auch durch intensives Baden in Isopropanol nicht vertreiben ließen bzw. im kurzen Moment vor dem Auftropfen des Euparals durch die Verdunstung des Intermediums wieder neu entstanden sind.
Bild 8a/b/c: Etwas näher heran, Bild 8a ungefärbt, Bild 8c mit Beschriftung, Vergrößerung 100x, Stapel aus je 9 bzw. 8 Bildern


Die Beschriftung von Innen nach Außen (Rechts nach Links):
MP: Markparenchym
Skl: innen liegendes Sklerenchym vor dem primären Xylem
PXl: Primäres Xylem
T: Tracheen
Xl: Xylem
Ca: Cambium
Pl: Phloem
SklN: Nester sklerifizierter Zellen am Außenrand des Phloems
RP: Rindenparenchym
Kol: zusätzliche Verstärkung: in den Sprossecken gibt es ein Kollenchym
Ep: Epidermis
Cu: Cuticula
Ha: die allgegenwärtigen Haare
Im ungefärbten Schnitt dunkel bis gelblich (das Chlorophyll verblasst im Ethanol sehr schnell), zeichnet sich das Assimilationsparenchym in gefärbten Schnitt durch die grünlich gefüllten Zellen aus: die Chloroplasten haben auch Farbe angenommen.
Auch wenn das Xylem an den Ecken des viereckigen Sprossquerschnitts verdickt ist: es fehlen die ausgeprägten Sklerenchymkappen, die man in vielen Minz-Querschnitten findet. Da ist die Ähnlichkeit zu den Sprossquerschnitten z.B. einer jungen Brennnesseln größer.
Bild 9a/b: Noch ein wenig näher heran, Bild 9a ungefärbt; Vergrößerung 200x, Stapel aus 25 bzw. 12 Bildern

Während sich im ungefärbten Schnitt zwei schöne Drüsenhaare zeigen, fehlen solche im gefärbten Schnitt, der dafür schön die Sklerenchymnester am Rande des Phloems zeigt. Die Chloroplasten sind im Bild 9a gut getroffen, während das Kollenchym in beiden Bildern gut zu erkennen ist.
Bild 10: Es muss doch auch ein gefärbtes Drüsenhaar geben! Vergrößerung 400x, Stapel aus 5 Bildern
Das Köpfchen mit den drei Zellen hat einen Durchmesser von ca. 21 µm bei einer Höhe von gut 12 µm und sitzt auf einem einzelligen Stiel von gut 10 µm Höhe.
Bild 11: Noch was fürs Auge: das primäre Xylem, Vergrößerung 200x, Stapel aus 14 Bildern

Vielen Dank fürs Ansehen, Anregungen und Kritik sind wie immer willkommen.
Herzliche Grüße
Jörg
Edit 27.06.2012: Ähnliche Pflanzen nachbearbeitet.